Wiesloch

"Schockierende Entwicklung" beim Schuldenstand

Kämmerei stellte dem Gemeinderat erste Haushaltseckwerte für 2023 und die Folgejahre vor. Schulden von 111 Millionen?

28.10.2022 UPDATE: 28.10.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 49 Sekunden
Symbolbild: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa

Von Sebastian Lerche

Wiesloch. In den Sparanstrengungen wurde nicht nachgelassen, Steuererhöhungen stehen im Raum, trotzdem ist unterm Strich ein Minus und der Schuldenstand nimmt "eine schockierende Entwicklung". Wieslochs Haushaltsberatungen für 2023 werden sehr viel Diskussionsstoff bieten, das wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich, als Oberbürgermeister Dirk Elkemann und Kämmerer Peter Teutenberg erste Eckwerte vorstellten.

Der Kämmerer erläuterte, dass momentan bei prognostizierten Einnahmen von 81,7 Millionen und Ausgaben von über 82 Millionen Euro im Ergebnis ein Minus von rund 344.000 Euro steht. Und dabei sind die Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 360 auf 395 Prozent und jenes der Grundsteuer B von 390 auf 420 Prozent schon einberechnet. "Das macht keinen Spaß", sagte Elkemann, aber es bringe Mehreinnahmen von 1,4 Millionen Euro. Alternative Vorschläge, wie man derartige Mehreinnahmen erreiche, "sind gerne willkommen".

So wird mit rund 15,7 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer sowie 5,8 Millionen aus der Grundsteuer gerechnet, ein weiterer großer Einnahmeposten ist der Einkommenssteueranteil mit gut 19 Millionen Euro. "Wir sehen uns nicht in der Lage, weiter zu sparen", sprach Elkemann fürs Verwaltungsteam: "Der Haushalt ist ausgequetscht", trotzdem erreiche man keine schwarze Zahlen.

In den Jahren bis 2026 wurden laut Teutenberg Investitionen in Höhe von 153 Millionen Euro angemeldet: Nach eindringlichen Debatten habe man dies auf knapp 89 Millionen gesenkt, wobei im Endeffekt vieles auf spätere Jahre verschoben worden sei. Trotz allem könnte der Schuldenstand der Stadt von aktuell knapp 57 Millionen auf über 111 Millionen Euro bis Ende 2026 steigen. "Betretenes Schweigen", stellte Elkemann auf diese Prognose hin fest. "Wir müssen uns intensiv Gedanken machen, was noch möglich ist."

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In der Übersicht für die nächsten Jahre listete Teutenberg beispielsweise die Sanierung des Ottheinrich-Gymnasiums auf mit einer Rate von 500.000 Euro im nächsten Jahr, drei Millionen 2024, zehn Millionen 2025, elf Million 2026 und noch mal 9,5 Millionen 2027. Weiterhin sind für 1,5 Millionen Euro Anteile am Kindergarten im "Quartier am Bach" auf dem früheren Wellpappe-Gelände eingeplant, 470.000 Euro an Zuschüssen für den Umbau des Schlossstraßen-Kindergartens und 251.000 Euro für andere Kindertagesstätten. Die Modernisierung von Sportanlagen schlägt in Schatthausen mit 80.000 und in Baiertal mit 1,2 Millionen Euro zu Buche.

Ein Anbau am Wieslocher Feuerwehrhaus ist mit 200.000 anno 2023 und weiteren 800.000 Euro 2024 eingestellt. Der Neubau des Feuerwehrhauses der Kernstadt ist nicht vor 2032 vorgesehen und dürfte mindestens 18 Millionen Euro kosten. Für den laufenden Umbau der Unteren Hauptstraße enthält der Plan eine Million 2023 und 1,6 Millionen 2024. Die Brücke am Röhrbuckel, nahe dem Rathaus, soll im Zug der Erweiterung des Wärmenetzes (siehe Artikel oben) für 250.000 Euro saniert werden.

Für die Sanierungsarbeiten an der Stadtwingert-Anlage mit den Betonteichen unterhalb des Gerbersruhparks, die einen eigenen Tagesordnungspunkt bildete, dürften 399.000 Euro anfallen. 750.000 Euro sind für Arbeiten an der Brücke der Walldorfer Straße über die Gleise eingeplant. Die Sanierung des Schatthausener Lehrschwimmbeckens ist mit 100.000 Euro anno 2023 und in den beiden Folgejahren mit je 1,2 Millionen Euro vermerkt.

"Wir wollen keinen ,Worst Case’, wir brauchen einen ,Real Case’", hinterfragte Gerhard Veits (Grüne) einige der Zahlen und forderte realitätsnahe Haushaltsansätze. So plane der Bund Strom- und Gaspreisbremsen, wie verlässlich seien da die veranschlagten Mehrkosten für Energie? Beim Klimaschutz seien gar keine Einspareffekte berücksichtigt, obwohl LED-Leuchten oder bessere Dämmungen sich rechneten. Seine Fraktion schließe Steuererhöhungen nicht aus Prinzip aus, so Veits, aber wie kam die Kämmerei gerade auf diese Werte?

"Die Zahlen sind nicht aus der Luft gegriffen", versicherte Teutenberg. Die Kostensteigerungen für Energie habe man anhand aktueller Verträge errechnet, natürlich ohne irgendwelche Preisbremsen, über die man noch nichts sicher wisse. Elkemann wandte sich gegen den Versuch, derartige Details abzuschätzen: "Ich will nicht plötzlich ein Defizit haben, weil unvorsichtig kalkuliert wurde." Die Hebesätze, so Teutenberg, wolle man nach Vergleichen mit anderen Kommunen "vertretbar erhöhen", mehr wäre sinnvoll, "aber wir wollen nicht zu großen Druck auf die Steuerzahler ausüben".

Man diskutiere gerade unter einem "Schleier des Nichtwissens", was künftige Mehrausgaben oder Entlastungen angehe, fand Gert Weisskirchen (SPD). Aber man wisse sehr genau, welche Investitionen anstehen, "wir müssen den Mut haben, die Bürger an gewissen Stellen stärker heranzuziehen".

Michael Schindler (Freie Wähler) kritisierte Steuererhöhungen: Die befeuerten Rezession und Inflation und "treffen die, die am wenigsten haben". Der Meinung war auch Stefan Seewöster (Wählergemeinschaft Frauenweiler/Altwieslocher Liste). Klar sei auch, dass die Wirtschaft im Abschwung begriffen sei, so viele Mehreinnahmen aus dieser Steuer könne man kaum erwarten. Zudem senke Wiesloch damit seine eigene Wettbewerbsfähigkeit, das hielt Seewöster für riskant. Thorsten Krings (FDP) meinte, Wohnimmobilien zu verteuern sei "sozial nicht nachhaltig": Beim Eigenheim gehe es ja oft auch um eine Absicherung gegen Altersarmut.

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