Nicht Gängelung, sondern Überzeugung

Seit 40 Jahren ist Jürgen Ebert Naturschützer auf vielen Ebenen

Naturschutz könne man nicht verordnen, sagt Ebert. Es ist wichtiger, die Menschen zu sensibilisieren und sie dazu zu bringen, mit dem Naturschutz zu kooperieren.

13.01.2020 UPDATE: 14.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden
Der Sinsheimer Jürgen Ebert setzt sich seit 40 Jahren für den Naturschutz ein. Foto: Christiane Barth

Von Christiane Barth

Sinsheim. Wenn das Artensterben in großem Stil grassiert, bricht die gesamte Nahrungskette zusammen. Ganz oben in dieser Kette steht der Mensch. "Und der hat dann auch keine Lebenschance mehr", sagt Jürgen Ebert. Wenn er von den Zusammenhängen in der Natur spricht, wird das ganz große Puzzle, von dem vorher nur Teile sichtbar waren, plötzlich sehr deutlich. Ebert ist ein überzeugter Naturschützer, der sich seit 40 Jahren um den Erhalt von Flora und Fauna bemüht. Auf vielen Ebenen ist er aktiv, jetzt wurde er vom Land Baden-Württemberg für sein Wirken geehrt.

Ebert ist Vorsitzender der Dr. Hasel Naturlandstiftung in Reichartshausen; im früheren "Deutschen Bund für Vogelschutz", dem Vorläufer des heutigen Naturschutzbunds, war er engagiertes Mitglied. Von 1987 bis 1997 war Ebert Naturschutzbeauftragter für den südlichen Rhein-Neckar-Kreis. Als Jäger stand er mehrere Jahre dem Hegering VI Sinsheim der Heidelberger Jägervereinigung vor. Das Amt für Landwirtschaft und Naturschutz würdigte nun die jahrzehntelange Arbeit des Sinsheimers im gesamten Kreisgebiet. Bei der Arbeitstagung des ehrenamtlichen Naturschutzdienstes des Kreises und der Naturschutzverwaltung wurde der 60-Jährige ausgezeichnet.

Was treibt ihn an? Es ist nicht allein das Verschwinden des Wiedehopfs oder des Steinkauzes, das ihn anspornt, für den Erhalt bedrohter Tierarten aktiv zu werden und sich für den Erhalt der Lebensräume einzusetzen. Ebert hat bereits in den 1980er-Jahren an Schutzanträgen von Naturdenkmälern gearbeitet. Auch die Auswirkungen der Flurbereinigungsmaßnahmen in den 1970er-Jahren und des folgenden Strukturwandels, ist Ebert ständig bemüht abzupuffern.

Eine Sisyphusarbeit? Sicher, die Randstreifen der landwirtschaftlichen Flächen, in denen zahlreiche Lebewesen ihre Refugien hatten, sind stetig kleiner geworden. Doch Schuld am Artensterben gibt Ebert keinem Einzelnen: "Wir alle sind schuld. Nicht zuletzt ist es unser Erschließungs- und Vernetzungsdrang, der Natur zerstört." Doch während manche Arten verschwinden, profitieren andere. Diese Situation habe sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verschärft, verdeutlicht Ebert, und zeigt auf eine Heckenstruktur im Wald: Brombeeren, die früher deutlich niedriger und nicht so ausgeprägt gewesen seien. Sie böten ein ideales Versteck für Wildschweine, der Waldlaubsänger könne dort nicht leben.

"Wir haben zwar viele Arten verloren, aber auch viele dazu gewonnen. Solange es heimische sind, begrüße ich diese Entwicklung", sagt Ebert. Invasorenarten seien jedoch "mit Vorsicht zu genießen". Damit meint er etwa Waschbär, Marderhund oder Nutria. Deren Einfluss auf andere Arten sei schwer abzuschätzen. Vor allem die sich explosionsartig ausbreitende Nutria sorgt Ebert, der bereits in jungen Jahren Tierbestände prüfte, Vogelstimmen zuordnete und nicht ohne Strichliste durch den Wald lief.

Heute weiß er: Naturschutz kann man nicht verordnen: "Jeder will seine Interessen durchsetzen. Dabei zieht der Naturschutz immer den Kürzeren." Viel wichtiger sei es, glaubt Ebert, die Menschen zu sensibilisieren und sie dazu zu bringen, mit dem Naturschutz zu kooperieren. Eberts Einschätzung bleibt hart an der Realität und fern von purem Idealismus: "Wir müssen die Balance finden."

Als Naturschutzbeauftragter gab Ebert naturschutzrechtliche Stellungnahmen ab, bei denen die Interessen etwa der Gelbbauchunke im Widerspruch zu geplanten Baugebieten oder Straßenbaumaßnahmen standen. Doch mit rigorosen Verboten sei nichts gewonnen, da sich die Menschen hiervon gegängelt fühlten, findet Ebert. "Wir müssen immer bestrebt sein, einen vernünftigen Konsens zu finden."

