Zwei Geschwister tun es Greta Thunberg gleich
Jakob und Dorothea Tsantilis standen dem Wilhelmi-Gymnasium - Regionalgruppe gegründet

Jakob und Dorothea Tsantilis (von rechts) demonstrierten gestern vor dem Wilhelmi-Gymnasium und in der Stadt. Foto: B. Jürriens
Von Berthold Jürriens
Sinsheim. Etwas verschlafen wirken die meisten Schülerinnen und Schüler noch, die am Freitagmorgen kurz nach sieben Uhr den Weg über den Pausenhof des Wilhelmi-Gymnasiums (WHG) einschlagen. Der eine oder andere wirft einen kurzen Blick auf die beiden blauen Plakate, die von Jakob und Dorothea Tsantilis hochgehalten werden, und geht unbeirrt weiter.
Andere bleiben kurz stehen, um die Aufschriften "Kohle? Nein danke, die muss ins Museum" und "System-change instead of climate change" lesen zu können. Eine Lehrerin sucht das Gespräch. Sie findet es "super, dass sich Schüler jetzt auch aktiv in Sinsheim für ,Fridays for Future’ engagieren".
Auch einige Flyer, auf denen sich der Aufruf "Streike für deine Zukunft" und die Kontaktmöglichkeit zur Regionalgruppe befinden, kann Jakob unter die Leute bringen. Der Siebtklässler des WHG und seine Schwester, die die sechste Klasse am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium besucht, sind so etwas wie die Greta Thunbergs in Sinsheim.
Denn so ähnlich wie Jakob und Dorothea an diesem noch kühlen Vormittag musste sich am 20. August 2018 auch die 16-jährige schwedische Klimaaktivistin gefühlt haben, als sie sich erstmals mit ihrem "Schulstreik fürs Klima"-Schild vors schwedische Parlament gesetzt und eher ungläubiges Staunen geerntet hatte.
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"Unser Ziel ist eine Demonstration hier in Sinsheim für besseren Klimaschutz", sagt Jakob mit fester Stimme. Die Kinder und Jugendlichen müssten ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen und den Klimaschutz vorantreiben. "Fridays For Future" sei wichtig für ihn und seine Schwester, die in Heidelberg bereits an einer Demo teilgenommen hat.
Während in der Familie Nachhaltigkeit und Klimawandel ein ständiges Thema sei, vermisse er diese Gespräche mit anderen Schülern und Freunden. "Einige haben daran kein Interesse oder verstehen es einfach nicht", vermutet Jakob. Auch jetzt hätten sich die beiden Klimaschutz-Aktivisten gewünscht, dass der eine oder andere sich zu ihnen stellt und gemeinsam mit ihnen demonstriert.
Mut machen ihnen ihre Mutter Yushka Brand und Eric van Uden. Die beiden solidarisieren sich als "Parents for Future" mit der "Fridays For Future" Bewegung, begleiten sie an ihrem ersten "Streiktag" und haben die Regionalgruppe, die aktuell rund 30 Mitglieder habe, mit ins Leben gerufen. "Wir unterstützen die jungen Menschen in ihrem tollen Einsatz für einen ambitionierten Klimaschutz in Deutschland und weltweit."
Dass Brands Kinder dabei den Unterricht verpassen, sei für sie kein Problem. "Ich habe entsprechende Entschuldigungen geschrieben." Auch van Uden sieht den Schulstreik, wie viele andere Befürworter der Klimaschutzbewegung, als notwendiges Mittel. Er finde das Zitat "Es muss wehtun, um gehört zu werden", das vor Kurzem in einem RNZ-Artikel über das Schreiben des Kultusministeriums zum Thema "Fridays for Future" zu lesen war, sehr passend.
Und nicht nur Europawahl sei Klimawahl, sagt van Uden. "Auch Kommunalwahlen sind Klimawahlen. Immerhin hat Konstanz als erste Stadt in Deutschland den Klimanotstand ausgerufen. Das wäre auch für Sinsheim eine tolle Idee." Nicht nur reden, sondern auch handeln, das Energiesystem und ihren Lebensstil grundlegend ändern, das erwarten Jakob und Dorothea, vor allem von der Politik. Diese mache viel zu wenig für Klimaschutz und handle damit unverantwortlich, insbesondere gegenüber jungen Menschen.
Auch vor das Alte Rathaus stellen sich die beiden jungen Aktivisten, halten ihre Schilder, aber bekommen nur wenig Aufmerksamkeit. Kurzerhand wird die Fußgängerampel von Jakob regelmäßig gedrückt: Mit den Plakaten überquert er die Straße und informiert dabei die wartenden Autofahrer. "Super Idee", rufen ihre erwachsenen Begleiter, die sich aber gleichzeitig Gedanken um die Abgase der stehenden Fahrzeuge machen.
Und wovor hat Jakob am meisten Angst? "Dass wir bei unserem Protest alleine bleiben und keiner mitmacht, um den Klimaschutz zu verbessern." Aufhören mit der Demonstration werden sie aber auf keinen Fall, versichert Jakob. Alleine sind die beiden am Freitag aber dennoch nicht. In über 72 Ländern und über 725 Orten wird für eine erhebliche Intensivierung der Klimaschutzbemühungen weltweit demonstriert.