Wieslocher Ortschaftsräte sprechen sich für Umgehungsstraße aus
Dass mehrere Varianten untersucht werden sollen, ist im Sinne von Schatthausen und Baiertal

Von Hans-Dieter Siegfried
Schatthausen/Baiertal. Breite Zustimmung gab es in den Sitzungen der Ortschaftsräte in Schatthausen und Baiertal für die in der Vorwoche getroffene Entscheidung des Wieslocher Gemeinderats, gemeinsam mit Dielheim einen erneuten Vorstoß in Sachen Umgehungsstraße zu unternehmen (die RNZ berichtete). Dafür ist eine Wiederaufnahme des Projektes in den Generalverkehrsplan des Landes Baden-Württemberg notwendig. Insbesondere wurde die Ergänzung begrüßt, mehrere Varianten, die zu einer Verkehrsentlastung führen können, in die Untersuchungen miteinzubeziehen. Während in Schatthausen Ortsvorsteher Lutz Römmer nochmals die Historie der zurückliegenden Jahre aufzeigte und es über das weitere Vorgehen eine Aussprache gab, wurde im Ortschaftsrat Baiertal darüber abgestimmt. Mit einem eindeutigen Ergebnis: bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung sprach sich die große Mehrheit speziell über die Erweiterung des Antrags aus.
"Für Schatthausen und auch für Baiertal ist eine Lösung sehr wichtig", hatte sich Römmer zu dem Tagesordnungspunkt geäußert. Da die letzten Zählungen bereits viele Jahre zurücklägen, sei es nun wichtig, neue Erhebungen durchzuführen. "Zunächst geht es einmal darum, wieder in den Generalverkehrsplan aufgenommen zu werden", betonte er. Und dies bedeute nicht automatisch, dass die Straße auch tatsächlich gebaut werde. Barbara Dortans (CDU) hob hervor, man müsse nunmehr "hellwach sein", um die Verkehrssituation für Schatthausen zu optimieren. Elfriede Imbeck (SPD) zeigte sich zufrieden mit der Ergänzung, allerdings räumte sie ein, sie könne sich derzeit nicht genau vorstellen, wie die Umgehung tatsächlich aussehen könnte. "Wir müssen jetzt kurzfristige Maßnahmen einfordern, beispielsweise Geschwindigkeitsmessungen", forderte sie. In die gleiche Richtung argumentierte Rolf Hoffmann (Grüne). Kleinere Aktivitäten seien nunmehr wichtig. "Wir sollten uns um die Schatthäuser Belange kümmern", ergänzte er.
Harry Schilles (Freie Wähler) betonte, man müsse sich "an die eigene Nase fassen". Jeder sei kurzfristig gefordert, sich zu überlegen, ob man tatsächlich für jede Fahrt das eigene Auto benötige. "Wenn die Verkehrswende schrittweise vollzogen wird, brauchen wir vielleicht in 15 Jahren keine Umgehungsstraße mehr", gab er zu bedenken.
Bei der Sitzung des Ortschaftsrats Baiertal, die wegen der räumlichen Situation im Stadtteil im Wieslocher Rathaus stattfand, präsentierte Ortsvorsteher Karl-Heinz Markmann die einzelnen Verkehrsströme in der Region. Es gelte, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und alle Lösungen, die zu einer Verkehrsentlastung führen könnten, in die späteren Untersuchungen mit einfließen zu lassen. "Wir müssen den Verkehr neu strukturieren", erklärte er und verwies auf die alten Erhebungen, die er in der Sitzung präsentierte. "Wir haben veränderte Vorzeichen", berichtete Markmann mit dem Hinweis auf die gestiegene Mitarbeiterzahl bei der SAP und der Sperrung einer Nebenstrecke für Lastkraftwagen. Dadurch fließe mehr Verkehr durch Wiesloch und die Stadtteile. Er regte insbesondere an, eine Querspange, von Meckesheim kommend und unterhalb von Nußloch auf die Bundesstraße 3 einmündend, mit in die Berechnungen einzubeziehen. Es habe sich bei den zurückliegenden Zählungen erwiesen, dass der Verkehr – vom Osten kommend – nicht nur Richtung Süden abfließe, sondern auch nach Norden fahre. "Daher ist es wichtig, jetzt neue Zahlen zu erhalten", so Markmann.
