Besser als jeder Geschichtsunterricht
Seminarkurs der Max-Weber-Schule beschäftigte sich mit der ehemaligen Synagoge und lud zur Besichtigung ein

Von Berthold Jürriens
Neidenstein. Ein Bild mit Symbolcharakter: Schülerin und Muslima Saliha Sahin unterhält sich mit interessierten Besuchern vor der ehemaligen Synagoge über die jüdische Vergangenheit im Burgdorf. "Nein, bei uns zu Hause ist weder das Judentum noch Israel irgendwie ein Thema", antwortet sie auf mögliche Streitkultur im familiären Rahmen. Und ja, das "Nie wieder" in Bezug auf die Nazi-Herrschaft und die Judenverfolgung könne man nicht oft genug sagen. Darin seien sich alle einig.
Die Schülerin der 12. Klasse an der Sinsheimer Max-Weber-Schule (MWS) hatte gemeinsam mit ihrer Mitschülerin Lena Paschke und ihren Mitschülern Kevin Lima Santos und Ilija Bernauer einen Seminarkurs über das ehemalige jüdische Gotteshaus und weitere Themen zur jüdischen Vergangenheit vorbereitet. Dieser handelte einerseits von der Judenverfolgung, vom Verhältnis zwischen den Juden und den Christen, aber auch von Albert Einstein und Immanuel Kant sowie von dem jüdischen Leben im Ort selbst.
Das kam auch bei den Besuchern gut an, die es "toll finden, dass junge Menschen mit solchen Aktionen zeigen, was eine mögliche Gedenkstätte als zukünftiger Erinnerungs- und Lernort bewirken kann." Denn die Generation derer, die die Shoa überlebt haben und als Zeitzeugen das Erlebte weitergeben könnten, werde immer kleiner.

Am vergangenen Freitag präsentierten die Projektteilnehmer einige Ergebnisse, luden interessierte Besucher zur Besichtigung der ehemaligen Synagoge und zu Gesprächen ein. "Wir sind ja eine ,Schule ohne Rassismus – Schule ohne Gewalt‘ und haben aus diesem Grund das Thema Antisemitismus in unserer Arbeit größer gestaltet. Zusätzlich möchten wir damit auch auf die ehemalige Synagoge aufmerksam machen", erzählten die jungen Erwachsenen, die vorher weder von der Existenz dieses Gebäudes noch von der früheren großen jüdischen Gemeinde in Neidenstein wussten. Beeindruckt zeigten sie sich von dem "Denkmal", das man "berühren" und somit "Geschichte lebendig erfahren kann." Exkursionen zu derartigen historischen Gebäuden und dabei die regionale Geschichte selbst entdecken sei wertvoller und lehrreicher als jede Geschichtsstunde in der Schule, so ihr Fazit.
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Tamara Hackl, Lehrerin für Geschichte und Ethik an der MWS, hatte den Schülern den "Tipp" gegeben. "Und ich muss sagen, dass ich von dem selbstständigen Arbeiten positiv überrascht bin. Das Engagement war groß", lobte sie den Seminarkurs beim Besuch vor Ort.
Auch Karin Schäfer, die sich im Verein "Fördergemeinschaft Ehemalige Synagoge Neidenstein" unter anderem für die Kooperation mit Schulen und anderen Bildungseinrichtungen verantwortlich zeigt, war voll des Lobes für das Projekt. "Wir möchten hier dauerhaft junge Menschen über die jüdische Kultur und Religion informieren und über das frühere friedliche Zusammenleben von Juden und Christen in Neidenstein", sagte Schäfer, die mit Vereinsmitglied Ilse Haas und dem Vorsitzenden Peter-Paul Ophey vor allem bei Detailfragen rund um die Synagoge zur Stelle war. Hilfreich war auch ein Modell des Burgdorfes und der Synagoge, das nochmals die mögliche architektonische Zukunft des historischen Gebäudes, das jahrzehntelang als Scheune genutzt wurde, aufzeigte.
Einige interessierte Gäste waren gezielt an diesem Nachmittag zur Besichtigung ins Burgdorf gekommen, während sich ein Ehepaar, das sich an diesem Tag zufällig auf Wanderschaft nach Neidenstein begeben hatte, über die unerwarteten historischen Erkenntnisse und die Besichtigung der ehemaligen Synagoge freute. Diese hätten sie aufgrund ihres "Erscheinungsbildes" wahrscheinlich niemals im Kirchgraben gefunden beziehungsweise nicht beachtet. Das soll zukünftig durch zwei bunte Wegweiser geändert werden, die ebenfalls vom Schülerquartett angefertigt wurden und die in Kürze in Absprache mit dem Rathaus im Ort angebracht werden sollen.