Eppingen

Katastrophenschutz-Übung zeigt Schwachstellen auf

Novum im Landkreis Heilbronn: Strom weg, Handy tot - Eppingen testet Notfall-Plan.

10.05.2025 UPDATE: 10.05.2025 15:51 Uhr 3 Minuten, 43 Sekunden
Foto: Buchner

Von Julian Buchner

Eppingen. Plötzlich Blackout: Über 20.000 Einwohner von Eppingen und seinen sechs Ortsteilen sind ohne Strom. Schnell wird Katastrophenalarm ausgelöst. Ein Szenario, das sich keiner vorstellen möchte, wurde am Samstag im Rahmen einer großen Bevölkerungsschutzübung in der Fachwerkstadt trainiert. Feuerwehr, Landratsamt, Stadtverwaltung, der Stromversorger Netze BW, das Rote Kreuz und sogar das Regierungspräsidium ziehen an einem Strang. Wie gut sind die Rettungskräfte auf den Ernstfall vorbereitet? Was kann man voneinander lernen?

Neun Uhr: Feuerwehr-Chef Thomas Blösch schlendert mit einer Cola-Flasche ins Gerätehaus. "Ich bin nicht aufgeregt." Gleich zeigt sich, ob der über ein Jahr akribisch vorbereitete Ablaufplan funktioniert. Er sieht vor, dass nach einem Großbrand im Umspannwerk "Scheuerlesstraße" der Strom auf 88 Quadratkilometern Stadtgebiet ausgefallen ist. Die Reparatur wird den ganzen Tag dauern. Das Ordnungsamt probt auf dem Feuerwehr-Hof per Dachlautsprecher jene Bandansage, die im Ernstfall bei der Durchfahrt in Wohngebieten zu hören sein wird.

Mobilfunkmasten funktionieren nicht ohne Strom. Das Handynetz ist tot. Auf ein paar Funkkanälen und Satelliten-Telefonen der Behörden laufen alle Drähte zusammen. Notfall-Treffpunkte werden allmählich aufgebaut. Lautes Knarzen und viel Gerede ist aus Lautsprechern auf dem Feuerwehrhof zu hören. Im Funkraum herrscht Hochbetrieb. Blösch wird später sagen, dass ihm die Jungs an den Funkgeräten Leid täten. Eine Erfahrung von vielen, die Stadt und Land nach der Übung ziehen und noch ziehen werden. Die Auswertung soll zwei Wochen in Anspruch nehmen. Dann werden Konzepte angepasst.

Trotz 20 Grad und strahlendem Sonnenschein schaut Oberbürgermeister Klaus Hollaschke ernst und grimmig. Alle spielen an diesem Tag eine Rolle: "Wir haben den achten Januar und sechs Grad Außentemperatur", verkündet das Stadtoberhaupt. Gleich wird er im Bürgersaal des Rathauses den Krisenstab anführen und sich einen Überblick der Lage an dem fiktiv, kalten Januar-Morgen holen. Im Altersheim herrscht nach dem Totalausfall klirrende Kälte. 30 Bewohnerinnen und Bewohner zeigen Erschöpfungs-Erscheinungen. Die Feuerwehr ist mit Wärmeerzeugern unterwegs.

Gleichzeitig rollt die Netze BW mit großen Strom-Generator-Lkws an. 14 Mitarbeiter verlegen lange Kabel und weisen Feuerwehrleute in die elektrischen Anlagen ein. Für den Netzbetreiber ist es die erste Großübung gemeinsam mit Rettungskräften. Die Feuerwehr bringt nach und nach 28 Gitterboxen mit städtischen Strom- und Wärmegeneratoren sowie Zelte und medizinisches Material aus. "Die haben wir komplett vorgepackt in der Feuerwehr zum Verteilen", so Blösch. Seit zwei Jahren arbeitet die Stadt in enger Absprache mit dem Landkreis an einem Konzept für Großschadenslagen. "Wir haben vieles angeschafft und Sirenen ersetzt, deswegen war uns wichtig, das Szenario Stromausfall einmal zu proben", sagt Thomas Blösch.

Die Sirenen im Stadtgebiet zu erneuern sei wichtig, da die alten Geräte nicht ohne Strom funktioniert hätten. So könne man trotz Stromausfall warnen und sogar Durchsagen per Sirene ausspielen. Verteilt werden die Gitterboxen an sogenannte Notfalltreffpunkte, die in jedem Ortsteil sowie der Kernstadt eingerichtet wurden. Meist in Mehrzweck- und Sporthallen. Sie sind die erste Anlaufstelle für Anwohner, um sich über die Lage zu informieren. Auch Rettungskräfte stehen dort bei medizinischen Problemen bereit.