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Britta Eger (Grüne) stimmte dem Anhörungsbeschluss nicht zu. "Der Gemeinderat hat doch entschieden und es mache doch keinen Sinn, jetzt seitens des Ortschaftsrats nachzuziehen. "Jede Entlastung ist gleichzeitig auch eine Belastung", befürchtete sie und bezweifelte, dass nun eine sinnvolle Variante "aus dem Hut gezaubert" werden könne. Gert Weisskirchen (SPD) hatte bereits im Gemeinderat gegen die Vorlage gestimmt. "Es war sicherlich eine schwierige Entscheidung, mich hat bisher keine der Varianten überzeugt und daher enthalte ich mich heute der Stimme". Aus seiner Sicht müsse der Verkehr entzerrt werden und er setzt dabei auf die Verkehrswende.
Update: Mittwoch, 8. Juli 2020, 17.30 Uhr
Der Gemeinderat will die Umgehungsstraße für Altwiesloch
Von Timo Teufert
Wiesloch. Gegen die Stimmen von Grünen und SPD hat eine Mehrheit im Gemeinderat am Mittwochabend die Verwaltung beauftragt, darauf hinzuwirken, dass das Land eine Umgehungsstraße für Altwiesloch in den Generalverkehrsplan aufnimmt. Während die Befürworter – Oberbürgermeister Dirk Elkemann und die 14 Räte von CDU, Freien Wählern, FDP, Altwieslocher Liste und Wählergemeinschaft Frauenweiler – einer Umgehungsstraße diese Chance nicht vergeben wollten, sahen die Gegner von Grünen und SPD bei den Bewohnern von Altwiesloch falsche Hoffnungen geweckt.
"Im städtebaulichen Entwicklungskonzept ,Insek 2030+’ ist die Umfahrung noch einmal von den Bürgern angestoßen worden", begründete Elkemann den erneuten Vorstoß. Da im Herbst der Generalverkehrsplan fortgeschrieben werde, sei die Tür jetzt offen und "wir möchten einen Fuß hineinbekommen", so Elkemann. Er will zusammen mit seinem Kollegen Thomas Glasbrenner aus Dielheim an einem Strang ziehen, um das Land von einer Umgehungsstraße für beide Orte zu überzeugen. Der Dielheimer Gemeinderat hatte am Montag bei einer Gegenstimme dafür plädiert, dem Land die Umgehungsstraße noch einmal ans Herz zu legen. "Wenn es uns nicht gelingt, ist das eine verlorene Zeit für Altwiesloch", so Elkemann.
Eine Entscheidung für eine Umgehungsstraße sei im Moment sicher nicht populär, sagte Fritz Zeier, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler. "Wir kämpfen aber nicht für Autos, sondern für eine Verkehrsentlastung in Altwiesloch", so Zeier. Man müsse unbedingt zustimmen, um keine Chance zu vergeben. "Wir haben heute die Chance, einen Fehler aus den Jahren 2012/13 zu korrigieren", sagte Markus Grimm (CDU). Seine Fraktion sei für Verbesserungen in Altwiesloch: "Die Entlastungen des Schutzgutes Mensch (Wohnen und Wohnumfeld) werden als so erheblich eingestuft, dass die zusätzlichen Belastungen der anderen Schutzgüter durch die Anlage einer Umgehungsvariante zu rechtfertigen sind", zitierte er aus der Umweltverträglichkeitsprüfung aus dem Jahr 2009. Es sei heller Wahnsinn, was in Altwiesloch los sei: "Wiesloch ist Transitstrecke in die großen Arbeitszentren – und Transitstrecke für den Schwerlastverkehr", so Grimm. Das sei keinem mehr zuzumuten.
