Auch ein Bußgeldbescheid kann historisch wertvoll sein
Dr. Marco Neumaier gab eine erste Führung durchs Stadtarchiv. Verwaltungsgeschichte und kommunales Leben im Rückblick.

Sinsheim. (abc) Einen Blick in die Geschichte der Stadt mit ihren zwölf Ortsteilen geworfen haben die Besucherinnen und Besucher der ersten Archivführung, zu der das Stadtmuseum eingeladen hatte. "Seine Bestände überliefern sowohl die Verwaltungsgeschichte als auch eine Vielfalt an Aspekten des kommunalen Lebens", hatte die Leiterin der Einrichtung, Dinah Rottschäfer, im Vorfeld angekündigt. "Das Archiv ist das Gedächtnis der Stadt", bestätigte dann auch der Archivar Dr. Marco Neumaier.
Das bezieht sich übrigens auf die Geschichte der Gesamtstadt. Unzählige Akten, Dokumente und Alltagsgegenstände, die zuvor in den Rathäusern der Ortsteile gelagert wurden, wurden nach der Kreisreform und der Entstehung der Großen Kreisstadt Sinsheim ins Stadtarchiv transferiert. "Im Idealfall ist es so, dass man die gesamte Geschichte der Kommune abgebildet hat", konkretisierte der Archivar.
Gleichzeitig räumte er jedoch ein, dass es dabei oft Grenzen gebe. Im Laufe der Jahrhunderte, beispielsweise während der Schlacht bei Sinsheim am 16. Juni 1674, gingen Aufzeichnungen häufig verloren, weshalb kein Anspruch auf Vollständigkeit angemeldet werden kann.
Ein Teil der Sinsheimer Akten, die den ehemaligen, mit der Kreisreform zerschlagenen Landkreis betreffen, wurden allerdings in das Archiv des Rhein-Neckar-Kreises überführt. "Das betrifft zum Beispiel die ehemalige Kreispflegeanstalt, das heutige GRN-Betreuungszentrum. Darüber haben wir nur noch vereinzelt Akten", erklärte Neumaier. Gleiches gilt auch für das ehemals badische Stift Sunnisheim. Dessen Dokumente lagern im Generallandesarchiv in Karlsruhe.
Damit man hier wie dort das Gesuchte möglichst schnell und sicher findet, gibt es für kommunale Akten die sogenannte Schriftgutverwaltung. Mit Kreis-, Landes- und Bundes-Aktenzeichen kompatibel, werden die entsprechenden Vorgänge nach einer bestimmten Zeit ins (Zwischen-)Archiv ausgelagert, wofür es entsprechende Vorschriften gibt. Allmählich wird aber auch vieles digitalisiert, um die Mengen an Papier zu reduzieren, die im Stadtarchiv lagern.
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Doch das ist bisweilen gar nicht so einfach. "Manches Schriftgut muss man nicht unbedingt für die Ewigkeit aufheben. Wir bewerten, was archivwürdig ist", erklärte Neumaier, der promovierter Historiker ist. Wie schwierig die Entscheidung fallen kann, etwas zu behalten oder auszusortieren, verdeutlichte er anhand historischer Bußgeldbescheide. "In 100, 200 Jahren könnte das ja vielleicht doch interessant sein", sagte der Stadtarchivar.
Für alle anderen Archivalien gibt es das sogenannte Findbuch: "Das ist eine Art Inhaltsverzeichnis", erklärte Neumaier, in dessen Geburtsjahr 1976 mit dieser Form der Katalogisierung begonnen wurde. Mittlerweile sind einige Exemplare davon digitalisiert und auf der Internetseite der Stadt abrufbar.
"Das ist ja eine Sisyphusarbeit", bemerkte einer der Besucher und lobte dadurch die teilweise von ehrenamtlichen Kräften erledigte Arbeit. "Ich muss wirklich jede Akte noch mal in die Hand nehmen und hineinschauen", gestand Neumaier und verwies auf die Rückmeldung seiner Kollegin Ruth Zwickel, die seit mehr als 30 Jahren im Stadtarchiv arbeitet.
Bürger, die das Stadtarchiv einsehen wollen, teilen ihr immer wieder mit, dass sich bestimmte Dokumente nicht dort befinden, wo sie laut Findbuch sein müssten. Somit gibt es noch viel Arbeit im Stadtarchiv. Dr. Neumaier und seine Kolleginnen und Kollegen dürfte es also in den kommenden Jahren nicht langweilig werden.