"Es geht um die Zukunft des Ortes"
Gemeinderat beschäftigte sich mit Einwohnerentwicklung und Wohnflächenbedarf - Große Mehrheit für neue Bauflächen

Von Ralf März
Angelbachtal. Braucht die Gemeinde zusätzliches Bauland am Ortsrand, um längerfristig ein Schrumpfen der Einwohnerzahl zu vermeiden? Dies war eine der zentralen Fragen, mit der sich der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung im Jahr beschäftigte und vor gut gefüllten Zuhörerrängen heiß debattierte. Eine große Mehrheit sprach sich letztendlich für neue Bauflächen aus.
Zunächst ging es nur darum, einen Einblick in die Bevölkerungsentwicklung von Angelbachtal zu gewinnen und diesen Sachvortrag in eine Bürgerversammlung zu verweisen. Hauptamtsleiter Diethelm Brecht stellte anhand einer Präsentation, untermauert von vielen statistischen Zahlen, die Einwohnerentwicklung der Gemeinde dar: Trotz verschiedener Baugebiete, die in den letzten Jahren ausgewiesen und bebaut wurden, habe Angelbachtal 2019 nur 59 Einwohner mehr als im Jahr 2008. Rund 60 der Einwohner seien Flüchtlinge.
Aufwändig ausgewertet hatte die Verwaltung den Zuzug in die Neubaugebiete seit dem Jahr 2000 und auch den Zuzug in Gebäude, die innerhalb des Ortes durch Umnutzung oder auf Freiflächen entstanden waren. "Ohne Baugebiete hätten wir heute insgesamt 880 Einwohner weniger", erklärte der Hauptamtsleiter. Mit den Neubaugebieten wurde die Einwohnerzahl lediglich gehalten.
Auch auf die Gründe ging Brecht ein: Berufsanfänger und Studierende verlassen die Gemeinde, viele Gebäude werden bei erhöhtem Durchschnittsalter nur noch von einer Person bewohnt. Dies wurde beim beispielhaften Blick auf das 40 bis 50 Jahre alte Baugebiet "Mittelbach" in Eichtersheim deutlich, in dem Brecht alle Gebäude eingefärbt hatte, in der nur noch eine Person gemeldet ist.
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Auch die Auswirkungen hinterfragte der Hauptamtsleiter: Behalten wir zwei Hausärzte, Apotheken, Banken? Haben Verbrauchermärkte und Bäckereien noch ausreichend Frequenz? Werden die Vereine geschwächt? Kann weiterhin eine Ganztagsgrundschule und Kernzeitbetreuung angeboten werden? Gefährdet sei außerdem der Standort der Werkrealschule. "Ich hätte diese Entwicklung nicht erwartet", erklärte Bürgermeister Frank Werner mit Blick auf die lediglich gleichbleibende Bevölkerungsanzahl trotz Neubaugebieten.
Offen blieb die Anzahl der unbebauten Flächen im Ort, die Gemeinderat Karl Kern hinterfragte. Diese wolle man ermitteln. Fakt sei aber, dass sich diese im Privateigentum befänden und nicht am Markt angeboten würden, erklärte der Bürgermeister.
Die große Ratsmehrheit teilte in der folgenden Diskussion die Auffassung der Verwaltung, dass nur durch Schaffung von neuen Bauflächen am Ortsrand ein Schrumpfen der Bevölkerungszahl verhindert werden könne. Hubert Mildenberger sprach gar von einer "Erosion" die einsetzen könne, wenn die Bevölkerungszahl schrumpfe. Die könne man später nicht mehr aufhalten, erklärte er und verwies auf die "dörfliche Idylle" in Eichelberg und vielen anderen umliegenden Gemeinden: Einkaufsmöglichkeiten und andere Versorgungseinrichtungen gäbe es dort kaum noch.
"Wir brauchen nicht mehr über Kinderbetreuung oder Vereinsförderung reden", gab Lukas Del Monego zu bedenken, wenn man nicht gegensteuere. Woher die zündende Idee für eine ausreichende Innenentwicklung in den kommenden Monaten herkommen solle, fragte er mit Blick auf die Ausführungen der GAL-Gemeinderäte Jürgen Fels und Heimo Linse, die auf wenigbewohnte Gebiete und die noch fehlende Mitwirkung der Bevölkerung eingegangen waren.
"Wir sind verdammt spät dran", erklärte Roland Lang mit Blick auf die Verfahrensdauer für neue Bauflächen. Markus Haaß erinnerte daran, als Gemeinderat verantwortlich handeln zu müssen: für die Natur aber auch für die Ortsgemeinschaft und für das Dorf. Dies unterstrich zuvor auch Werner Müller: "Es geht um die Zukunft des Ortes."
Jürgen Fels ging es dagegen deutlich zu schnell: Mit Blick auf die weiteren Entscheidungen über Bebauungsplanverfahren sprach er von "hoppla di hopp" und dem Gefühl "wir werden über den Tisch gezogen". Er erkenne keine Bürgerbeteiligung im Verfahren und forderte einen übergeordneten Plan. Sein späterer Versuch, per Antrag eine Entscheidung über den Tagesordnungspunkt zu vertagen, scheiterte: Da lediglich die Statistik vorgestellt werden sollte, sei keine Beschlussfassung vorgesehen, erklärte der Bürgermeister.
Im nächsten Punkt wurde das Thema in eine Bürgerversammlung, die am 23. Januar stattfinden soll, verwiesen. Dies geschah einstimmig. Über den weiteren Sitzungsverlauf und die möglichen Neubaugebiete berichten wir noch.