Norbert Heneka (Altwieslocher Liste) verwies auf das integrierte Stadtentwicklungskonzept "Insek 2030+": "Die Wiederaufnahme der Planung wird von der Bevölkerung als wichtig angesehen. Die Bürger wollen eine Verkehrsentlastung", so Heneka. Die Menschen in Altwiesloch würden unter der Luft-, Feinstaub- und Lärmbelastung leiden und der tägliche Verkehrsstau wachse: "Breite Gehwege, Fahrradschutzstreifen und Nachtfahrverbote für den Schwerlastverkehr bekommen wir nur mit einer Umfahrung", ist Heneka überzeugt. "Es geht um Lebensqualität und Verkehrssicherheit. Wir müssen jetzt die Weichen stellen, bevor etwas passiert", appellierte Thorsten Krings (FDP) für den Beschluss. Wiesloch müsse die Chance nutzen, auch wenn sie noch so gering sei.
Denn die Rahmenbedingungen hätten sich im Vergleich zu den damaligen Untersuchungen geändert, meint der Baiertaler Ortsvorsteher Karl-Heinz Markmann (CDU). "Die SAP hat heute 50 Prozent mehr Mitarbeiter und weil die Strecke zwischen Leimen und Gaiberg für den Schwerverkehr gesperrt ist, fließt dieser durch Wiesloch, Baiertal und Schatthausen", sagte Markmann.
"Die Grün-Rote Landesregierung hat 2011 damit begonnen, den Landesstraßenbau auf Vernunft umzustellen", erklärte dagegen Klaus Rothenhöfer (SPD). Seither gebe es einen objektiven Kriterienkatalog, nachdem Projekte bewertet werden. "Und die Umgehung Altwiesloch ist bei diesem Ranking herausgefallen", so Rothenhöfer. Nun stünden über 100 Projekte im Generalverkehrsplan: "Welches von denen soll für die Umgehung rausgekegelt werden?", fragte der SPD-Rat. 80 Projekte lägen im Bereich zwischen zwei und vier Millionen Euro, 2011 habe man für die Wieslocher Umgehung jedoch 24 Millionen Euro kalkuliert. "Was wird die Landesregierung tun? Mehrere Gemeinden zufriedenstellen oder nur eine Gemeinde?", fragte er seine Kollegen.
Die SPD wolle deshalb keine Hoffnungen in Altwiesloch wecken, die dann wieder enttäuscht würden. "Egal, was wir beschließen, es ändert nichts am Verfahren", so Rothenhöfer. Man stimme deshalb gegen einen erneuten Antrag. "Nicht, weil wir Altwiesloch die Entlastung nicht gönnen, sondern weil wir keine realistische Chance für eine Realisierung sehen", so Rothenhöfer. So traurig es sei: Diese und die nächste Generation würden keine Umgehung bekommen.
Diese Position verstand Oberbürgermeister Elkemann nicht: "Man muss doch Hoffnung haben." Allein aus der Angst heraus, dass dem Antrag nicht stattgegeben werde, es nicht zu probieren, verstehe er nicht. "Ich denke, wir müssen den Menschen in Altwiesloch helfen", so Elkemann.
Die Umgehung habe 20 Jahre im Generalverkehrsplan des Landes gestanden, zehn Jahre davon als vordringlich, blickte Grünen-Fraktionsvorsitzender Gerhard Veits zurück. Doch in dieser Zeit habe es keine ernsthaften Untersuchungen gegeben und man habe sich nicht auf eine Trasse einigen können. Dass die Umgehungsstraße am Ende aus dem Generalverkehrsplan geflogen sei, habe einen Grund: "Die Entlastungswirkung wäre zu gering gewesen. Bei der Süd-Variante hätte es nur 30 bis 50 Prozent weniger Verkehr auf der Baiertaler Straße gegeben", so Veits. Dafür sei der viele Ziel- und Quellverkehr verantwortlich. "Die lange Strecke durch schwieriges Gelände hätte die Umgehung sehr teuer gemacht und außerdem hat sich eine Anwohnerinitiative gegen die Südumgehung gebildet", sagte Veits.
"An diesen Fakten hat sich nichts geändert, nur die Rahmenbedingungen sind anders, denn die Verkehrswende ist elementarer Bestandteil des Klimaschutzes", so Veits. Auf allen Ebenen sei der Umstieg auf die die E-Mobilität beschlossen, was Abgase und Lärm minimiere. Da sei es ein fürchterlicher Anachronismus, jetzt eine Umgehungsstraße zu fordern. "So kann man keine Politik machen", ist Veits überzeugt.