Wenn das nur die Frau am Info-Zelt vor dem Rathaus wüsste. Eine Stadt-Mitarbeiterin liest Vorbeigehenden eifrig eine Erklärung der Pressestelle vor. "Habe ich auch erst vor zwei Minuten bekommen", sagt die schulterzuckend. Es bestehe keine Gefahr, man solle Ruhe bewahren sowie Fenster und Türen geschlossen halten. "Was bringt mir das, wenn ich zu Fuß hier unterwegs bin?", fragt eine Passantin neugierig, aber bestimmend. "Wo sind die Notfalltreffpunkte?", fragt die Bürgerin weiter. Bei der Frau im roten Infozelt ohne Funkgerät herrscht Ratlosigkeit.

Auf ein Mal klingeln die Funkmelder der Wehrleute. Ein echter Einsatz: Bei einem Getränkehersteller in Mühlbach hat die automatische Brandmeldeanlage ausgelöst. Auf einen Schlag wirkt das Gerätehaus wie leergefegt. Zum Glück ein Fehlalarm, wie sich später herausstellt. In einem 18-Tonnen-Laster neben der Feuerwache wird die Übung koordiniert. Der Lastwagen ist eine mobile Leitstelle mit dem Namen "ELW 2" und rollt regelmäßig bei großen Einsätzen von Neckarsulm durch den Landkreis. Von dem Real-Einsatz bekommt man hier nichts mit. Meldungen über Verletzte prasseln via Funk ein. Immer wieder werden Kräfte eingeteilt, Material nachgeholt und Feuerwehrautos schießen durch den Ort. Die schiere Größe der Übung lässt sich nur erahnen.

Dreieinhalb Stunden nach Beginn halten Stadt und Feuerwehr eine Pressekonferenz. Jeder tut so als ob – das Szenario wird nochmal vorgestellt. Wie akribisch die Übung geplant wurde, zeigt sich als ein Mann in den Zuschauer-Reihen aufsteht und laut herumbrüllt. Der Eppinger Polizeirevier-Leiter Bernd Walter befördert den Komparsen-Querulanten nach draußen. Dann ist das Extrem-Training zu Ende.

Die Übung sei nicht sehr gut aber gut verlaufen, resümiert Feuerwehr-Chef Blösch. Die Problematik des extremen Funkverkehrs werde man angehen. "Das ist einfach ein Flaschenhals", gibt er zu. Eine Frau vom Rot-Kreuz-Team moniert, medizinisches Equipment habe sie erst viel zu spät erreicht. Oberbürgermeister Hollaschke hakt ein. "Wir sammeln das." Jede beteiligte Hilfskraft und jeder Beobachter muss nun einen Fragebogen ausfüllen. Nach dessen Auswertung habe man einen genauen Überblick, was gut lief und was nicht. "Unsere Pläne sind aber alle aufgegangen", meint Blösch.

Thomas Maier, Leiter der Abteilung Sicherheit und Ordnung im Landkreis lobt das Pilotprojekt in Eppingen. "Hier wurden zum ersten Mal Notfalltreffpunkte trainiert. Die Erfahrungen zeigen, wie wichtig solche Trainings sind." Während der Übung lösten Warn-Apps aus, um die Bevölkerung zu informieren. "Das fällt bei Stromausfall auch flach", so Maier. "Das Handynetz geht ja nicht." Das Geprobte treffe den Nerv der Bevölkerung und zeige, was alles plötzlich nicht mehr funktioniere.

Dass nicht alles auf Anhieb klappen könne, findet auch DRK-Katastrophenschutzbeauftragter René Rossow: "Wir leben in einer Vollkasko-Mentalität, aber erst durch solche Trainings können wir Schlüsse ziehen und sind dann gut aufgestellt." Ein tagfüllendes Szenario, komprimiert auf vier Stunden und beobachtet vom Regierungspräsidium Stuttgart. Die anwesende Übungs-Beobachterin ist zurückhaltend und routiniert. "Von uns gibt es beide Daumen hoch nach Eppingen." Sie erntet Applaus und Nicken. Jetzt müsse einfach viel geredet werden, sagt Thomas Blösch.

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