Plus "Lockdown-Tiere" und Kostensteigerungen

Krisenstimmung im Sinsheimer Tierheim

Während "Lockdown-Tiere" abgegeben werden, steigen die Kosten, und es finden sich kaum Helfer. Der Stadt-Zuschuss dürfte steigen.

27.10.2022 UPDATE: 27.10.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 57 Sekunden
Tierheimleiterin Gaby Strobel-Maus mit einem Hund. Foto: Christiane Barth

Sinsheim. (cba/tk) Tiere als Leidtragende der Corona-Maßnahmen und der verordneten Lockdowns: Viele Haushalte schafften sich in der Krise einen Hund oder eine Katze an – man hatte ja jetzt Zeit. Die Auswirkungen zeigen sich nun in den Tierheimen. Sie sind am Limit, finanziell und personell. Eine Situation, die am Ende zu Lasten der Tiere geht.

Inzwischen sind die einst mit viel Euphorie angeschafften Tiere vielerorts zu zusätzlichen Essern und Kostenfaktoren geworden – weil das Geld kaum für den eigenen Unterhalt reicht. Hinzu kommt, dass viele Tierhalter nicht wussten, worauf sie sich einließen: Tierhaltung bedeutet Verantwortung und Arbeit. Tiere mit Auffälligkeiten, die bissig sind oder sich aggressiv verhalten, häufen sich innerhalb der Abgabewelle.

"Die Rücklagen sind aufgezehrt, dagegen steigen die Betriebskosten", sagt Tierheimleiterin Gaby Strobel-Maus. Die enormen Preissteigerungen brächten vor allem kleinere Tierheime wie in Sinsheim in Schieflage. "Wir haben Existenzängste und fragen uns, wie alles weitergehen wird", gesteht Strobel-Maus. Denn die Einrichtung, die auf Spenden angewiesen ist, bekomme deutlich weniger Geld, welches derzeit alles andere als locker sitze. "Die Spendenbereitschaft ist deutlich zurückgegangen", klagt Strobel-Maus und macht klar, unter welchem finanziellen Druck der Verein steht: Ohne Spenden und ohne Hilfe der Gemeinden könne die Einrichtung möglicherweise bald ihrer Aufgabe nicht mehr nachkommen. Auch die in Supermärkten aufgestellten Spendenboxen für Tierfutter würden laut Schilderung von Strobel-Maus schlechter bestückt. Verschärft werde die Situation dadurch, dass sich ehrenamtliche Helfer, die eine tragende Säule seien, kaum noch fänden.

Alarm schlägt auch der Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes. Dieser teilte in kürzlich mit, dass die vereinsgeführten Tierheime wie das in Sinsheim aus den genannten Gründen kurz vor dem Aus stehen würden. Vorsitzender Stefan Hitzler gibt zu bedenken, dass die Tierheime längst "auf der Kippe" stehen würden und nicht länger "auf sich gestellt bleiben" dürften.

Auch die Personalkosten der Einrichtungen schlügen stärker zu Buche, sagt Strobel-Maus: "Wir mussten unsere Gehälter anpassen", da auch die Angestellten ihre Ausgaben abdecken müssten. "Uns graust es jetzt schon vor der nächsten Heizöl-Rechnung." Von diesem Problem berichtet auch der Landestierschutzverband: Durch die erneute Erhöhung des Mindestlohns stiegen Personalkosten künftig in manchen Tierhilfe-Einrichtungen um bis zu 20 Prozent. Auch die Erhöhung der Tierarzt-Gebühren ab November träfen die Heime "tief in die lichten Vereinskassen".

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Die Anhebung könnte zur Folge haben, dass Hunde und Katzen bald nicht geimpft, kastriert, entwurmt oder bei Krankheit richtig auskuriert werden. "Da werden manche Tierbesitzer nicht mehr in der Lage sein, ihre Tiere behandeln zu lassen", sorgt sich Strobel-Maus. Ein Teufelskreis: Die Tierheimleiterin rechnet damit, dass künftig vermehrt Tiere ausgesetzt werden.

Eigentlich wollte Strobel-Maus das Tierheim renovieren, jetzt müsse sie jeden Cent umdrehen, um über die Runden zu kommen: "Wir sind wir froh, wenn wir auf Dauer unsere Rechnungen weiter bezahlen können." Eine Verbesserung der Situation klang in der jüngsten Sitzung des Sinsheimer Gemeinderats an; per Gesetz ist die Stadt zum Tierschutz verpflichtet, indem in Sinsheim ein Tierheim vorgehalten wird. Das Gremium hat im Nachtragshaushalt einer Erhöhung des Jahreszuschusses an den Tierschutzverein von 18.000 auf 28.000 Euro zugestimmt. Im Jahr 2023 sollen jährlich 36.000 Euro Zuschuss gezahlt werden.

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