Ebert spricht von Ausgewogenheit der Bedürfnisse. Ziel sei die Erkenntnis, dass der Mensch die Verantwortung für die Natur trägt und davon profitiert, wenn er diese schützt. Auch wenn der Weg dahin ein schmaler Grat sei, auf dem er die Menschen mit Überzeugung, nicht mit Maßregelung mitnehmen möchte. Als Geschäftsführer der Baufirma Hauck in Waibstadt, die Natur zwangsläufig versiegle, sei sich Ebert seiner Verantwortung bewusst: "Mir war immer wichtig, einen adäquaten Ersatz zu schaffen. Denn wir Menschen sind das eigentliche Problem auf diesem Planeten."

Hintergrund

Reichartshausen. (cba) Während der Mais vielerorts wegen der Dürre im Sommer notgeerntet werden musste, steht er im "Hambrunnen" Reichartshausen gut im Saft: überraschend wenig Trockenschäden dort, in einem Randbereich entlang eines geschaffenen Hohlwegs. Selbst auf der

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Reichartshausen. (cba) Während der Mais vielerorts wegen der Dürre im Sommer notgeerntet werden musste, steht er im "Hambrunnen" Reichartshausen gut im Saft: überraschend wenig Trockenschäden dort, in einem Randbereich entlang eines geschaffenen Hohlwegs. Selbst auf der Freifläche des Maisfeldes ist noch sehr viel Grünanteil zu sehen, während das landwirtschaftliche Bild in diesem Jahr meist von zurückgebliebenen, verkürzten und vertrockneten Maispflanzen geprägt ist.

Doch woraus speist sich der Feuchtigkeitsgehalt der Pflanze im "Hambrunnen"? Jürgen Ebert, Vorsitzender der Dr. Hasel Naturlandstiftung, die das Gebiet renaturiert hat, zeigt auf eine lang gezogene Hecke, die das Maisfeld flankiert: "Das hier ist ein ganz besonderes Kleinklima." Die doppelte Menge des krautigen Grüns auf der Heckenseite an der Nordseite sei doch frappierend. Ebert untermauert seine Beobachtung mit landwirtschaftlichen Untersuchungen, die bereits in den 1960-er Jahren von der AIF - der Assoziation für innovative Landwirtschaft, die die Interessen europäischer Landwirte vertritt - durchgeführt worden seien: So erhöhe eine etwa acht Meter lange Hecke den Feuchtigkeitsanteil des "Kleinklimas" der Maispflanzen um bis zu 25 Prozent. Und zwar nicht nur im Randbereich, sondern bis zu 30 Meter in Richtung Feldmitte. Dies bleibe nicht ohne Folgen: 25 Prozent mehr Wachstum, rechnet Jürgen Ebert vor.

Dass die Pflanze jetzt immer noch grün austreibt, sei eindeutiges Indiz dafür, "dass sie gut versorgt worden ist", so Ebert, "und das wirkt sich auch positiv auf die Blattmasse aus." Auf der Heckenseite, die wie ein Feuchtigkeitsspender wirke, wird die Ernte also deutlich ertragreicher ausfallen. "Die Landwirtschaft kann durch Hecken sehr profitieren und hat durch die kleinklimatische Veränderung einen nicht unwesentlichen Zuwachsnutzen", betont Naturschützer Jürgen Ebert mit Nachdruck. Ebert kennt jedoch auch das Problem der Landwirte: Die Hecke benötige Zeit, um zu wachsen und zu gedeihen und um ihre Rolle als Feuchtigkeitsspender überhaupt erst einnehmen zu können. "Und wenn sie erst mal groß genug geworden ist, gibt es Auflagen der Naturschutzbehörden, dann nämlich darf die Hecke nicht mehr entfernt werden." Ebert plädiert dafür, Verbotsregelungen zu lockern, wo es Sinn mache, und Lösungen zu finden, die für alle gut sind. Viel Blattmasse bedeutete nämlich etwa auch: Viel Material für die Biogasanlagen und eine "Win-win-Situation für alle."

Von Heckenstrukturen als Feuchtigkeitsspender hält Thomas Schilling, Landwirt aus Reichartshausen, jedoch nichts. Mit dem Mais, den er vor zwei Wochen abgeerntet hat, habe er trotz der Trockenheit normale Erträge eingefahren. Bei der gestrigen Ernte habe er etwa 20 Prozent Einbußen hinnehmen müssen. Heckenstrukturen mit ihren weit verzweigten Wurzeln entzögen den Feldpflanzen vielmehr das Wasser. Im Bereich eines Baumes etwa, so verdeutlicht Schilling, habe er in einem Radius von bis zu sechs Meter vertrocknete Maispflanzen vorgefunden. Entscheidend sei jedoch die Bodenbeschaffenheit. "Wir haben einen guten Boden, der das Wasser gut halten kann", verdeutlicht Thomas Schilling.

