"Bis ihr handelt, streiken wir"
In Eppingen und Bad Rappenau gingen bei Protesten für mehr Klimaschutz rund 100 Menschen auf die Straße

Von Armin Guzy und Falk-Stéphane Dezort
Eppingen/Bad Rappenau. "Es ist wichtig, dass der Protest nicht in der Großstadt bleibt." Till weiß genau, warum er hier ist, warum er Parolen-rufend durch Eppingen läuft. Er ist sich sicher, dass es richtig und wichtig ist. Mit gut einem Dutzend Mitstreitern bildet Till das Organisationsteam der "Fridays for Future"-Bewegung in Eppingen, die gestern rund 70 Mitstreiter aktiviert hat, um beim vierten weltweiten Streik für die Rettung des Klimas Flagge zu zeigen. Und auch die Kurstadt Bad Rappenau war eine unter deutschlandweit mehr als 500 Städten und Gemeinden, in denen nicht nur junge Menschen konsequenteres und schnelleres Handeln im Kampf gegen die Erderwärmung forderten.
Mit einem skandierten "Weg, weg, weg mit der Kohle" oder einem "Deutsche Autos sind zu dick, SUV fahr’n ist nicht chic" machten die Teilnehmer des Protestzugs durch die Eppinger Altstadt ihre Haltung und ihre Forderungen lautstark deutlich. Trillerpfeifen, Megafone und Kuhglocken sorgten ebenfalls dafür, dass die meisten der allerdings eher wenigen Passanten stehen blieben und sich auch die Fenster einiger Häuser öffneten.

Sie wollen gehört, aber nicht belächelt werden. "Es muss endlich eine breite Diskussion aufkommen", sagt ein älterer Teilnehmer, und auch Till weiß, dass noch vieles vor ihnen liegt und wohl nicht alle bis zum Ende durchhalten werden. "Das kostet Zeit und Kraft", sagt der junge Mann, der vor Kurzem die Schule abgeschlossen hat und bedauert, dass im Orga-Team immer weniger Schüler sind. Denn damit schwindet der Einfluss auf die Altersgenossen.
Jetzt, ein Jahr nach den ersten großen Streiks, klinge der "Hype" langsam ab. Über Soziale Medien und mit Plakaten, aber auch mit einer selbst organisierten Rock-Party im Jugendhaus versuchen die Eppinger Aktivisten, den Schwund zu begrenzen und neue Mitstreiter zu gewinnen. Dass die Bewegung aber längst nicht mehr auf die Jugend begrenzt ist, auch das zeigt sich gestern im Regengrau der Fachwerkstadt.
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In der Kirchgasse legt der Tross einen Zwischenstopp ein. Carsten Eckstein, der Eigentümer eines der historischen Gebäude hier, greift zum Mikrofon und thematisiert das Spannungsverhältnis zwischen Denkmal- und Klimaschutz. Dieses entsteht seiner Meinung nach durch zu strenge Vorgaben bei der energetischen Sanierung geschützter Gebäude. Außerdem macht er den Demo-Teilnehmern Mut, fordert sie zu weiteren Protestmärschen auf: "Es passiert nichts, solange man nur E-Mails schreibt oder vor Facebook sitzt."
Neben einigen langjährigen örtlichen Natur- und Umweltschutz-Aktivisten, den Grünenstadträten Brigitte Hilker und Peter Wieser hat sich auch SPD-Ortsverbands-Chef Werner Förster eingereiht. "Das muss man unterstützen", sagt er, "Das ist doch die letzte Chance. Wenn die Jugend das nicht macht ..."
Beim Abschluss auf dem Ludwigsplatz sprechen auch zwei Vertreter des BUND Zabergäu, reden vom "Diktat der Wirtschaft" auf das Regierungshandeln und von der immer länger werdenden Liste bedrohter Arten. Alles bleibt friedlich, Polizei und Ordnungsamt bleiben Statisten. Aber die Ankündigung der Eppinger Klimaschutz-Streikenden ist deutlich: "Bis ihr handelt, streiken wir!"
Zu keinem Streik, sondern zu einer ersten Kundgebung dieser Art wurde hingegen in Bad Rappenau eingeladen. Rund 30 Interessierte, vorwiegend ältere Erwachsene, darunter auch Gemeinderäte von SPD, Freien Wählern und Grünen sowie Vertreter von "Die Partie" waren auf den Marktplatz vor dem Rathaus gekommen. Ans Mikrofon trat der Neu-Gemeinderat der Grünen, Dr. Lars Schubert. "Es ist Zeit, dass etwas in Bewegung kommt und Bad Rappenau aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wird." Er wolle nicht in die Rolle des Spielverderbers treten, sondern sterbende Wälder und steigende Temperaturen seien Sachen, die beunruhigen sollten. Die Kundgebung verstand er weniger als "politische Stimmungsmache", sondern vielmehr sollte man die Fakten ansprechen und sich damit auseinandersetzen. "Es ist traurig, dass wir uns von unseren Kindern die Augen öffnen lassen müssen. Wir können die Verantwortung nicht auf die nächste Generation abwälzen."
Für Schubert werde zu wenig für den Klimaschutz getan und nicht ausreichend Geld investiert. "Mit Almosen wird es nicht reichen. Wir brauchen eine Klimasteuer." Zudem müsse man auch auf kommunaler Ebene deutlich mehr Geld in ein konkretes System stecken, Maßnahmen dürften "auch mal viel Geld kosten". Gespart werden solle an anderer Stelle, beispielsweise beim Lichterfest oder bei den Spielplätzen – Bad Rappenau investierte in den letzten zwei Jahren 300.000 Euro in solche Anlagen.
Mit der Kundgebung, mit deren Resonanz Schubert sehr zufrieden war, wolle man die Möglichkeit zum Austausch bieten, eine Netzwerkarbeit aufbauen und Themen ansprechen, die Bad Rappenau konkret betreffen.