Der Mobilitätspakt ist dem ADFC zu rückwärtsgewandt
Der Fahrrad-Club kritisiert fehlende Projekte für umweltfreundliche Verkehrsmittel. Der Fußverkehr steht im Fokus.

Wiesloch/Walldorf. (tt) Den Neu- und Ausbau von Straßen stoppen, dem Schienen- und Fahrradverkehr Vorrang einräumen: Mit diesen Forderungen für den Mobilitätspakt Wiesloch/Walldorf hat sich vor Kurzem der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) an Verkehrsminister Winfried Hermann gewandt. Die Ortsgruppe Wiesloch/Walldorf des ADFC kritisiert darin, dass die bislang für die Region geplanten Projekte sowohl den Umwelt- und Mobilitätszielen des Landes als auch den zahlreichen Wünschen aus dem Beteiligungsverfahren zuwiderlaufen.
"Wäre es das alleinige Ziel des Mobilitätspaktes, die möglichst reibungslose Anfahrt ins Gewerbegebiet Walldorf/Wiesloch mit dem eignen PKW sicherzustellen, und schrieben wir das Jahr 1970, dann könnte man die Beteiligten für die bislang erarbeiteten Maßnahmen beglückwünschen", schreiben Britta und Daniel Niehoff im Namen des ADFC-Ortsvorstandes. Im Jahr 2021 wirkten die einschneidendsten und kostspieligsten Maßnahmen – der vierspurige Ausbau der B3, der Ausbau der L723 zwischen der A6 und Walldorf sowie die Ortsumgehung für Altwiesloch – nicht nur rückwärtsgewandt, sonder gerade zu zynisch, so der ADFC. "Sie versprechen kurzfristig eine Entlastung der angespannten Verkehrssituation, führen mittelfristig aber zu mehr motorisiertem Individualverkehr und erzeugen keinerlei Anreiz zum Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel", so der ADFC.
Die für den umweltfreundlichen Verkehr geplanten Projekte dürften laut Fahrrad-Verband an der einen oder anderen Stelle das Fortkommen derer erleichtern, die schon heute ihren Arbeitsweg mit Bus, Bahn, Rad und zu Fuß bestritten: "Keinesfalls sind sie aber ein wirksames Angebot an die Gesamtbevölkerung, das eigene Auto im Alltag stehen zu lassen", ist der ADFC überzeugt.
"Das Maßnahmenpaket verkennt völlig den immensen Nachholbedarf, der nach Jahrzehnten autozentrierter Verkehrspolitik besteht", schreiben Britta und Daniel Niehoff. So würde der Ausbau der B3 geplant, obwohl sich der Verkehr durch eine Straßenbahnverbindung und einen Radschnellweg zwischen Wiesloch und Heidelberg reduzieren lasse.
"Die Planungen für die Radschnellverbindung kommen seit zwei Jahren keinen Schritt voran", ärgern sich die Fahrrad-Aktivisten. Nur in Wiesloch gebe es einen positiven Gemeinderatsbeschluss. "Das größte Potenzial zur Reduktion des KFZ-Verkehrs durch verbesserte Fahrradinfrastruktur liegt im innerstädtischen Bereich und bei den Wegen zwischen benachbarten Kommunen", so der ADFC. Dieses Potenzial klammere der Mobilitätspakt aber mit Verweis auf geplante Radverkehrskonzepte in Wiesloch und Walldorf weitgehend aus. Diese Konzepte seien in Walldorf erst im Oktober 2020 und in Wiesloch noch gar nicht in Auftrag gegeben worden. Zudem seien weder Wiesloch noch Walldorf bisher Mitglied der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen geworden, obwohl dies im Mobilitätspakt festgeschrieben worden sei. "Eine eigentliche Zertifizierung als fahrradfreundliche Kommune, geknüpft an verbindliche Qualitätskriterien für den Radverkehr, wurde noch nicht einmal in Aussicht gestellt", so der ADFC.
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"Dass der Mobilitätspakt zukünftig einen stärkeren Fokus auf die kommunale Förderung des Rad- und Fußverkehrs legen muss, haben die Partner erkannt", schreibt Andreas Hollatz, Abteilungsleiter Straßenverkehr im Verkehrsministerium, im Namen des Ministers an den ADFC. Weil das Verkehrsministerium gemeinsam mit den Partnern weiter voran kommen wolle, habe man zu Beginn des Jahres einen Unterarbeitskreis Fußverkehr ins Leben gerufen, der sich mit den Belangen von Fußgängern in den Städten befassen soll.
Zur ADFC-Kritik an der Wiederaufnahme der Ortsumgehung Altwiesloch in den Generalverkehrsplan schreibt Hollatz: "Alle Maßnahmen im Mobilitätspakt werden nach den aktuell gültigen Regelwerken geplant, gebaut oder saniert." Grundlage hierfür bilden die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und des möglichst sparsamen Umgangs mit Ressourcen." Gleichzeitig wird im Rahmen der Aufgabenverantwortung immer auch geprüft, in welchem Maße Anwohnerinnen und Anwohner von Maßnahmen betroffen sind und wie Maßnahmen zum Schutz vor Lärm und Luftschadstoffen beitragen können", so Hollatz.
Gleichzeitig verweist er darauf, dass sich im Mobilitätspakt alle Akteure verpflichtet hätten, Projekte in ihrer jeweiligen Zuständigkeit voranzutreiben. Zwar gewähre das Land Unterstützung zu Fördermöglichkeiten von Projekten, gleichwohl erfolge die Beantragung der Mittel immer durch die regionalen Partner selbst.