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Hintergrund

Von Christiane Barth

Reichartshausen. Das Adjektiv "nachhaltig" wird oft vorgehalten, wenn von einem sinnvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen die Rede ist. Es ist modern geworden. Für die Mitglieder der

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Von Christiane Barth

Reichartshausen. Das Adjektiv "nachhaltig" wird oft vorgehalten, wenn von einem sinnvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen die Rede ist. Es ist modern geworden. Für die Mitglieder der Dr. Hasel Naturlandstiftung hat es jedoch bereits eine lange Tradition. Brut- und Nistplätze für eine große Anzahl heimischer Kleinvogelarten, Habitate für seltene Säugetiere - auch Insekten, Gliedertiere und wirbellose Arten sind längst heimisch geworden auf den Feld-Wald- und Wiesenflächen, den Streuobstwiesen, den Feuchtbiotopen, den Heckenlandschaften, Laichzonen und Refugien, die die Naturschützer seit der Stiftungsgründung im Jahr 1995 renaturiert haben.

Jetzt überraschte die Gemeinde Reichartshausen die Mitglieder mit einer satten Spende: 10.000 Euro aus dem kommunalen Sparstrumpf sollen der Stiftung zufließen. "Wir würdigen die Aktivitäten der Stiftung im Bereich des Natur- und Artenschutzes. Die Schutz- und Pflegemaßnahmen, die sehr zeitintensiv von den ehrenamtlichen Mitgliedern durchgeführt werden, gilt es anzuerkennen", erklärte Bürgermeister Otto Eckert, der den Gemeinderat bei seiner Juni-Sitzung über das Vorhaben informierte. "Die Spende soll den Dank der Gemeinde für die jahrelange Arbeit der Stiftungs-Mitglieder ausdrücken", so Otto Eckert.

Vorsitzender Jürgen Ebert hat zwar noch keinen konkreten Plan, wie nun das geschenkte Geld verwendet werden soll, Ideen jedoch schweben ihm zuhauf vor. Etwa könne man einen Teil des Betrages in weitere mardersichere Nistkästen für den Steinkauz, dessen Population durch das Insektensterben arg gelitten hat, investieren. "Bei uns ist der Steinkauz leider seit den 70er-Jahren verschwunden", bedauert Jürgen Ebert, auch Vorsitzender des Bunds für Vogelschutz im Kraichgau. Im Bereich ihrer Streuobstwiesen haben die Naturschützer bereits großflächig Nisthilfen für die kleine Eule ausgebracht, bislang jedoch, ohne sie wirklich anzulocken.

Die gemeinnützige Dr. Hasel Naturland Stiftung wurde 1995 beim Regierungspräsidium Karlsruhe gegründet. Ihre Organe, ein Vorstand mit Fachverstand, ein Aufsichtsrat (Bürgermeister, Vertreter des Umweltamtes Rhein-Neckar-Kreis, des lokalen Naturschutzes sowie der Land- und Forstwirtschaft) und eine Stiftungsratversammlung haben sich die Sicherung und die Gestaltung von Biotopen auf der Gemarkung Reichartshausen auf die Fahnen geschrieben. Und diesem Grundgedanken, der alle Aktivitäten der naturverbundenen Mitglieder prägt und der vom Stiftungsgründer, dem inzwischen verstorbenen Dr. Heinz Hasel, angestoßen wurde, soll auch die überraschende Finanzspritze der Gemeinde gewidmet sein.

Möglicherweise könne man das Geld auch in neuen Grund und Boden anlegen, meint nun Ebert. Eine weitere Fläche auf der Gemarkung Reichartshausen schwebe ihm vor, die man nach den Grundsätzen der Naturschützer renaturieren wolle.

Gleich in welches Projekt die kommunale Spende nun letztendlich fließe, das Geld werde auf jeden Fall "ordnungs- und satzungsgemäß" für Biotop- und Artenschutzmaßnahmen eingesetzt, versichert Jürgen Ebert. Per Gemeinschaftsbeschluss würden Stiftungsrat und Vorstandschaft schließlich über den Einsatz des Geldes beschließen.

Am Samstag, 8. September, 16 Uhr, veranstaltet die Dr. Hasel Naturlandstiftung ihr Kartoffelfest beim "Hambrunnen" Reichartshausen. Dabei wird der Kartoffelacker abgeerntet, sehr zur Freude der Gönner und Mitglieder, die das begehrte Nebenprodukt einer Pflanze, deren Gründer vor allem dem Rebhuhn, dessen sich einst Dr. Heinz Hasel besonders annahm, gewidmet ist, nun genießen.

Zudem besteht die Möglichkeit, Baumpatenschaften zu übernehmen und das Obst "seines" Baumes dann abzuernten. Anmeldung bei Landschaftsgärtner Marcus Schilling unter Telefon 06262/7135.

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