"Jazz in der Altstadt" Eppingen

Improvisationskunst und Partystimmung (plus Fotogalerie)

Das Konzert überzeugt erneut mit einem Spagat zwischen hoher musikalischer Qualität und populären Rhythmen

22.10.2017 UPDATE: 23.10.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden

Die Werner Acker Band "Roots" bot mit dem Altmeister an der Gitarre und seinen virtuosen Compagnons Jazz in Perfektion. Fotos: Guzy

Eppingen. (guz) Jubel, Freudenpfiffe, Klatschen - sehr, sehr lange: Die Projektband "Flux" um den Ausnahmegitarristen Thomas Langer hat abgeräumt, hat mit enormer Spielfreude, rasanter Fingerakrobatik über den Gitarrenhals, dem Retrosound der Hammond-Orgel und knackig-feiner Schlagzeugtechnik das Publikum begeistert. Obwohl "Jazz in der Altstadt" ein Wandelkonzert ist, bei dem die Besucher sechs verschiedene Spielstätten besuchen können, setzen sich einige Fans fast vier Stunden im Wachlokal fest. Festgenagelt von Glücksgefühlen, verursacht durch treibende Rhythmen, schnelle Läufe und leidenschaftliche Improvisationskunst, die Rockelemente und R&B bruchlos in den Jazz integriert.

Nur reinkommen muss man erst mal. Das Wachlokal im Alten Rathaus ist eng, die Bühne dort nimmt diesmal breiten Raum ein und draußen regnet’s. Die sonst übliche Grüppchenbildung vor den sechs Spielorten - am Samstag ist sie die Ausnahme. Und Günter Brenner, der das Jazzfantreffen seit bald 20 Jahren gemeinsam mit Michael Mairhofer organisiert, hatte, wie er bekennt, um 19 Uhr noch richtig schlechte Laune. Schmuddelwetter hält Kurzentschlossene ab, schlecht für die Bilanz. Dreieinhalb Stunden später in der Katharinenkapelle strahlt Brenner wieder. Inzwischen hat er zig positive Rückmeldungen bekommen, und auch die Besucherzahl dürfte die 400 übersteigen. Hier streichelt Schlagzeuger Herbert Wachter mit den Stahlbesen die Hi-Hats, arbeitet Hansi Schuler leidenschaftlich am Bass, zum gefühlvollen Sax von Peter Lehel und den Phrasierungen von Gitarrenlegende Werner Acker. Als draußen jemand den Schirm ausschüttelt, kommt von denen, die es auch hier nur bis in den Vorraum geschafft haben, ein "Schschsch". Konzentrierte Zuhörer und Perfektionisten an den Instrumenten.

Zwangloser ist der spontane Wechsel in den anderen Spielstätten. Die alte Lkw-Werkstatt der Palmbäu muss dem Schalldruck der Heilbronner Combo "Surprise" standhalten. Wahwah-Sound, krachendes Schlagzeug, ein Keyboarder, der die Stücke schreibt und jetzt bei der Umsetzung die Stabilität seiner Instrumentenständer zu testen scheint. Auch hier: Spielfreude pur, aber druckvoller, die Klangfetzen sind weithin zu hören. Ein Besucher kommt gerade vom Ahnenkeller nebenan, den die "Talking Horns" mit dem soliden Blechsound einer reinen Bläsercombo bespielen. Begeistert einige, aber nicht alle: "Ich brauch ’ne Gitarre dabei", sagt der Neuankömmling, öffnet die Werkstatttür und taucht ein in eine elektronisch verstärkte Klangwelt.

Einen Kontrapunkt setzt "Nid de Poule" im Wirtshaus St. Georg. Chansons und Swing mit einer Prise Jazz hat das Quartett aus dem Rhein-Main-Gebiet dabei. Der Pizzaofen schmeißt viel Hitze ab, ein nass gewordener Gast hängt seinen Pullover über die Heizung und die Musiker verbreiten auf engstem Raum gute Laune. Auf einem geschätzt halben Quadratmeter neben der Bühne wird sogar kurz und eng getanzt. Sängerin Bille Klingspor weiß um den "Exotenstatus" der Gruppe beim Altstadtjazz, schätzt die dichte Atmosphäre hier, nur Zentimeter vom Publikum entfernt, und zieht auch mal die High Heels aus, bei der Chanson-Adaption von "These boots are made for walkin’". Eine reizvolle Abrundung der Stilbreitenkanten beim Altstadtjazz.

Deutlich mehr Platz im Stadtmuseum Alten Universität: Hier treffen sich die Nachtschwärmer, hier wird gefeiert, getanzt, gequasselt - zu populärer schwarzer Musik. Drei Sängerinnen, Hits von Amy Winehouse oder Stevie Wonder und eine entsprechende Klangfülle bietet die neunköpfige "Soul Connection" auf. Die späten Gäste wissen die Partystimmung hier zu schätzen. Schließlich gehörte selbst für Jazz-Puristen der traditionell wildere Abschluss in der Alten Uni seit Jahren dazu.

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