Harter Kern ging fürs Klima auf die Straße
Protestzug von "Fridays for Future" deutlich kleiner als beim letzten "Globalen Klimastreik" - "Beleidigte Rechtfertigungen"

Von Ulrich Brefka
Sinsheim. 500 und mehr Personen – wie beim "Globalen Klimastreik" am 20. September in Sinsheim – waren es dieses Mal nicht, vielleicht ein starkes Zehntel davon. Aber die Bewegung bewegte sich – einmal mehr auch durch die Sinsheimer Innenstadt. Die Klimaschutzaktivisten "Fridays for Future" hatten gestern erneut zum weltweiten Aktionstag aufgerufen. Mit dem Slogan "Jetzt erst recht!" startete der bei tief hängenden Wolken und Dauerregen etwa 60 Teilnehmer umfassende Zug vom Burgplatz aus durch die Innenstadt.
Bereits vor wenigen Wochen sollen ungefähr 1,4 Millionen Sympathisanten des Aktionsbündnisses deutschlandweit durch die Straßen gezogen sein – für "umgehende und wirksame Maßnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaschutzziele" von 2015. 198 Vertragsparteien der "Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen" hatten sich vor vier Jahren in der französischen Hauptstadt darauf geeinigt, die globale, primär "von den Menschen zu verantwortende Erderwärmung" auf deutlich unter zwei Prozent zu begrenzen – basierend auf "vorindustriellem Niveau". Hieran orientiert sich die Bewegung.
Vor diesem Hintergrund sei das von der Bundesregierung am 20. September vorgestellte Klimapaket eine "Katastrophe", eine "Erklärung der Handlungsunfähigkeit", hieß es in der jüngsten Pressemitteilung der Sinsheimer Sektion. Dies nehme man so nicht hin und wolle hierauf im Vorfeld der am kommenden Montag beginnenden "COP 25 UN-Klimakonferenz" in Madrid hinweisen, erklären die Initiatoren von "Fridays for Future Sinsheim" und deren "Parents"-Ableger. Sie wollen die Menschen für ihre Forderungen sensibilisieren.
Mit Blick auf die hiesigen Verhältnisse zeigten sich die Sinsheimer Umweltaktivisten vor allem darüber ungehalten, dass den an die Adresse von Oberbürgermeister Jörg Albrecht und der Verwaltungsspitze sowie des Gemeinderates gerichteten "Elf Forderungen" bislang so gut wie keine Aufmerksamkeit geschenkt worden sei. Zum Sinsheimer Forderungskatalog, den die Jugendlichen in scharfem Ton auch in einer Gemeinderatssitzung vorgetragen hatten (wir haben mehrfach berichtet), gehören, neben der Forderung nach einer "autofreien Hauptstraße", auch die nach der Bildung eines "Klimaschutzrates", der ein Veto gegen Entscheidungen der Stadträte einlegen kann. Im Rathaus, sowie bei einer Mehrheit der Räte, reagiere man auf Kritik lediglich mit "beleidigten Rechtfertigungen" und verweise auf die Zuständigkeit "Höherer Verwaltungsstellen", sagen die Aktivisten. Auch aus diesem Grund waren etliche der Teilnehmer des Zugs in Schwarz gekleidet – Konsumkritik am omnipräsenten "Black Friday", der zum "Black-Future-Friday" umgedeutet wurde, sinngemäß dem Freitag einer düsteren Zukunft.
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Die Stadt Sinsheim sowie der Landkreis mit seinen Kommunen beteuern indessen, wirkungsvolle, richtungsweisende energetische Klimaschutzprojekte auf den Weg zu bringen, darunter die erst jüngst in Betrieb genommene Bioabfallvergärungsanlage der AVR Sinsheim oder sogenannte "EffizienzPlus-Projekte", wie die Louise-Peters-Schule in Hockenheim oder der Sporthallenneubau im Stift Sunnisheim. Dies sei erst der Anfang, versprechen verantwortliche Köpfe der Region. Oberbürgermeister Jörg Albrecht hat den Klimaschutz inzwischen als ein wesentliches Ziel einer zweiten Amtszeit bezeichnet – neben Verkehrsthemen. Ab dem heutigen Samstag verkehren kostenlose Stadtbusse an allen vier Adventssamstagen zwischen Sinsheim und den Ortsteilen. Hiervon erhofft man sich Erkenntnisse, ob ein "kostenloser öffentlicher Nahverkehr" am Ende hoch frequentiert oder nur laut eingefordert wird.
Was die öffentliche Hand mit ihren Liegenschaften, ihrem Fahrzeugpark aber tatsächlich bewirken könne, betonen sie, sei trotz allem verschwindend wenig. Mehr als 90 Prozent lägen bei den privaten Verbrauchern selbst und deren klimafreundlicher Zuarbeit.