Strippen ziehen in den USA bei Baden-Württembergs größtem Handelspartner
Selbstbewusstes Auftreten in unruhigen Zeiten: Eine baden-württembergische Wirtschaftsdelegation will die Bande mit den USA wieder enger knüpfen.

Von Theo Westermann
Washington/Atlanta. Die Aula hat zwar die Anmutung einer in die Jahre gekommenen Realschulaula, doch der Augenschein täuscht. In der nüchtern-kühlen deutschen Botschaft in Washington, einst in den 60-er Jahren entworfen vom Architekten Egon Eiermann, werden normalerweise die Strippen im Interesse Deutschlands in den USA gezogen. An diesem Abend brummt die Aula im Sinne Baden-Württembergs. Bei Bier, Wein, Saft, Gemüse, Hühnchen und Rindfleisch haben sich Washingtons Lobbyisten, Anwälte, Finanzberater, Unternehmer, Mitarbeiter von Behörden unter die baden-württembergische Delegation zum "Networking" gemischt. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) freut sich und greift rhetorisch in ihrer Begrüßungsrede zu den Sternen: "Baden-Württemberg ist ein strategischer Partner für die USA."
Die Erwartungen der 60-köpfigen Wirtschaftsdelegation, die von Hoffmeister-Kraut angeführt wird, sind hoch, – aber auch die Sorgen über politische Unwägbarkeiten trotz des vorerst im Juli 2025 beigelegten Zollstreits zwischen USA und der EU. Noch bis Samstag dauert die einwöchige Delegationsreise in die USA. Sie führt über Washington nach Atlanta und zum Schluss nach Orlando. Und bei jeder Station und nach vielen Gesprächen mit us-amerikanischen Politikern, Firmenvertretern, Wissenschaftlern und Lobbyisten wird klar, dass die wirtschaftlichen Beziehungen Baden-Württembergs zu den USA stabil sind und es ganz viel Platz für Zwischentöne gibt. Denn es gibt weiterhin stabile Beziehungen beispielsweise zu den Bundesstaaten wie Kalifornien, Texas, Georgia oder Florida, auch zum politischen "Mittelbau", zu vielen Unternehmen. All dies wird befördert durch ein Netzwerk deutscher Lobbyisten in den USA, bei dem Baden-Württemberg ebenfalls personell durch verschiedene Akteure mitmischt.
Als oberste Brückenbauerin versteht sich dabei Wirtschaftsministerin Hoffmeister-Kraut, die jeden abendlichen Empfang, jedes Treffen, jede Ansprache nutzt, immer wieder die Wichtigkeit der wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA als dem wichtigsten Handelspartner für Baden-Württemberg zu betonen. Der Wert der Ausfuhren in die USA betrug 2024 rund 35 Milliarden, was aber einen leichten Rückgang bedeutet. Aber die Investitionen aus Baden-Württemberg ziehen wieder an, heißt es in Bankenkreisen.
Das Licht des Südwestens will die Ministerin nicht unter den Scheffel stellen: "Wir reisen voller Stolz in die USA." Baden-Württemberg sei ein hochinnovatives High-Tech-Land. 420 Firmen aus Baden-Württemberg, darunter Weltkonzerne wie Daimler und Bosch, aber auch viele Mittelständler, sind aktuell in den USA aktiv, Hochschulen und Forschungseinrichtungen haben intensive Kontakte. Diese Kontakte sollen verstärkt werden – allerdings in beide Richtungen.
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All dies spiegelt sich auch in der personellen Zusammensetzung der Delegation wider, die schwerpunktmäßig Repräsentanten und Verbandsvertreter aus dem Bereich Zulieferer, Automobil sowie Luft- und Raumfahrt umfasst. Die Spannbreite reicht von mittelständischen Unternehmern wie beispielsweise Peter Hodapp aus Achern oder Sonja Bayer aus Ehingen, über Verbandsvertreter wie die IHK-Präsidentinnen Claudia Gläser aus Pforzheim, Birgit Hakenjos aus Villingen-Schwenningen, Freiburgs IHK-Hauptgeschäftsführer Dieter Salomon bis hin zu Start-Ups und Wissenschaftlern wie dem KIT-Präsidenten Jan Hesthaven. Besucht werden US-Firmen dieser Branchen, darunter der US-Rüstungs- und Raumfahrtkonzern Northrop Grumman, IBM, der Rüstungskonzern Lockheed Martin, aber auch die Konzernzentrale von Daimler-Benz in Atlanta und Universtäten wie die Johns-Hopkins-Universität in Washington.
"Wichtig ist, dass wir alle Gesprächskanäle offenhalten – auch in die Bundesstaaten", so die Devise der Wirtschaftsministerin. Klar ist, das gilt für Bundesstaaten, die von demokratischen wie von republikanischen Gouverneuren geführt werden. Hoffmeister-Kraut nutzt beispielsweise die Reise, um mit dem Gouverneur von Florida, dem Republikaner Ron DeSantis, eine Vereinbarung über eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit abzuschließen.
Die Reiseziele in den USA sind bewusst gewählt: Washington D.C. inklusive Maryland und Virginia sind wichtige Standorte für die Luft- und Raumfahrt- sowie Automobilindustrie – insbesondere im Bereich verteidigungsnaher Technologien. Atlanta wie der gesamte Staat Georgia ist ein Hotspot für Automobil- und Zuliefererindustrie wie für Luftfahrt. Porsche und Mercedes-Benz haben dort ihre Hauptquartiere und Produktionsstätten. Orlando, Florida ist ebenfalls ein zentraler Standort der US-Luft- und Raumfahrtindustrie.
"Egal wer im Weißen Haus sitzt, die USA bleiben der wichtigste Investitionsstandort für deutsche Unternehmen", sagt Christoph Schemionek, Präsident der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Washington. Und es gebe Grund zum Optimismus, sagt er zu den Besuchern. Deutschlands Firmen seien in den USA der zweitwichtigste Arbeitgeber in der Fertigungsindustrie, sie spielten eine wichtige Rolle in Trumps Re-Industrialisierungspolitik. Ebenso sei das Interesse von US-Firmen, in Deutschland zu investieren, weiterhin groß.
Aber die USA unter Trump erwarten ganz klar Investitionen im Land. Das Rennen der Automobilindustrie ist längst eröffnet, Daimler und VW wollen ihre Fabriken in den USA deutlich stärken, neue Modelle auflegen. Audi denkt über eine Fertigung in den USA nach, erst jüngst hat Stellantis (Fiat, Opel, Chrysler, Citroen und Peugeot) angekündigt, 13 Milliarden Euro in den USA zu investieren und Werke wiederzubeleben. An einem Abend in Atlanta kommt auch der neue Mercedes-Benz-Chef von Nordamerika, Jason Hoff, zu einem schnellen Besuch der Delegation vorbei. Er macht klare Aussagen. Man sei dabei die Dinge in den USA zu konsolidieren, starte gerade eine erhebliche Produktoffensive. "Das gibt mit Hoffnung." Die Delegation, entsprechende Debatten in Deutschland in den Köpfen, hört aufmerksam zu, als Jason Hoff bekennt: "Wir bieten Produkte, die der Kunde will - mit Elektro oder mit Benzin."





