"Swingin’ WiWa" im Café Art

Ein explosives Gebräu in Walldorf

Die Band "Nitrotrigger" gastierte im Rahmen von "Swingin’ WiWa" im Café Art. Mit dabei hatte sie aufregende Musik, handgemacht und bluesig

11.04.2017 UPDATE: 12.04.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 56 Sekunden

Mit den Wurzeln im Blues kreiert die Band "Nitrotrigger" ihren ganz eigenen Sound, der das Publikum im Café Art Walldorf erst verblüffte, dann begeisterte. Foto: Pfeifer

Von Jörg Knausenberger

Walldorf. Handgemachte Musik mit Blueswurzeln in ungebändigter Form wurde im Rahmen von "Swingin’ WiWa" auf die Zuhörer im Café Art losgelassen. "Nitrotrigger" zeigte sich als raue, erdige Band, die einen völlig eigenen Sound entwickelt hat. Ohne mit der Wimper zu zucken, bereiteten die drei Musiker ein explosives musikalisches Gebräu, das sie scharf abgeschmeckt auf die verblüfften Gäste abfeuerten. "Nitrotrigger", das ist geballte Energie, die mit viel Hubraum von unten herauskommt. Der Motor läuft auf niedrigen bis mittleren Drehzahlen und zeigt mehr Wirkung als eine getunte Rennmaschine.

"Nitrotrigger" ist hervorgegangen aus der "Johnny Rieger Band". Michael Jochum (Schlagzeug, Gesang) und Johnny Rieger (Gitarre, Gesang) haben in Moritz Grenzmann einen Bassisten gefunden, der perfekt ins Bandgefüge passt und eigene Akzente setzt. Die Band spielt deutlich härter und rifflastiger als der Vorgänger, ohne dabei den selbst ernannten Heimathafen Blues zu vergessen. Im Café Art präsentierten "Nitrotrigger" elf brandneue Songs - sieben davon wurden der Öffentlichkeit zum allerersten Mal vorgestellt.

Gleich beim ersten Titel "You Are Not the One" fuhr die Band ein schweres Rhythmusgerüst auf, das zeitweise an die Band "Cactus" mit ihrem heftigen Bluesrock erinnerte. Das Publikum merkte, dass der schiebende Groove und das kompakte Zusammenspiel der Protagonisten etwas Besonderes darstellten, wurde aber noch nicht richtig warm damit, da die gängige Schublade dafür fehlte. Der Midtempo-Song "Love and Freedom" begann mit einem ungewöhnlichen Bass-Intro und wechselte zwischen ausladender Gegenrhythmik, erdig rollenden Passagen und eingängigen Soul-Einflüssen. "Anybody Out There", ein dreckiger Rock’n’Roll-Song mit Grunge-Anleihen, ging straight nach vorne und zeigte eine außerordentliche Stärke der Band - den wechselnden Lead-Gesang zwischen Johnny Rieger und Michael Jochum. Das Publikum merkte, dass es überrollt wurde wie einst die britische Bluesszene durch die Jimi-Hendrix-Offenbarung und begann "Nitrotrigger" zu feiern. Hier war eine Band am Werke, die die zeitgenössische Musik prägen möchte und dafür möglicherweise einen passenden Stempel parat hat.

Gitarrenriffs und Drumgewitter

Nach der Pause begannen "Nitrotrigger" mit einigen messerscharfen Songs. "Something of Everything" kam stampfend wie eine Lokomotive mit Southern-Rock-Elementen daher. Moritz Grenzmann steuerte unglaubliche Basslinien bei und Michael Jochum überzeugte durch intensiven Lead-Gesang. "Fire Girl" war geprägt durch eine raffinierte Rhythmik - als ob "Led Zeppelin" einen "Red Hot Chili Peppers"-Song spielen würde. Johnny Rieger zog alle Register an der Gitarre, das Publikum zeigte sich restlos begeistert. "The Truth About Me" begann balladenartig, Johnny Rieger packte all sein Feeling in den Gesang. Einem zerstörten Traum gleichend setzten plötzlich harte Gitarrenriffs und Drumgewitter ein, Michael Jochum übernahm den Gesang und Moritz Grenzmann fügte schwere Bassläufe à la Black Sabbath hinzu. Am Ende des Songs verstanden es "Nitrotrigger", die Balladenstruktur völlig aufzulösen, ohne dabei im Chaos zu enden oder wirklich schnell zu spielen.

"May Day" zeigte sich als absolut hitverdächtig. Der Song ist ein Paradebeispiel für das "Nitrotrigger"-typische Zusammenspiel zwischen Bass und Schlagzeug - ein Arrangement unterschiedlicher Betonungen mit einem unglaublichen Groove als Folge. Dazu gesellten sich Johnny Riegers schneidiges Gitarrenspiel und sein messerscharfer Gesang. Die wenigen ins Programm mitgenommenen Songs der "Johnny Rieger Band" erschienen in einem deutlich härteren, detailreichen Gewand. Als letzte Zugabe spielten "Nitrotrigger" eine Desert-Rock-Version des Jimi-Hendrix-Klassikers "Red House". Staubtrocken kam der Song als atmosphärischer Jam-Ausflug daher. Geballte Energie, Melodieverfremdung und die Erkenntnis, dass alles, was man erwartet, nicht passiert, ließen eine emotional berührte, zufriedene Zuhörerschaft zurück.

Im Herbst soll das Debüt-Album erscheinen: "Nitrotrigger" nehmen im Kangaroo-Studio von Edo und Vilko Zanki in Karlsdorf auf. Wenn die drei Musiker das, was sie im Café Art präsentiert haben, nur annähernd auf Platte bringen, dann erwartet die Musikbegeisterten ein Album wie ein Monolith. In der Bluesszene wird es polarisieren. Michael Jochum sagte im Interview, die Band habe ihre eigene, persönliche musikalische Auffassung gefunden. Es zähle nicht die Frage, wie man als Bluesband klingen muss, um gefällig zu sein. Die neuen Songs seien das Ergebnis der Intention, den Blues auf markante Art und Weise in die heutige Zeit zu übersetzen. Dabei sei man auf eine Essenz gestoßen. Es mache einen unglaublichen Spaß, die Songs live zu spielen.

Mit den Wurzeln im Blues schöpfen "Nitrotrigger" aus Bereichen wie Heavy Rock, Grunge, Soul und Funk. Trotzdem bewahrt sich die Band Authentizität und Wiedererkennungswert, die Songs kommen wie aus einem Guss. Der Schritt, den die drei Musiker gehen, ist mutig - schließlich genoss die "Johnny Rieger Band" mit einer vergleichbaren Spielweise zu Walter Trout oder Kenny Wayne Shepherd ein nennenswertes Ansehen in der deutschen Bluesszene. "Swingin’ WiWa" hat durch "Nitrotrigger" auf jeden Fall einen Farbtupfer hinzugewonnen. Man darf gespannt sein, wie sich die junge Band weiterentwickelt, und hoffen, dass "Nitrotrigger" spätestens nächstes Jahr wieder in Walldorf zu Gast sein wird.

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