Württemberger Winzer

Das Billigpreis-Segment ist keine Lösung

Württembergs Winzer sind frustriert über den weltweiten Rückgang des Weinkonsums und nicht gepflegte Parzellen in der Region.

09.05.2024 UPDATE: 09.05.2024 04:00 Uhr 2 Minuten, 22 Sekunden
Auch auf nicht mehr bewirtschafteten Parzellen muss eigentlich von Gesetzt wegen die Mindestpflegepflicht eingehalten werden. Immer öfter aber verwahrlosen die Flächen. Foto: WVW

Heilbronn. (guz/zg) Alkoholfreie Weine, Wein-Misch-Getränke und 0,75-Liter-Mehrwegglasflasche – ist das die Zukunft des Weinbaus in Württemberg? Wohl noch nicht in allzugroßem Umfang, aber die Zeichen der Zeit gehen auch an den regionalen Winzern nicht vorbei und zwingen zur Suche nach neuen Ansätzen und Lösungen.

Denn die Ertragssituation der Betriebe ist schlecht, wie bei der Mitgliederversammlung des Weinbauverbands Württemberg zu hören war, bei der auch über neue Vertriebswege und den Frust wegen nicht gepflegter Parzellen und den dadurch entstehenden Mehraufwand diskutiert wurde.

Rund 60 Gäste und Mitglieder waren der Einladung in die Räume der Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) in Weinsberg gefolgt, darunter auch Ernährungsminister Peter Hauk sowie Vertreter des Regierungspräsidiums Stuttgart und der Landwirtschaftsämter.

In der Begrüßung erinnerte Vizepräsident Peter Albrecht an den verstorbenen Präsidenten Hermann Hohl, der den Verband weit mehr als drei Jahrzehnte lang geleitet hatte. Bei der Suche nach einer Nachfolge für das vakante Amt prüft der Verband derzeit alle Optionen, um dem Strukturwandel bei den Mitgliedern und den Anforderungen an das Ehrenamt gerecht zu werden. "Unser Ziel ist, bis zum kommenden Jahr eine personelle und etwaig strukturelle Neuaufstellung des Verbands vorgenommen zu haben. Aufgrund unserer Satzung sind wir handlungsfähig", versicherte Albrecht.

In zwei Impulsvorträgen von Christian Schwörer, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbands, und Uwe Michelfelder aus dem Referat Betriebswirtschaft der LVWO wurde deutlich, dass aufgrund des weltweit rückläufigen Weinkonsums und damit auch Weinabsatzes der Weinsektor maximal leidet.

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Michelfelder führte aus, dass das Weinbaugebiet Württemberg aufgrund seiner Topografie und der Kleinparzellierung nicht im Billigpreis-Segment produzieren und entsprechend aufgrund des hohen Preisdrucks an Absatzmengen verlieren könnte. Um die Erlösseite nachhaltig zu verbessern, brauche man neue Absatzwege und müsse neue Zielgruppen erschließen. Michelfelder riet den Weinbaubetrieben daher zur aktiven Beteiligung an der Vermarktung, um eine größere Reichweite für die eigenen Erzeugnisse erzielen zu können.

Schwörer sah in neuen Vermarktungswegen ebenfalls eine Chance. Entalkoholisierte Weine und Wein-Misch-Getränke seien zwar derzeit noch Nischenprodukte, werden jedoch von bisher wenig weinaffinen Zielgruppen verstärkt nachgefragt. In der EU wird derzeit weiterhin kontrovers über Krisenmaßnahmen diskutiert, die vorrangig von den großen weinbautreibenden Ländern Frankreich, Spanien und Italien gefordert werden.

Bislang ist aber keine Einigung und somit keine Unterstützung für den Sektor absehbar. Schwörer führte weiter aus, dass in den ländlichen Gebieten oft keine alternative landwirtschaftliche Nutzung der Flächen möglich sei, mit dem Rückgang der Rebfläche jedoch Biodiversität verloren gehe.

Bei der abschließenden Podiumsdiskussion sprach Vizepräsident Albrecht den Umstand an, dass immer mehr nicht gepflegte Parzellen in den Weinbergen zu Frust und Mehrarbeit bei den Winzern führen und zahllose Flächen verwahrlosen, obwohl der gesetzliche Rahmen die Mindestpflegepflicht vorsieht. Da die Überwachung der Bewirtschaftungs- und Pflegepflicht der jeweiligen Gemeinde obliegt, appellierte Albrecht an die Vertreter der Kommunen, das geltende Recht in der Fläche auch umzusetzen.

Im Kontext der Erschließung neuer Zielgruppen bei der Vermarktung zeigte Werner Bender, Vorstand der Weinmehrweg eG, auf, welche Chancen Ideen wie die Einführung einer 0,75-Liter-Mehrwegglasflasche für die Betriebe und das Weinbaugebiet haben können. Bereits 13 Betriebe haben sich der Initiative angeschlossen und vermarkten mittlerweile überregional Weine. "Die Nachhaltigkeit ist für viele Verbraucher ein wichtiger Faktor bei der Kaufentscheidung, sodass wir mit der neuen Mehrwegflasche diesem Bedürfnis gerecht werden", fasste Bender die bisher guten Erfahrungen und Reaktionen von Handel und Verbrauchern zusammen.

Eine gute Nachricht verkündete Minister Hauk später per Pressemitteilung: Die EU-Kommission hat der Erhöhung des Bewirtschaftungszuschusses bei der "Förderung Handarbeitsweinbau" von 3000 auf 5000 Euro pro Hektar und Jahr in Baden-Württemberg zugestimmt. Damit wird auch die Mindestfläche je Antrag von fünf auf drei Ar geändert. Dies sei "eine wichtige Anerkennung der Arbeit unserer Winzerinnen und Winzer", bewertete Hauk den Beschluss.

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