Tafelladen muss die Ware jetzt im Supermarkt einkaufen
Frische Ware kommt kaum und ist Mangel, andere Produkte wurden weggehamstert.

Sinsheim. (abc/tk) Donnerstag, 7.30 Uhr. Hans-Jürgen Poppe, einer der drei Vorstände der Sinsheimer Tafel, setzt sich hinter das Steuer des vereinseigenen Kühlwagens, um in mehreren Supermärkten der Region Lebensmittel abzuholen, die dort wegen kurzer Mindesthaltbarkeit aussortiert worden sind. Eigentlich wäre das nichts Besonderes, doch fahren er und ein ehrenamtlicher Helfer die gewohnte Tour mit etwas anderen Gefühlen ab als sonst. "Hoffentlich bekommen wir genügend Lebensmittel", denkt Poppe.
Am Freitag werden wieder Dutzende Schlange stehen vor dem Tafelladen in der Burggasse, um sich dort mit Lebensmitteln zu versorgen. "Vor Ostern hatten wir nur wenig Ware und mussten sie deshalb teilweise rationieren", erklärt Poppe. So wird auch im einen oder anderen Supermarkt vorgegangen – um Hamsterkäufen vorzubeugen. Allerdings gelinge das nicht immer, daher die leeren Regale.
"Die Politik macht die Leute verrückt", äußert sich der stellvertretende Leiter eines der angefahrenen Märkte und schüttelte voller Unverständnis den Kopf, da das Sortiment oft schon wenige Tage später wieder aufgefüllt wird.
Auch bei ihm sind gerade lange haltbare Lebensmittel wie Mehl oder Öl knapp – was viele Kunden automatisch auf die Kämpfe in der Ukraine zurückführen würden. Doch das osteuropäische Agrarland, in dem viel Weizen, Mais und Pflanzenöl produziert werden, lag nur auf Platz zwölf der wichtigsten Lieferländer von Getreide für Deutschland, selbst Finnland und Frankreich lieferten im vergangenen Jahr wesentlich mehr; der Löwenanteil an Sonnenblumenöl wurde indessen aus den Niederlanden geliefert, gefolgt von Ungarn; erst auf Platz drei kam die Ukraine.
Wie dem auch sei: "Was in den Supermärkten oft ausverkauft ist, kommt natürlich nicht zu uns in die Tafel", sagt Poppe, der vor dem Ruhestand unter anderem für die automatische Disposition bei einer Kette im Lebensmittel-Einzelhandel verantwortlich war. Ein Glücksfall seien dagegen Sach- und Geldspenden, die hilfsbereite Bürger oft spontan im Tafelladen vorbeibringen würden. Allerdings müssten sich dies alles inzwischen mehr Bedürftige teilen, als noch vor der Ukraine-Krise. "Statt bisher 40 bis 50 Kunden pro Tag sind es jetzt 60 bis 70", schätzt Poppe, was zumindest teilweise an den vielen Ukraine-Flüchtlingen in Sinsheim liege.
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Das spüren auch Poppes Helfer: "Diese Woche waren 145 Leute da – am Freitag allein 83. Wir Ehrenamtlichen schaffen das fast nicht mehr", beklagt sich Erika Volz, die sich um den Verkauf kümmert. Sie freut sich jedoch über die nach einem Aufruf eingegangenen Sach- und Geldspenden: Damit würden nun "Zucker, Tomaten in Dosen und andere lange haltbare Lebensmittel" gekauft.



