Überraschende Zuteilung: Weitere 500 Flüchtlinge für Sinsheim

Sie werden in der Messehalle 6 einquartiert - "Deal" zwischen Land und Messe, aber ohne Stadt - OB Jörg Albrecht ist stinksauer

19.08.2015 UPDATE: 20.08.2015 06:00 Uhr 1 Minute, 35 Sekunden

Hier geht’s rein in die Halle 6, der neuen Unterkunft für zunächst 500 Flüchtlinge.

Von Wolfgang Kächele

Sinsheim. Die Flüchtlingswelle, die aktuell über Baden-Württemberg hereinschwappt, überschwemmt auch weiter Sinsheim. Wie gestern bekannt wurde, sind bereits ab dem morgigen Freitag zusätzlich zu den bereits in drei städtischen Gebäuden untergebrachten rund 600 Flüchtlingen weitere mindestens 500 Asylanten in der Messehalle 6 einzuquartieren. Bis zu 1000 Menschen können es dort noch werden. Zunächst vier Wochen soll laut einer Mitteilung des Regierungspräsidiums Karlsruhe die Halle 6 in Anspruch genommen werden.

Der "Deal" wurde offenbar ganz kurzfristig zwischen dem Land Baden-Württemberg und der Messe Sinsheim, aber ohne Beteiligung von Stadt oder Landkreis beschlossen. Sinsheim ist mit der Halle 6 ab sofort eine so genannte "bedarfsorientierte Landeserstaufnahmeeinrichtung" und kann somit auch künftig jederzeit wieder als Flüchtlingsunterkunft herangezogen werden. Dort ist auf rund 10 000 qm für bis zu 1000 Feldbetten Platz.

Das bringt vor allem OB Jörg Albrecht, der momentan in Urlaub weilt, ordentlich auf die Palme. "Das hat von Seiten des Landes nichts mit strukturierter Politik und von Seiten der Messe Sinsheim gar nichts mit vertrauensvoller Zusammenarbeit zu tun", wetterte das Stadtoberhaupt auf Anfrage der RNZ. Den OB ärgert besonders, dass man die Stadt vor vollendete Tatsachen gestellt und in die Entscheidung nicht mit eingebunden hat. "Am Samstagnachmittag war noch Integrationsministerin Bilkay Öney in Sinsheim zu Besuch und hat keinen Schnaufer über die neue Entwicklung gemacht", so Albrecht wütend.

Nach Informationen der RNZ wurde der Mietvertrag für die Halle 6 zwischen Land und Messe Sinsheim schon am Montag unterschrieben. Erst am Dienstag wurde die Stadt von der bevorstehenden Flüchtlingsschwemme informiert. Sinsheim ist bereits heute mit rund 600 Unterbringungen am Fohlenweidenweg, in der Alten Waibstadter Straße und im ehemaligen Gebäude der Bodenseewasserversorgung der größte Flüchtlingsstandort im Rhein.Neckar-Kreis. "Wir dachten unsere Quote sei erfüllt," so OB Albrecht. "Und jetzt das." Auch andere Kommunen müssten mehr in die Pflicht genommen werden.

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Die Bevölkerung müsse rechtzeitig mitgenommen und informiert werden, so Albrecht: "Das fehlt hier völlig und ist nicht akzeptabel." Mit diesem Vorgehen könne man bei einem so emotionalen Thema die Ängste der Bürger nicht abbauen und kein Vertrauen in die Politik schaffen, stellte Albrecht fest. Der OB sorgt sich, ob die vierwöchige Unterbringung gehalten werden kann: "Ich sehe die Job- und Ausbildungsbörse am 26. September in der Halle 6 in Gefahr."

Auch die Landtagsabgeordneten nahmen gestern Stellung zur neuen Flüchtlingswelle. "Es wird derzeit nach jedem Strohhalm zur Unterbringung gegriffen", forderte Thomas Funk (SPD) Verständnis bei den Kommunen. Elke Brunnemer (CDU) bat indessen Ministerin Bilkay Öney um Auskunft, ob zur Flüchtlingsunterbringung noch weitere Messehallen angemietet worden seien.