Rita rettete Peter Gudiwok vor dem Erstickungstod
Beim Steak-Essen auf dem Burgplatz hatte sich der 53-Jährige verschluckt. Zehn Sekunden war er ohne Sauerstoff. Glücklicherweise war Rettung in der Nähe.

Von Berthold Jürriens
Sinsheim. Es gibt sie noch, die guten Nachrichten, denen man eigentlich mehr Aufmerksamkeit schenken sollte, in einer Zeit, die aus den Fugen geraten wirkt. Eine Zeit, in der Naturkatastrophen, Pandemie-Angst, Kriege, Krisen, Zukunftsängste und politisches Versagen die Schlagzeilen beherrschen.
Es gehe ihm auch darum, um "der Öffentlichkeit mitzuteilen, dass es unter uns Menschen gibt, die selbstlos agieren und sofort Hilfe leisten, wenn es notwendig ist. Menschen mit einem großen Herz." So sagt es Peter Gudiwok. Am Telefon verrät der 53-jährige Installateur, der mit seiner Familie im Sinsheimer Stadtteil Rohrbach wohnt, zunächst nicht viel über den Tag, der sein Leben und das seiner Familie auf den Kopf stellte: "Uns wäre es wichtig, dass wir uns bei diesem ganz besonderen Menschen auf diese besondere Art und Weise bedanken können und gleichzeitig zeigen, dass nicht alles schlecht ist auf dieser Welt."
Auch beim persönlichen Treffen dauert es eine Weile, bis seine Frau Oksana Gudiwok über die Ereignisse am 14. August berichten kann und die dabei ihren Mann immer wieder mit feucht glänzenden Augen anschaut: "Ich war so hilflos, fast wie gelähmt", erinnert sie sich an diesen Samstag, der ab sofort als zweiter Geburtstag ihres Manns Peter im Kalender stehen wird.
Und in der Tat hatte Peter Gudiwok an diesem Tag einen Schutzengel an seiner Seite, der ihn vor dem Erstickungstod bewahrte. "Ohne das selbstlose Eingreifen von Rita säße ich heute nicht hier", ist sich Gudiwok sicher. Das Ehepaar wünscht sich zwar, dass nicht der komplette Name der Lebensretterin Rita W. im Artikel auftaucht, aber sie sind sich sicher "auch andere wissen, wer gemeint ist." Schließlich passierte das genauso banale wie schreckliche Ereignis aus heiterem Himmel inmitten vieler Menschen.
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Ort des Geschehens war der Burgplatz, auf dem an diesem sonnigen Samstag der Wochenmarkt-Aktionstag der Stadt Sinsheim stattfand. Musik, herzhaft Gegrilltes und ein kühles Blondes, das alles wollte sich das Ehepaar Gudiwok zum Mittag mit einigen Freunden gönnen. Einem ersten Bissen vom saftigen Steak der Fleischerinnung folgte der zweite, und Peter Gudiwok merkte sofort, dass das letzte Stück die falsche Richtung genommen hatte: "Ich musste husten und bin extra aufgestanden, um einige Meter Abstand zu nehmen, weil sich so etwas am Tisch nicht gehört", erinnert sich der gebürtige Ukrainer.
Doch er merkte bald, dass das mehr als ein Verschlucken war. Abhusten gelang nicht. Er bekam kaum noch Luft. "Mein Kopf schien zu explodieren." Gezielt sei er auf die am schnellsten erreichbarste Person, den Grillmeister, zugegangen, habe ihm am Arm gepackt und schon panisch auf den Hals gezeigt und geröchelt. Der Helfer habe dann den bekannten "Heimlich-Griff" ausgeübt, erinnert sich Oksana Gudiwok.
Doch das Umfassen des Betroffenen von hinten am Brustkorb und der ruckartig ausgeführte Stoß, der den Fremdkörper aus den Atemwegen treiben soll – sie klappten einfach nicht. Peter Gudiwok verlor wohl das Gleichgewicht, stürzte auf den Boden. "Dann weiß ich nichts mehr."
Seine Ehefrau erzählt von dem Moment, als er vom Tisch aufstand: "Er ist auf einmal total blau angelaufen." Und dann sei alles so schnell gegangen und viele Leute standen plötzlich um ihren am Boden liegenden Mann. "Gerade noch war er das blühende Leben und hat gelacht. Nun rang er mit dem Tod. In dem Moment dachte ich, dass ich alleine nach Hause gehen müsste." Doch ihre Freundin Rita W. wusste anscheinend sofort, was zu tun war. Ohne zu überlegen versuchte sie, den bereits in Seitenlage befindlichen und bewusstlosen Peter mit ihren Fingern zum Würgen zu bringen. "Gerade in Corona-Zeiten auch nicht selbstverständlich", sagt Oksana Gudiwok. Erst nach mehreren festen Faustschlägen auf den Rücken gelang es Rita W. endlich, die Luftröhre freizubekommen. "Plötzlich konnte ich wieder atmen und sah Licht", erinnert sich Peter Gudiwok an diesen Glücksmoment.
Anschließend musste er dennoch mit dem eingetroffenen Notarzt zur Beobachtung in die GRN-Klinik, wo er nach einigen Stunden entlassen wurde. "Ich war wohl rund zehn Sekunden ohne Sauerstoff", sagt Gudiwok. "Ich hatte einige Tage später noch eine MRT-Untersuchung, aber da gab es keine Befunde. Ab und zu habe ich Kopfschmerzen. Das soll sich jetzt noch ein Neurologe anschauen."
Die beiden Söhne Christian und Patrick waren zu diesem Zeitpunkt bei Verwandten in der Ukraine. "Wir haben abends am Telefon davon erfahren und waren geschockt und gleichzeitig froh, dass jemand so geistesgegenwärtig und schnell reagiert hat." Christian war mit seiner Frau bereits bei Rita W., um sich persönlich für die Rettung des Vaters zu bedanken.
Und auch bis zu Oberbürgermeister Jörg Albrecht war die Geschichte vorgedrungen, auch weil der Vorfall während seiner Rede an diesem Wochenmarkt-Aktionstag geschah. Gudiwok bekam einen Brief von Albrecht. In diesem teilt er ihm mit, dass ihm der Vorfall leidgetan hätte und dass er froh sei, dass es ihm gut gehen würde. Zum nächsten Aktionstag am 25. September würde der OB sich auf ein Treffen mit ihm freuen und legte gleich einige Verzehrgutscheine bei.
"Wir sind alle überglücklich, dass diese schreckliche Sache dank Rita so gut ausgegangen ist. Wir können ihr nur Danke sagen für dieses neue Leben", sagt das Familienquartett. "Solche Momente führen einen vor Augen, wie schnell das Leben vorbei sein kann", sagt Peter Gudiwok. "Und auch, dass es so wunderbare Menschen gibt, wie Rita."