Wirtschaftsdelegation begeistert vom Spirit auf US-Reise
Eine neue Kooperation in den USA soll Baden-Württembergs Wirtschaft helfen. Besonders die von Präsident Trump verfolgte "Re-Industrialisierung" könnte eine Chance sein.

In der Unternehmenszentrale von Mercedes-Benz in Sandy Springs bei Atlanta besichtigt Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut den neuen in Rastatt produzierten CLA, einem Hoffnungsträger des Unternehmens. Rechts der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert, links der CDU-Abgeordnete Winfried Mack, hinter der Ministerin steht Matthias Lücke, Strategy North America Senior Manager von Mercedes-Benz. Foto: Westermann
Von Theo Westermann
Orlando. Man muss die Teilnehmer der einwöchigen Delegationsreise der baden-württembergischen Wirtschaft in den Südosten der USA am Ende der Reise nicht zweimal fragen, was sie denn am meisten beeindruckt hat. Was ist das Resultat aus den vielen Gesprächen, die die 60-köpfige Delegation in Washington, Atlanta und zuletzt Orlando mit vielen US-Wirtschaftsvertretern geführt hat? "Die Amerikaner machen einfach", sagt beispielsweise der Unternehmer Peter Hodapp aus Achern (Ortenaukreis). Sein Unternehmen mit rund 250 Mitarbeitern stellt Spezialtüren aus Stahl und Edelstahl her. "Mit meinen Produkten würde ich gerne in die USA kommen." Für den Anfang ginge es um spezielle Tunneltüren, zwei Tunnelplaner aus den USA seien bereits auf ihn zugekommen. Zunächst stellt sich Hodapp eine Fertigung in Lizenz vor, er sucht einen "vertrauenswürdigen Partner". Von den Netzwerken der Deutsch-Amerikanischen Auslandshandelskammer ist er angetan.
Die Unternehmerin Sonja Bayer ist ebenfalls begeistert vom "Spirit" in den USA: "Hier wird einfach gemacht, bei uns wird viel zu lange diskutiert." Sie betreibt eine große Spedition in Ehingen (Alb-Donaukreis), die auch die führende Mineralölspedition in Baden-Württemberg ist. Die Delegation kehrte am Samstagnachmittag wieder nach Deutschland zurück, sie umfasste wesentlich Unternehmer und Manager sowie Verbandsvertreter aus dem Bereich Zulieferer, Automobil sowie Luft- und Raumfahrt – entsprechend waren die Programmstränge aufgeteilt. Mit dabei waren die beiden Landtagsabgeordneten und Wirtschaftsexperten Winfried Mack (CDU) und Erich Schweickert (FDP). Ziel war, Kontakte anzubahnen, Geschäftsideen vorzustellen, Einblicke zu bekommen – und zwar in beide Richtungen.
Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU), die die Delegation anführte, ist hochzufrieden. Dies gerade auch angesichts des schwierigen Fahrwassers, in die die Wirtschaftsbeziehungen mit den USA unter Präsident Donald Trump geraten sind. "Das Interesse der Amerikaner an uns ist weiterhin riesengroß", sagt sie in Orlando gegenüber unserer Redaktion. Es hätten sich vielversprechende Dinge für die Zukunft entwickelt. Und es gebe zumindest Hinweise, dass die US-Regierung in eine "softere Phase" trete, dies auch mit Blick auf die Folgen einer allzu rigiden Politik für das eigene Land.

Dabei verweist sie auf ein Wort, das der Delegation in vielen Gesprächen begegnete, nämlich die "Re-Industrialisierung" der USA, die Donald Trump betreiben will. "Das eröffnet viele Chancen für unsere Unternehmen, nicht nur in der Produktion, sondern auch bei Qualifizierung und Ausbildung." Und Hoffmeister-Kraut bekennt klar mit Blick auf irgendwelches Mitwirken bei "Anti-Trump-Koalitionen": "Wir sollten uns nicht in die Innenpolitik der USA einmischen, das wäre unklug."
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Sie spricht es nicht aus, gemeint ist aber der jüngste öffentliche Schulterschluss in Brasilien von Landesumweltministerin Thekla Walker (Grüne) mit Gavin Newsom, Kaliforniens demokratischem Gouverneur, scharfem Trump-Gegner und potenziellem Präsidentschaftskandidaten.
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Da ist es nur ein kleiner Schönheitsfehler, dass Floridas republikanischer Gouverneur Ron DeSantis kurzfristig absagen muss, stattdessen kommt sein Wirtschaftsminister J. Alex Kelly. Vor großem Publikum im Innenhof der Universität von Florida in Orlando sagt Kelly: "Floridas Einsatz unter Gouverneur DeSantis führt weiterhin zu greifbaren und messbaren Erfolgen für unseren Staat." Mit der Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung würde man die seit einem Jahr laufende Zusammenarbeit offiziell machen, Ziel sei es, Politik, Unternehmen und Forschung zusammenzubringen, um bei Luft- und Raumfahrt, industrieller Fertigung oder Life-Science Fortschritte zu erzielen.

Ortswechsel: Manche Erkenntnisse auf der USA-Reise gibt es nicht in gut klimatisierten Büroräumen, sondern im eisigen Wind auf kalten Plätzen. Beispielsweise beim Unternehmen Forterra. Es nutzt eine leerstehende Mall samt riesigem Parkplatz im Umland von Washington, um seine Produkte zu testen. Dort kreuzen Zugmaschinen samt riesigen Aufliegern quer durchs Areal und steuern die Ladezonen an. Das passiert alles autonom, ohne Fahrer, geleitet nur durch Sensoren, Radar und GPS. Forterra rüstet Fahrzeuge aller Bauarten für unbemanntes Fahren in umgrenzten Arealen aus – auch für Zwecke des Militärs. Attraktiv ist dies gerade auch für Logistiker, die unter Personalmangel leiden. Spediteurin Bayer ist begeistert. "Das kann ich mir super vorstellen, etwa auf den letzten 500 Metern zur Raffinerie in Karlsruhe." Dies wäre ein echter "Gewinn".

Viele Unternehmen in den drei besuchten Bundesstaaten haben die Türen für ihre Besucher weit aufgemacht. Beeindruckt zeigten sich jene, die beim Rüstungs- und Technologiekonzern Lockheed Martin unweit von Atlanta die Montage von Kampfjets verfolgen konnten. Nicht nur hier zeigt sich, dass viele Themen der Reise stark mit Rüstung zu tun haben. Deutschland und Europa investieren hier wieder viel mehr Geld. Ein Besuch bei einem der größten Rüstungskonzerne der USA, L3Harris unweit von Orlando, macht dies ebenfalls deutlich. Das Unternehmen deckt ein riesiges Spektrum ab, von Raketenabwehr bis hin zu Kommunikationssystemen. Auch ihre Manager setzen klar auf Wachstum in Europa, wie sie betonen.
Beim Besuch des Florida Space Center, vorbei am Kennedy Space Center der Nasa, aber auch an Firmen wie Blue Origin von Jeff Bezos, Airbus, Northrop Grumman, SpaceX und vielen anderen wird der Boom deutlich. Überall wird gebaut, die Wirtschaftsförderer der staatlichen Agentur Space Florida verweisen stolz auf das Wachstum. Schon hundertmal haben in diesem Jahr Unternehmen von hier aus Raketen ins All geschossen und Fracht befördert. Der Zufall will es, dass ausgerechnet an diesem Abend viele Delegationsteilnehmer beeindruckt den nächtlichen Start einer Space-X-Rakete von Cape Canaveral aus beobachten können. Die Rakete befördert 90 kleine Starlink-Satelliten ins All.




