Sinsheim

Wechsel im "Kleinen Rewe" in der Muthstraße

"Ein Kapitel Familie" am Puls der Stadt: Heinrich Lutz hört nach 40 Jahren auf, sein Nachfolger übernimmt die Belegschaft.

01.07.2023 UPDATE: 01.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 11 Sekunden
Heinrich Lutz mit Frau und Töchtern im Kreis der Belegschaft. Viele von ihnen arbeiten seit Jahren im Markt in der Muthstraße. Der Abschied fällt ihnen nicht leicht. Foto: privat

Von Tim Kegel

Sinsheim. Polaroids wurden geschossen, Kuchen gegessen. Und am Ende war’s dann doch eine ziemlich emotionale Geschichte: Die Leute aus der Belegschaft drückten sich gegenseitig – und manche Träne weg. Mit dem 1. Juli endet ein Kapitel in der Muthstraße – und ein neues wird aufgeschlagen. Kaufmann Heinrich Lutz hört auf.

Der "Kleine Rewe" oder "Rewelutz", wie der Markt oft genannt wird, ist eine Sinsheimer Institution. Und für viele mehr als nur ein Einkaufsmarkt: Hier, mitten in der Innenstadt, mitten im Bahnhofsviertel, trifft sich eine besondere Mischung, die Lutz schlicht "alles" nennt: Viele ältere Kunden, die mit dem Rollator einkaufen und hier noch – "so gut es geht" – Waren auf Wunsch ins Sortiment bestellen und ihr Geld an der Kasse abzählen lassen können. "Persönliche Ansprache" sei sehr wichtig.

Nachfolger Carsten Rüttinger will das Bewährte beibehalten. Foto: Tim Kegel

Und viele junge Leute, viel Laufkundschaft, viele Durchkommende und Arbeiter sind hier versammelt. Je nach Erfordernis und Uhrzeit ist der Ton dann rau oder herzlich. Viele Geschichten, die diese Stadt schreibt oder ausspuckt, werden im Rewe in der Muthstraße geschrieben, gemerkt und erzählt – oder sind hier passiert.

17 Jahre im Viertel und fast 40 mitten in der Innenstadt sind eine lange Zeit. Und manche von ihnen, wie Marion Braun, waren von Anfang an dabei. Für alle von ihnen ist der Laden ein Stück Heimat. So wie für Majure Maheswaran, die selbst sagt: "Ich bin ein Rewekind".

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Ihre Mama Rani putzte hier, als Chef Heinrich Lutz Majure gefragt hat: "Mag’sch dir bissl was dazuverdiene?" Da war sie 15, heute ist sie 23, studiert in Heidelberg, jobbt aber immer noch im Markt, wo Mama Rani immer noch putzt. Erwachsen sei sie hier geworden, habe "was fürs Leben gelernt", habe sich behaupten müssen, als sie – selbst noch ein Mädchen – "Leute an der Kasse nach ihrem Ausweis fragen" musste.

Und da sind all die anderen, insgesamt 22 Menschen, alle gut bekannt in Sinsheim: Dörthe Hückstädt etwa, die alle als Frau Hückstädt kennen oder Markus Kraus, bekannt auch als Herr Kraus, rechte Hand von Braun und Chef Lutz und wegen der selben Haarfarbe oft fälschlicherweise als dessen Sohn wahrgenommen. "Du, Frau Hückstädt", oder "Herr Kraus, bitte zum Spirituosenregal" – Satzfetzen, die nahezu alle Sinsheimer schon einmal gehört haben.

Ein Familienbetrieb im Familienbetrieb, auch Madelene und Jasmin, die Töchter von Heinrich und Angelika Lutz, haben hier gejobbt: "Ein Kapitel Familie" sei der Markt gewesen. Auch hat Heinrich Lutz, der selbst in der Südstadt wohnt, sich immer für die Stadtgesellschaft eingesetzt, hier vor allem für die Benachteiligten, die Ärmeren, den Tafel-Laden oder die Vereine. "Ein sechsjähriger Bub" hat ihm zum Abschied ein Bild gemalt.

Besonderheiten, die auch der Nachfolger bemerkt hat: Carsten Rüttinger, 34, Kaufmann und vorher Marktleiter in Stutensee. "Viel Dynamik" gebe es im "Kleinen Rewe", das gefalle dem zweifachen Familienvater. Nun will er erhalten, "was sich bewährt hat" und "erst mit der Zeit" das eine oder andere Neue umsetzen.

Alle Mitarbeiter wurden übernommen, die Kennenlern-Gespräche hat Rüttinger, der auch Lutz’ Wunschkandidat für die Nachfolge war, meistens beim Kaffee in der Bäckereifiliale im Laden geführt.

Ort des Geschehens

Heinrich Lutz will jetzt erst mal "Zeit" haben. "Ein bissl" mulmig wird ihm schon bei dem Gedanken, dass er "daheim zu sein vielleicht erst mal wieder lernen" muss. "Den Hochzeitsurlaub nachholen" will er außerdem, vielleicht eine Reise nach "Australien, Neuseeland oder Bali" machen. Wird man ihn im Rewe in der Muthstraße sehen? "Vielleicht", sagt er; "aber nicht so oft". Das sei ein bisschen so, "wie wenn man ein Haus verkauft – dann geht man irgendwann".

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