33-Jähriger prellt Sterne-Hotels und muss sechs Jahre in Haft
Hat er die Zimmer gebucht, weil er keine Wohnung hatte? Ein Aufenthalt in Sinsheim brachte den Prozess ins Rollen.

Sinsheim/Heidelberg. (cbe) Er hat in Vier- und Fünfsternehotels mit klangvollen Namen eingecheckt, über Monate hinweg, von der Nordsee bis nach Bayern. Dort ließ er es sich gutgehen, für Speis’und Trank noch ein großzügiges Trinkgeld notieren. Doch die Rechnung bezahlte er nie. Lange kam der mittlerweile 33-Jährige damit durch, bis er in Buxtehude festgenommen wurde. Seit November musste er sich nun wegen Betrugs in mehr als 100 Fällen vor dem Landgericht Heidelberg verantworten. Am Dienstag wurde er zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Einen entscheidenden Anteil an der Verurteilung hatten Aufenthalte im Hotel Sinsheim: Im Juni 2021 hatte er dort zwei Mal mehrere Nächte verbracht, die Rechnung über insgesamt rund 2000 Euro ist auch hier noch offen. Doch als Staatsanwalt Jonathan Waldschmidt davon erfuhr, schaute er ins Bundeszentralregister. Dabei kam heraus, dass in ganz Deutschland Anzeigen gegen den Mann vorliegen. Waldschmidt bündelte die Verfahren.
Ein "hochprofessionelles Vorgehen" attestierte er dem Angeklagten in seinem Plädoyer. Demnach buchte der Mann die Hotelaufenthalte per Internet, teilweise unter Pseudonym, häufig aber unter seinem Klarnamen. Vor Ort legte er dann eine aufwendig gestaltete Bescheinigung vor, dass die Kosten von einem Institut übernommen werden, dessen Mitarbeiter er sei. Zudem war das Dokument abgestempelt. Der Stempel wurde bei seiner Festnahme gefunden.
Wie der Vorsitzende Richter Jochen Herkle in seiner Urteilsbegründung darlegte, gab es dieses Institut aber gar nicht. Doch es hatte einen Eintrag in den "Gelben Seiten". Und auch am Dienstag fanden sich noch Treffer, wenn man bei Google danach suchte.
Das fiktive Institut war nach einer Bekannten von ihm benannt, auf den Bescheinigungen zur Kostenübernahme stand deren Konto- und Steuernummer. Und so landeten die Rechnungen bei ihr, später auch die Mahnungen und Briefe von Inkassounternehmen. Offenbar wehrte sie sich erst spät gegen die Praxis ihres Bekannten. Kosten von 64.000 Euro haben dessen Hotelaufenthalte seit November 2019 verursacht.
Auch interessant
So manches, was während des letzten Verhandlungstages mitgeteilt wurde, ließ das Bild eines Blenders entstehen. Der Angeklagte wurde von Hotelmitarbeitern, die als Zeugen aussagten, als freundlich und sehr eloquent beschrieben, sagte der Staatsanwalt. Richter Herkle erwähnte, dass der Mann unter anderem Schulungen im Bereich Erfolgsmarketing gegeben hat. Und ein Blick in dessen Vita zeigt: Schon mehrfach saß er wegen Betruges im Gefängnis, bei seiner ersten Tat war er noch nicht volljährig.
So merkwürdig es klingen mag: Eine Rolle bei den Taten könnte gespielt haben, dass der Mann keinen festen Wohnsitz hatte. Bei seinem Vater flog er laut Herkle raus, weil er sich an dessen Konto bedient hatte. Später wohnte er eine Zeit lang bei jener Bekannten, nach der er das fiktive Institut benannte.
Dass er in den Hotels übernachtet hat, hat der Angeklagte nicht geleugnet. Er sei davon ausgegangen, dass er wirklich für dieses Institut arbeitet. Was genau er dabei tat, blieb nach Angaben Herkles jedoch unklar. Im Fall eines Geständnisses war ihm ein "Deal" angeboten worden, der die Haftstrafe verkürzt hätte, erklärte Waldschmidt. Doch darauf sei er nicht eingegangen.
Auf sieben Jahre und zehn Monate Haft hatte der Staatsanwalt plädiert, es gäbe kaum etwas, das für den Angeklagten spricht. Dessen Anwältin Katja Kosian forderte Freispruch. Seine Bekannte habe vor Gericht nicht die Wahrheit gesagt, zudem seien keine Vorlagen für die Bescheinigungen bei ihrem Mandanten gefunden worden.
Und die Hotels hätten "sehr fahrlässig gehandelt", viele sich offenbar weder Kreditkarte noch Personalausweis zeigen lassen. Dem letzten Punkt stimmte Herkle zu, verwies aber auf die Vorstrafen und bezeichnete den Betrug als gewerbsmäßig.