Verzweiflung als Triebfeder für die lange Flucht: Einzelschicksale von Flüchtlingen

Deutsche Missionsgesellschaft reagiert auf Migration mit erhöhtem Personaleinsatz - Hilfe wird als christlicher Auftrag gesehen

04.01.2016 UPDATE: 06.01.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 13 Sekunden

Ein DMG-Helfer beim Weitertransport von Flüchtlingen in Kroatien. Foto: privat

Sinsheim. (tv) Rund 200 000 Flüchtlinge und Migranten sind in den letzten Wochen nach Deutschland eingereist. Angesichts dieser immensen Zahl hat das christliche Missions- und Hilfswerk DMG mit Sitz im Buchenauerhof bei Weiler seine Anstrengungen in der Flüchtlingsarbeit verstärkt und inzwischen 30 Mitarbeiter im Einsatz, die Migranten helfen sollen. Unter Verweis auf die Bibel, die dazu aufrufe, Fremde willkommen zu heißen und großzügig zu beschenken, will man sich um die Geflüchteten kümmern - gleich ob es sich um Christen oder Muslime handelt. DMG-Sprecher berichtet über einige Einzelschicksale:

Der 27-jährige Ahmed* kommt aus einer muslimischen Familie in Syrien. Seine Flucht begann vor zwei Jahren, als die IS-Terrormiliz seine Mutter tötete. "Ich war verzweifelt und wollte übers Mittelmeer fliehen, egal ob ich dabei umkomme", erzählt er. Sein Weg war abenteuerlich: "Über die Türkei wollte ich nach Dänemark, doch in Deutschland hat mich die Polizei aufgehalten." Manchmal quält ihn Verzweiflung, wenn er an sein Zuhause in Syrien denkt. An den Krieg und das Leid dort …

Die Brüder Hassan* und Salah* sind orthodoxe Christen aus Syrien. Ihre Familie hatte ein Unternehmen in einem Dorf, bis der IS ihre Gegend eroberte. Die Terroristen sprachen laut vor dem Firmenschild das islamische Glaubensbekenntnis, legten die Hände darauf und proklamierten: "Das alles gehört nun uns und ist dem Islam geweiht, ihr habt hier nichts mehr zu sagen." Mit diesen Worten vertrieben sie die Christen aus ihrem Heimatort. Auf der Flucht wurden Hassan, Salah und dessen Frau an Straßensperren all ihre restlichen Habseligkeiten abgenommen. Völlig mittellos brauchten sie drei Monate, um zu Fuß bis ins Herz Europas zu gelangen, wo sie jetzt in einer Flüchtlingsunterkunft leben.

Der 25-jährige Ariam* kommt aus Eritrea und studierte Medientechnik im Sudan. Eines Tages waren Freunde aus seiner Kirche plötzlich spurlos verschwunden. In Eritrea und im Sudan werden Christen hart verfolgt. Ariam war sofort klar, dass er als nächstes dran sein könnte - also floh er. Beim ersten Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, sank das Schlauchboot. Verwandte überwiesen das Geld für die zweite Überfahrt, die schließlich gelang. Die Erfahrungen seiner Flucht belasten Ariam bis heute, er ist oft freudlos und still. Gerne würde er arbeiten, doch er hat noch keine Arbeitserlaubnis.

Der 35-jährige Mohamed* floh aus Afghanistan, weil die Taliban ihn mit dem Tod bedrohten. Der Grund? Er ist Maler von Beruf und hat die Wohnungen von Amerikanern renoviert - das reichte. Seine Familie schwebte in Lebensgefahr. Bei ihrer Flucht über die Berge des Iran in die Türkei ist Mohamed von seiner Frau und den fünf Kindern im Alter von drei bis zehn Jahren getrennt worden. Die Männer sind zu Fuß marschiert und haben es geschafft. Doch die Frauen mit den Kindern auf Mulis wurden entdeckt und in ihre Heimat zurückgeschickt. Monatelang wusste Mohamed nicht, ob seine Familie noch am Leben war. Es gibt kein Zurück für ihn, weil die Taliban ihm in Afghanistan nach dem Leben trachten. Aber auch keinen Weg nach vorne. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt.

Der 50-jährige Idriss* hat in Afghanistan durch eine Bombe ein Bein verloren. Er ist Christ und saß dort wegen seines Glaubens ein halbes Jahr angekettet im Gefängnis, zusammen mit seinem heute 13-jährigen Sohn. Seine Tochter ist taubstumm. Auf abenteuerlichen Wegen ist der Familie die Flucht über die Türkei nach Italien gelungen. Hier erhielt Idriss eine Beinprothese. Dann ging ihre Odyssee weiter nach Deutschland, wo sie ihren Asylantrag stellten. Der ist zunächst abgelehnt worden. Eine christliche Gemeinde gab ihnen acht Monate lang Kirchenasyl. Inzwischen hat die Familie Bleiberecht in Deutschland.

* Namen im Text geändert

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