Heilbronn

Stadtbibliothek wird deutlich teurer als geplant

Die Institution ist nur Mieter im Theaterforum K3 - Gemeinderat kritisiert Kosten für Planung und Architektur.

11.08.2022 UPDATE: 11.08.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 18 Sekunden
Nach dem Umbau soll die Heilbronner Stadtbibliothek den Besuchern unter anderem mehr Aufenthaltsangebote machen können. Die Kosten für das Vorhaben haben sich nun weiter erhöht. Visualisierung: Stadt Heilbronn

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Im Jahr 2001 wurde das Theaterforum K3 eröffnet, seither ist hier auch die Stadtbibliothek untergebracht – als Mieter. Und als Mieter – zumindest für die nächsten 20 Jahre – plant die Stadt schon seit etlichen Jahren, das "Lese- und Lernzentrum" umzubauen und, angepasst an neue Formen medialer Vermittlung, neu zu gestalten: für 6,2 Millionen Euro.

Schwer schluckte man im Gemeinderat schon im Frühsommer, als noch von 4,6 Millionen Euro die Rede war. Diesen neuen, großen Brocken wollten aber nicht mehr allen Stadträten so einfach schlucken. In dem Antrag von CDU, FDP und FWV-Gruppe, der dem Gemeinderat bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause vorlag, ging es darum, die Verwaltung zu bewegen "vor dem Hintergrund der abermals gestiegenen Kosten Einsparmöglichkeiten innerhalb des bisherigen beschlossenen Kostenrahmens für den Umbau und die Neugestaltung der Stadtbibliothek" zu prüfen und dem Gemeinderat "mögliche Alternativen nach der Sommerpause mit der Vorlage des Finanzzwischenberichts zur Beschlussfassung" vorzulegen.

In den Regalen der Jugendbücherei steht mit Sicherheit Michael Endes "Die unendliche Geschichte". Sie spielt im Land Phantasien. Die "Unendliche Geschichte" des Stadtbücherei-Umbaus – in Papier und Akten – hat mit Sicherheit mehr als die 416 Seiten, liest sich jedoch weniger erhebend. Sie spielt ja auch in einer Realität und Gegenwart, in der alles teurer wird – der Frieden und das Bauen –, und in der man nach den Ferien bei den Beratungen für den neuen Haushalt hart landen wird.

Der Verwaltungsspitze war auch nicht ganz wohl bei der Sache, als Bürgermeisterin Agnes Christner um Verständnis für die Mehrkosten "aufgrund unterschiedlicher Faktoren" bat und um keine weiteren Verzögerungen. Dass es kein Zurück gibt, war klar. Im Oktober 2021 hatte der Gemeinderat die Entwurfsplanung und die Kostenberechnung der "Drittel Architekten", Stuttgart, für den Umbau und Neugestaltung der Stadtbibliothek (EG und 1. OG) im Theaterforum K3 gebilligt. Dass hierbei und durch die Hintertür die neue Bezeichnung "Theaterforum" verwendet wurde, schien nicht weiter zu stören. Das K3 stand zunächst für Kaufen, Kultur und Kino. Veränderungen im Besatz, auch weg vom Kommerz und der freien Kulturszene, haben indes der Frequenz sichtlich geschadet und konterkarieren die ursprüngliche Absicht, dieses Gebäude noch als (abgrenzenden) Teil der Innenstadt zu sehen. Christner sagte, die Stadtbibliothek habe zuletzt 250.000 Besucher im Jahr gehabt. Eine Frequenzanalyse für das gesamte Haus wäre spannend.

Die Eigentümer aber haben jedenfalls sicher Grund zur Freude, dass die Stadt hier so mächtig investiert, denn mit der Um- und Neugestaltung der Stadtbibliothek ist auch ein erweitertes Nutzungskonzept verbunden. Dabei tritt die ursprüngliche und preiswerte Funktion von Lesen und Leihen immer mehr zurück zugunsten von mehr Aufenthaltsangeboten und -qualität. Schon die "Empfangshalle" ähnelt eher der eines Vier-Sterne-Hotels. Christner sagte zwar, "wir bauen keinen Luxus", aber wozu dann die schicken Designer-Sitzmöbel, wenn man hier so sehr auf die Digitalisierung als das beherrschende Gebot der Stunde setzt?

Es wird an der neuen Leiterin der Bibliothek, Dorit Kuhnle liegen, wie der Spagat zwischen den so unterschiedlich gewordenen Welten von Wissensaufnahme und -konsum wie auch Wissensweitergabe gelingt. Sie und ihre Mitarbeiter müssen gerade mit der komplizierten, provisorischen Auslagerungsphase in der Umbauzeit zurechtkommen. 250.000 Euro wurden dafür veranschlagt.

Mit dem, was in der Gemeinderatsdrucksache steht, lässt sich alles und jedes begründen: "Eine zeitgemäße Bibliothek mit attraktiven Räumlichkeiten ist für die Wissensstadt Heilbronn eine dringend notwendige Investition." Dass sich die Kostenberechnung zwischen November 2021 und heute, also in weniger als einem Jahr, um genau eine Million Euro mehr für das EG und um 400.000 mehr für das OG erhöhte, ist ja nicht alles, es kommen auch Honorarerhöhungen von mehr als 100.000 Euro für die Architekten und Planer hinzu. Als Wortführer der Antragssteller argumentierte der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Randecker dann auch genau in diese Richtung, sprach von "eklatanten Fehlern" bei Architektur und Planung, verlangte Einsparvorschläge ohne Qualitätsverluste und sagte, dann müsse man eben mit den Planungsbüros so langen "ringen" oder "anders mit ihnen umgehen". Der neue Baubürgermeister Andreas Ringle (Grüne) wagte sich insoweit etwas hervor, als er zur "Gesamtsituation" sagte, dass 80 Prozent der Aufträge vergeben seien, aber man müsse "besser werden" und "wie bei einer Neuausschreibung" auch "ernsthaft prüfen", wo man reduzieren könne.

Ringle mahnte eine "versachlichte Diskussion" an. Die fand dann auch zum "Sperrvermerk"-Kompromiss für die Ausgaben weitgehend konsensual statt. Bei vier Gegenstimmen und zwei Enthaltungen kann es jetzt weitergehen, Oberbürgermeister Harry Mergel versprach, man werde sich Mühe geben.

Für die Nachfinanzierung der Differenz von deutlich mehr als zwei Millionen, also einem Drittel der ursprünglich genehmigten Kosten, hat man sich bei der Verwaltung auch einiges einfallen lassen, zusätzlich zu den einkalkulierten 400.000 Euro für Preisschwankungen. Die kreative "Umwegfinanzierung" greift auf Mittel zurück, die in der Bugwelle nicht abgerufener, aber genehmigter Projekte fließen, vom Friedhof bis zur Feuerwehr. Was vermutlich so mancher dachte, sprach aber nur einer an: FPD-Stadtrat Gottfried Friz sagte "am besten wäre ein eigenes Gebäude gewesen". AfD-Stadtrat Michael Seher macht es noch kürzer: 6,2 Millionen Euro in ein Mietobjekt zu stecken, das sei "reiner Wahnsinn".

Einmal schon war die Stadtbibliothek in einem stadteigenen Gebäude untergebracht: im Deutschhof, in dem Bücherwürmer nicht fremdelten. Das war damals, als das raschelnde Geräusch umgeblätterter Seiten, es wird, wie das Bücher-Lesen, von der Wissenschaft als kognitiver Prozess wieder für unverzichtbar gehalten, noch keine Nostalgie war.

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