Glasfaser ist schnell, der Ausbau nicht immer
Firma BBV macht sich mit Gratis-Angebot bei Kommunen interessant - Wie lief und läuft die Kabelverlegung in anderen Gemeinden?

Symbolfoto: Uli Deck
Von Günther Keller
Waibstadt. Andreas Kraus gehört zu jenen, die von der örtlichen Zeitung als "Internet-Jünger" tituliert werden. Als er erfuhr, dass in seiner Heimatstadt Bretten Glasfaserkabel verlegt werden sollen, war er sofort Feuer und Flamme. Der 32-jährige Industriekaufmann wurde zum Blogger, trommelte fürs schnelle Internet, warb für Vorverträge mit der kabelverlegenden Firma BBV, verteilte sogar Flugblätter. "Man muss doch was tun", sagte er sich. Und er tat. Ein Jahr später wartet er in seinem Wohnort Ruit zwar immer noch auf den Glasfaseranschluss - "aber daran ist nicht die BBV schuld", sagt er. Immerhin gab es neun Monate nach der so genannten Vorvermarktungsphase Ende April inzwischen einen ersten Spatenstich. Der hatte symbolischen Charakter. Richtig gebaut wird nämlich in Bretten immer noch nicht.
> Was verspricht BBV? "Technisch topp" ist für Internet-Kenner Andreas Kraus, was die Breitbandversorgung Deutschland GmbH (BBV) aus dem hessischen Dreieich zu bieten hat. Das erst vor drei Jahren gegründete Unternehmen will nun in Waibstadt, Neckarbischofsheim, Helmstadt-Bargen, Epfenbach, Eschelbronn, Zuzenhausen und Neidenstein sowie in Teilen von Sinsheim das Gleiche offerieren wie in Bretten: eine rasante Datenübertragung ohne Anschlusskosten für die Gemeinden und die Hauseigentümer. Es gibt zwei Bedingungen: Für mindestens ein gutes Drittel der Häuser müssen Vorverträge abgeschlossen sein, und die Abnehmer müssen sich verpflichten, mindestens zwei Jahre lang zu einer Monatsgebühr von aktuell 55 Euro bei der Stange zu bleiben.
> Geduld ist gefordert. In Bretten hat das BBV-Geschäftsmodell nicht ganz so gezündet wie erhofft: Weil in der Kernstadt, in der die Hälfte aller Einwohner lebt, die Anschlussquote nicht erreicht wurde, bleibt das Zentrum außen vor. BBV wird die Kabel zunächst nur in fünf von neun Stadtteilen verlegen. Ein flächendeckendes Breitbandnetz ist für Cornelia Hausner, die im kommunalen Tiefbauamt das Projekt begleitet, aber dennoch nicht gestorben. "Wir sammeln täglich Verträge dazu", berichtet sie - obwohl die Anschlussgebühr inzwischen auf 600 Euro erhöht wurde. Und sie weiß auch: "Es wird so schnell kein anderer Breitbandanbieter kommen". Denn in der Praxis gebe es im ländlichen Raum keinen Wettbewerb. Deshalb hat Bretten einen Plan B im Schreibtisch: Gelingt der Vollausbau nicht, muss wohl die Stadt die verbleibenden Löcher im Kabelnetz stopfen. "Ich hoffe inständig, dass alles gut geht", sagt die Projektleiterin.
> Das Beispiel Römerberg. Die Gemeinde südlich von Speyer ist inzwischen bis in den letzten Winkel mit Glasfaserkabel durchzogen. Die BBV hat das Projekt umgesetzt. "Es lief eigentlich reibungslos", bescheinigt Römerbergs Bürgermeister Manfred Scharfenberger. Das Wort "eigentlich" bezieht sich vor allem auf die Vorgeschichte. Zwei Firmen versuchten vergeblich, die flächendeckende Verkabelung umzusetzen. Sie gingen pleite und ließen offene Gräben und ebensolche Rechnungen zurück. Mitten im Ausbau meldete die Telefunken Communications AG Insolvenz an. Ihr Chef Manfred Maschek gründete prompt eine neue Firma: die Breitbandversorgung Deutschland (BBV). Das damalige Hickhack ficht den Bürgermeister allerdings heute nicht mehr an: Als "sehr gut" bezeichnet er die Netzverbindung, lobt die Komplettversorgung in seiner Kommune. Jedoch: "Wir sind mit anderen Gemeinden nicht vergleichbar", warnt Rathauschef Scharfenberger. Römerberg war nämlich ein Pilotprojekt der rheinland-pfälzischen Landesregierung, die in der Verbandsgemeinde zeigen wollte, dass die Internet-Aufrüstung auch auf dem flachen Land funktionieren kann. Ein Scheitern war dabei nicht vorgesehen.
> Der Fall Ascheberg/Rietberg: Im Rathaus des westfälischen Ascheberg ist man auf BBV inzwischen nicht mehr sonderlich gut zu sprechen. Bis Ostern 2016 sollte dort alles fertig sein, doch nach einem offiziellen Spatenstich war Funkstille. "Ascheberg schaut in leere Röhrchen", lästerten die Westfälischen Nachrichten. Die Hintergründe sind unklar. Spekuliert wird vor Ort über fehlendes Geld ebenso wie über fehlende Tiefbauunternehmen. Inzwischen hat BBV trotz einer zufriedenstellenden Vorvermarktung den Rückzug angetreten; Telekommunikationsriese Unitymedia übernahm und soll das Werk fertigstellen. Ähnliches geschah im 70 Kilometer entfernten Rietberg. Nachdem die Baustelle nicht voran kam, erklärte die BBV alle so genannten Grundstückseigentümererklärungen und Verträge für "gegenstandslos". Die Stadtwerke Soest sind jetzt mit der weitere Verkabelung beauftragt.
> Wer ist BBV? Das Unternehmen verweist auf hohe fachliche Kompetenz bei den Mitarbeitern. Viele sind seit Jahrzehnten in der IT-Technik bewandert und haben bei anderen Firmen Erfahrung gesammelt. Die andere Frage ist, wie BBV das Geld für die Verkabelung aufbringen will. Laut BBV-Vertriebsleiter Wolfgang Ruh wird für einen Netzausbau im nördlichen Kraichgau ein zweistelliger Millionenbetrag notwendig sein. Die Investoren sähen das Vorhaben wie ein Immobiliengeschäft, bei dem sich erst viel später eine Rendite erwarten lasse. Geldgeber sind nach Brancheninformationen institutionelle Anleger wie "Bouwfonds", eine Schwester der holländischen Rabo-Bank, oder "River Rock", eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in London. Sie entscheiden letztlich, ob das Geld fließt.
> Wie geht es weiter? Bleiben die Kommunen des nördlichen Kraichgaus bei ihren seitherigen Ausbauplänen, dann kann es 2030 werden, bis Glasfaser in die letzte Straße kommt. Außerdem muss die Verlegung weitgehend aus den Gemeindekassen bezahlt werden. BBV will nach eigener Darstellung nach den Sommerferien mit einer Werbekampagne beginnen und Vorverträge mit potenziellen Kabelnutzern abschließen. Gibt es eine ausreichende Nachfrage, könne schon im nächsten Jahr mit dem Netzbau begonnen werden, heißt es. Derzeit fragt BBV die einzelnen Kommunen nach ihrer Unterstützung ab. Eschelbronn, Neckarbischofsheim, Neidenstein und Epfenbach haben bereits Ja gesagt.



