Wieslocher Waldkindergarten: Die Natur als Spielzimmer
Der Waldkindergarten am Rande des Dämmelwalds hat sich bewährt - 20 Kinder werden hier inzwischen betreut

Das Haus dient als Refugium, um sich bei schlechten Witterungsbedingungen zurückziehen zu können. Das, so versichern die Sozialpädagogen Ursula Hufnagel und Matthias Reinhard im Gespräch mit der RNZ, kommt äußerst selten vor. "Am liebsten sind wir draußen in der Natur und für die Kinder ist die eine oder andere Pfütze ideal, um sich richtig auszutoben", meint Reinhard. Beide Erzieher gehören dem Walldorfer Verein "Zipfelmützen" an, der den Waldkindergarten betreibt und in der Astorstadt bereits seit 2006 Erfahrungen mit einem ähnlichen Projekt gesammelt hat.
Seit März des Vorjahrs ist die von manchen als "Luxuskindergarten" bezeichnete Einrichtung nunmehr als Alternative zu den traditionellen Kinderkrippen im Angebot. "Wir hatten viele Nachfragen, denn unsere Philosophie unterscheidet sich doch deutlich von herkömmlichen Konzepten", erzählt Reinhard. Gruppenverhalten, Singen, Sozialverhalten und natürlich viel Bewegung stehen im Mittelpunkt des Tagesablaufs. "Unser Luxus besteht darin, dass wir eine deutlich personalintensivere Betreuung anbieten können", betont Ursula Hufnagel. Sich in der freien Natur zu bewegen, draußen spielen, aber auch Verantwortung für die Einrichtung zu übernehmen, sind die Hauptmerkmale. Man kommt ohne klassisches Spielzeug aus, vielmehr wird viel mit Holz gearbeitet, ein eigener, kleiner Garten wurde angelegt, ein Grillplatz errichtet und eigenes Gemüse angepflanzt. "Das verarbeiten wir dann auch. Die Kartoffeln werden gebraten, die Kinder sorgen selbst für die Pflege der Beete und so können wir schon zu einem frühen Zeitpunkt Eigenverantwortung auf spielerische Weise fördern", meint Reinhard, der hin und wieder auch zur Gitarre greift und zum Mitsingen animiert. Das jedoch nur dann, wenn draußen "nichts mehr geht".
Meist trotzen die Kinder der Witterung. "Die obligatorischen Pfützen, ein wenig Matsch, und wenn dann noch die Sonne hin und wieder hinter den Wolken hervorschaut, sind das die idealen Bedingungen für die Kinder", erzählen die Sozialpädagogen, die noch von einer jungen Dame, die ihr Freiwilliges Soziales Jahr ableistet, unterstützt werden.
Hinter dem Blockhaus wurde im Verlauf der zurückliegenden Monate kräftig gewerkelt, so beispielsweise ein Kletterbaum errichtet und ein "Morgen-Kreis" gebaut, in dem sich die Kinder täglich mit den Betreuern absprechen, wie denn der genaue Ablauf des Tages aussehen könnte. Manchmal schaut vorsichtig ein Reh um die Ecke, im Dämmelwald hat man schon so manchen Fuchs gesichtet und auch Spuren von Wildschweinen gefunden. Treffen mit dem Jäger stehen auf dem Programm, Bäume werden vermessen und Futterstellen für Tiere angelegt. "Aus unserer Sicht lernen die Kinder hier sehr früh, eigenständig zu agieren, aber sich auch den jeweiligen Gruppen anzupassen", lautet das positive Fazit der Erzieher.
Gelegentlich schauen Spaziergänger, Jogger und Radfahrer vorbei. Die Eltern sind in der Eingewöhnungsphase ihrer Kinder mit dabei. Man wolle "behutsam auf die neue Situation" einwirken und das hat sich bestens bewährt. "Die Kinder sind sprachlich schon sehr weit, haben aufgrund der Abläufe eine hohe soziale Kompetenz, agieren selbstständig und ordnen sich doch auch unter - ohne dass dies unter Zwang geschieht", sind Ursula Hufnagel und Matthias Reinhard, die beide schon viele Jahre als Erzieher tätig sind, überzeugt. Das Mittagessen wird übrigens nicht vor Ort zubereitet, sondern in Walldorf gekocht und dann angeliefert.
Gelobt wurde auch die Kooperation mit der Stadt Wiesloch. Rund 30.000 Euro waren bereitgestellt worden, inklusive einer Erstausstattung. Die jährlichen Kosten des Waldkindergartens belaufen sich auf etwa 110.000 Euro, nach einem Umlageschlüssel entfallen dabei 63 Prozent aufs Stadtsäckel. Angemeldet werden können Kinder aus ganz Wiesloch und auch aus der Umgebung, jedoch hat der Nachwuchs aus der Weinstadt Priorität.
Info: Nähere Informationen unter www.waldkindergarten-wiesloch.de und www.zipfelmuetzen-walldorf.de.



