Sinsheim: Bei der "Hausgeburt" läuft irgendwas davon

Nächster Akt im nicht gerade vom Glück gesegneten Kunstpreis der Stadt - Nach wenigen Monaten zeichnen sich Fassadenschäden ab

20.08.2013 UPDATE: 20.08.2013 06:00 Uhr 2 Minuten, 40 Sekunden
Die 'Hausgeburt' von Timm Ulrichs ist ein Kunstwerk, das viele Sinsheimer lieb gewonnen haben. Allerdings bahnt sich erneut Streit an: Technische Mängel sind aufgetreten. Foto: Kegel
Von Tim Kegel

Sinsheim. Es hat schon irgendwie komisch angefangen, als die Stadt anno 2006 mit Glanz und Gloria ihren ersten (und vermutlich letzten) Kunstpreis vergeben hat. Der Preisträger kam Stunden zu spät, weil er in Sinzheim bei Baden-Baden ausgestiegen war und nicht in Sinsheim. Aus den dotierten 5000 wurden dann über 20.000 Euro, weil zum Preisgeld ja auch die Anschaffung eines Kunstwerks gehörte. Sechs Jahre vergingen dann, bis das Kunstwerk des Berliner Kunstprofessors Timm Ulrichs schließlich hing. Die Vernissage der "Hausgeburt" - von manchen wegen des Standorts am Polizeirevier auch "Ausbruch" genannt - fiel gerade noch in die Geinert-Ära. Nun jedoch der nächste Akt: Offensichtlich ist da irgendetwas nicht ganz dicht.

Wer unter dem etwa drei auf vier Meter großen, verkehrt herum hängenden Häuschen aus Stahlblech in der Wilhelmstraße vorbeikommt, dem fallen zwei Simse auf, die nicht immer da waren. Nachgefragt, stellt sich heraus, dass man bei der Stadt inzwischen erneut im Clinch mit dem Künstler liegt. Es ist nicht das erste Mal. In der umständlichen Entstehungsgeschichte der "Hausgeburt" war zuvor ein beauftragter Metallbaubetrieb pleitegegangen. Irgendwann sagte selbst der kunstsinnige Ex-OB, Timm Ulrichs möge doch "endlich in die Puschen kommen". Und es gab Phasen, da diskutierte der Kernstadtausschuss nichtöffentlich, ob man dem ganzen Spiel nicht ein Ende macht und den Kunstpreis widerruft. Lange hörte man kein Sterbenswörtchen und tat gut daran, Worte wie "Hausbruch", "Ausbruch" oder "Hausgeburt" nur sehr spärlich zu verwenden. Als dann im Winter 2012 alles hing - glätteten sich die Wogen, es fielen viele Bonmots, Timm Ulrichs signierte im Kinobistro Karten und witzelte über die Innenstadt-Architektur. Und manch Skeptiker fand das entstandene, fast biedere Häuschen des Mannes, der die Worte "The End" auf die Augenlider tätowiert hat, sogar hübsch, wenn sich auch die Senioren-CDU schriftlich zu Wort meldete, der Geniestreich des "Herrn Professor" wäre doch auf einem Kinderspielplatz viel besser angelegtes Geld.

Dennoch: Im Beliebtheits-Ranking der innerstädtischen Kunstobjekte lag die "Hausgeburt" für einige Zeit deutlich vor den im Volksmund "rostige Vogelkäfige" genannten Stelen und dem als "bunten Klotz" apostrophierten "Wächter". Wäre ja auch alles prima, schildert Rathaus-Dezernent Tobias Schutz auf Nachfrage der RNZ, hätte man an der "Hausgeburt" nicht bauliche Mängel festgestellt. Zwar hat ein Baustatiker die Installation zwischenzeitlich abgenommen; ein Feuchtigkeitsproblem sei dennoch aufgetreten und inzwischen zeigten sich deutliche Spuren an der Fassade und auch am darunterliegenden Straßenpflaster, erkennbar an einer Art "Algenbewuchs", schildert Schutz. (Ihm selbst gefällt das Kunstwerk, wie er sagt.)

Was der Stadt nicht gefalle, sei, dass sich der Künstler "dem Problem völlig versperrt". Mit Nachbesserungswünschen sei man an ihn herangetreten. Und während im Winter der Schnee auf dem aufwärmenden Blech taut, als Wasser herabrinnt und eine Eisplatte auf dem Trottoir bilde, sickere den Rest vom Jahr über Feuchtigkeit ins Mauerwerk. Einer dadurch fällig werdenden Totalsanierung der Fassade gibt Dezernent Schutz "höchstens noch drei bis vier Jahre". Die Stadt hat die Haftung für die "Hausgeburt" gegenüber der Vermögensverwaltung der landeseigenen Immobilien übernommen, der wiederum das Polizeirevier gehört. Nun bestehe die Gefahr, dass ein Fass ohne Boden aufgemacht wird, wenn das Kunstwerk unverändert über der Wilhelmstraße hängen bleibt - durch in Abständen immer wieder fällig werdende Sanierungen. "Es ist nicht zu Ende gedacht" schildert Schutz die Haltung der Stadt. Doch sich "Gedanken über die Entwässerung zu machen" sehe Künstler Timm Ulrichs "nicht als seine Aufgabe an". Dezernent Schutz hingegen sagt: "So können wir nicht denken."

Es gebe eine Lösung, wie die "Hausgeburt" endgültig von allen Nachwehen befreit werden kann: Bei einer ohnehin anstehenden Innensanierung des Polizeipostens, schildert Schutz, könnten Entwässerungsleitungen ins Gebäudeinnere verlegt werden. Man habe Timm Ulrichs um einen Vor-Ort-Termin gebeten, um Konstruktionsdetails zu besprechen, dränge aber darauf, dass der Künstler hierbei die Kosten trägt, die Tobias Schutz auf etwa 2000 Euro schätzt. "Etwa in Höhe der Raten, die Herr Ulrichs aktuell von der Stadt erhält", lässt man im Rathaus die Überlegung durchblicken, eine solche Rate dann notfalls auch mal einzubehalten.

Der Ausgang der Sache - welche dadurch geritzt wäre - ist jedoch zum Zeitpunkt noch völlig offen. Timm Ulrichs halte die Angelegenheit für provinziell, wie man hört. Die Forderung der Stadt lasse er nun juristisch prüfen.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
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