Sind Katzen Vogelräuber, die sich unkontrolliert vermehren?
Über Probleme, die Katzen und ihre Halter verursachen, wird selten gesprochen. Einne Kastrationspflicht wird gefordert.

Von Christian Beck
Sinsheim. Sie gelten vielfach als niedliche Schmusekatzen, doch sie und ihre Halter verursachen eine Reihe von Problemen und Begleiterscheinungen, über die kaum gesprochen wird.
Zumindest gilt das für jene Katzen, die raus dürfen: Zahlreiche Vögel landen in ihrem Maul. Und die Katzen selbst werden an einigen Orten immer mehr, und zwar unkontrolliert. Die RNZ hörte sich bei Fachleuten um.
> Potenzielle Vogelmörder – so bezeichnet Anja Hoffmann Katzen, obwohl sie selbst welche hält. Beim Nabu ist sie zuständig für den Bereich Vogelschutz und sagt: "Das ist tatsächlich so." Gefährdet seien zum einen junge Vögel, die am Boden oder in niedrigem Geäst von ihren Vogel-Eltern noch gefüttert werden, zum anderen Feldvögel wie die Lerche.
Hoffmann verweist auf die Zahl von 200 Millionen Vögeln, die jedes Jahr in Deutschland Katzen zum Opfer fallen sollen. Ob diese zutrifft, ist schwer zu beurteilen – schließlich wird, anders als bei Hunden, in Deutschland von den Städten und Gemeinden nicht erfasst, wie viele Katzen gehalten werden.
Auch interessant
> Streuner gibt es mehr, als angenommen wird – hier sind sich Gabriele Strobel-Maus, Leiterin des Sinsheimer Tierheims, Sonja Gebhard, Tierärztin in Dühren, und Nicole Ritter, Vorsitzende des Vereins "Pfotensuche", einig. "Die Katzen verstecken sich, man sieht sie nicht", erklärt Gebhard. Dieses Phänomen erlebe sie vor allem in den Dörfern. Teilweise sei es bezüglich Katzen im Kraichgau heftiger als bei Straßenhunden in Rumänien oder der Türkei.
> Kastriert seien viele der Tiere aber nicht, was dafür sorge, dass sie sich unkontrolliert vermehren. "Ein Katzenpärchen kann in sieben Jahren für 370.092 Nachkommen sorgen", berichtet Ritter. Das eigentliche Problem seien die Halter, erklärt sie. Einige würden nicht einsehen, dass eine Kastration wichtig ist, andere scheuten die Kosten, ergänzt Strobel-Maus.
Eine Kastration kostet bei einem Kater ab 100 Euro, bei einer Kätzin ab 200 Euro, berichtet Gebhard. Und schließlich gebe es Halter, die die Meinung vertreten: Ein Kater dürfe unkastriert raus, der könne ja nicht schwanger nach Hause kommen, erzählt Ritter. Doch er sorge häufig bei unkastrierten und herumstreunenden Kätzinnen für Nachwuchs.
Und es gebe Halter, die Katzenbabys süß finden und deshalb immer wieder für Nachwuchs sorgen, berichtet Strobel-Maus: "Neulich hat mir ein Mann ganz empört erzählt, dass bei Ebay keine Katzenbabys mehr verkauft werden dürfen und gefragt, wo er sie jetzt losbekommen soll."
> Von Katzenelend erzählen viele, die sich um die Tiere kümmern: Mal sind sie krank, teilweise so schwer, dass sie eingeschläfert werden müssen, berichtet Gebhard. Oder sie sind tot, denn viele Katzen werden überfahren. Von 344 Totfunden im Kraichgau innerhalb von etwa drei Jahren berichtet Ritter.
Der Verein "Pfotensuche", den sie leitet, kümmert sich darum, dass die toten Katzen, wenn möglich, zu ihren Haltern zurückkehren. Dafür veröffentlichen sie Hinweise in Sozialen Medien und verständigen das Tierheim, trotzdem klappt das nur bei weniger als einem Drittel der Tiere. Das liege vor allem daran, dass die Mehrheit der Katzen nicht gekennzeichnet ist.
> Eine Katzenschutzverordnung fordern Ritter, Gebhard und Strobel-Maus vehement. Sie bewirkt im Wesentlichen, dass nur noch kastrierte Katzen raus dürfen. So würde sich zum einen die unkontrollierte Katzenvermehrung vermeiden lassen. Zum anderen würden Katzen so auch weniger Vögel töten: "Eine Katze, die zu Hause gefüttert wird und satt auf der Terrasse liegt, jagt weniger als eine Katze, die nichts zu essen bekommt und Junge hat", erläutert Gebhard. "Wir brauchen die Verordnung unbedingt. Es wird von Jahr zu Jahr immer schlimmer, ohne wird’s nicht funktionieren", betont Ritter.
> Erlassen kann die Verordnung die zuständige Stadt. Dazu brauche es aber Zahlen, sagt Ritter. Die zu sammeln, sei für einen Verein, der ehrenamtlich tätig ist, nicht einfach. Auch die Zahlen von Streunern seien schwierig zu ermitteln, teilt Strobel-Maus mit.
> Was kann noch getan werden? Neben der Kastration der Katzen könnten auch die Vögel im eigenen Garten geschützt und gefördert werden, findet Hoffmann. Futterstellen sollten so aufgehängt werden, dass Katzen nicht dran kommen. An Baumstämmen könnte Draht angebracht werden, dass die Samtpfoten nicht hochklettern. Brutplätze könnten geschaffen werden. Und der Garten sollte insektenfreundlicher gestaltet werden, um den Vögeln genug Nahrung zu bieten – beispielsweise, indem im Winter nicht alle Stauden zurückgeschnitten werden.