Wiesloch

Neue Mitarbeiterinnen aus der Ukraine am PZN

Das Psychiatrische Zentrum hat die Aktion "Ukraid" gestartet und unterstützt damit die geflohenen Fachkräfte beim Neustart.

29.06.2022 UPDATE: 30.06.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 25 Sekunden
Projektkoordinatorin Sabine Said (r.) und Anna Morozov (l.) vom PZN mit den neuen Kolleginnen (v.l.) Diana Horskova, Olena Polikarpova und Maryna Astapova. Foto: Helmut Pfeifer

Von Timo Teufert

Wiesloch. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bewegt viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN). Einige Mitarbeiter haben nicht nur ein Fest organisiert, um Geldspenden zu sammeln, Geschäftsleitung und Personalrat haben zudem überlegt, wie man geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainern auch direkt in Deutschland helfen kann. Aus diesen Überlegungen entstand die Aktion "Ukraid" – ein Kofferwort, dass sich aus den Begriffen Ukraine und dem englischen Wort Aid (für Hilfe) zusammensetzt.

Damit will man den Geflüchteten den Wiedereinstieg in ihren Beruf ermöglichen: Neben einer Anstellung am PZN bekommen die neuen Mitarbeiter Sprachkurse und vielfältige weitere Unterstützung. Seit Mitte Mai arbeiten Maryna Astapova und seit Anfang Juni Diana Horskova und Olena Polikarpova im Rahmen von "Ukraid" im PZN. Die RNZ hat mit ihnen über ihre ersten Eindrücke gesprochen.

Maryna Astapova floh im März aus ihrer Heimat Kiew, zusammen mit ihrer Schwester und ihren beiden Kindern. Weil gute Bekannte der 42-Jährigen in Wiesloch leben, kam sie in die Kurpfalz. "Ich wollte arbeiten, weil ich mich nicht nutzlos fühlen will", berichtet Astapova über die Gründe für die Bewerbung beim PZN. Ihr Wunsch: sich möglichst schnell integrieren und die Sprache lernen. "Um zu verstehen, was die Menschen erzählen", wie sie sagt. In Kiew war sie Krankenschwester auf der gynäkologischen Station eines sehr großen Krankenhauses, nun ist sie auf der Station 04 für Allgemeinpsychiatrie beschäftigt. "Die Situation ist sehr, sehr schwierig. Was mir Halt gibt, ist, dass ich so warm und herzlich vom Team aufgenommen wurde", sagt sie. Die Arbeit helfe ihr dabei, nicht immer darüber nachzudenken, was zu Hause passiere. Eine Nachbarin habe ihr den Tipp gegeben, sich beim PZN zu bewerben.

Diana Horskova ist seit rund drei Monaten in Deutschland, floh vor dem Krieg hierher, weil ihr Mann, ein Boxer, gerade in Heidelberg trainierte. Für die 26-Jährige ist es bereits der zweite Neuanfang: Sie wuchs in Luhansk auf und floh 2014 vor den prorussischen Separatisten nach Charkiw. Horskova hat einen Bachelor als Krankenschwester gemacht und arbeitete in einer Privatklinik in Charkiw. Im PZN wird sie auf der Suchtstation eingesetzt. Auf die Aktion "Ukraid" wurde sie bei Instagram aufmerksam, lernt seit zwei Monaten Deutsch und wohnt im Wohnheim auf dem PZN-Gelände. "Das ist klein, aber fein und ich bin in fünf Minuten bei der Arbeit", sagt Horskova. Sie will in Deutschland durchstarten: "Es gibt nichts, was mich in der Ukraine hält. Ich will mir hier eine Zukunft und ein neues Leben aufbauen."

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Anders sieht es bei Olena Polikarpova aus, die ihren Sohn und ihren Mann in der Ukraine zurücklassen musste. Sie hat in Kiew gelebt und ist mit ihrer Tochter vor dem Krieg geflohen. Die 51-Jährige wurde im Internet auf "Ukraid" aufmerksam und arbeitet nun auf der Station 33, der Akutaufnahme. "Auf Station sind alle sehr hilfsbereit und ich bin gut aufgenommen worden", sagt Polikarpova. "Nur die Sprachbarriere zu den Patienten ist schwierig." Sie arbeitete früher in der Augenchirurgie, bevor sie sich als Optikerin in Kiew selbstständig machte.

Zunächst arbeiten alle drei als Pflegehilfskräfte und machen beispielsweise die Betten oder verteilen das Essen. "Je mehr die Sprache kommt, desto mehr kommt dann das Fachliche hinzu", erklärt Sabine Said, Projektkoordinatorin für "Ukraid" im PZN. Deshalb nehmen die neuen Mitarbeiterinnen – organisiert vom Arbeitgeber – während der Arbeitszeit an einem Online-Sprachkurs teil. "Die Sprache ist das allerwichtigste, um sich zurechtzufinden", sagt Said. Zumal in der Psychiatrie die Sprache ein wichtiges Behandlungswerkzeug sei. Mittlerweile hat sich das PZN aber auch in weiteren Bereichen verstärkt: "Eine Kollegin wurde für die IT eingestellt und eine Kollegin für die Wäscherei", berichtet Said. Weitere Bewerbungsverfahren liefen noch.

Für das PZN ist "Ukraid" in Zeiten des Fachkräftemangels eine Chance: "Wir brauchen Personal, von Ärzten über Krankenschwestern bis hin zu IT-Spezialisten", betont Said. Um in die Arbeits- und Lebenssituation herein zu finden und optimale Startbedingungen für die neuen Kolleginnen zu schaffen, unterstütze das PZN-Team, wo es geht. So wurde etwa ein Dolmetscherportal eingerichtet, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den neuen Kollegen helfen können. So wie Anna Morozov, die beim Gespräch mit der RNZ hilft, die Sprachbarriere zu überwinden.

Das PZN hilft außerdem dabei, Kindergarten- und Krippenplätze zu organisieren und hat für die neuen Mitarbeiterinnen Zimmer im Personalwohnheim frei gemacht. "Das Wohnheim nutzen wir bislang auch für Schulungsteilnehmer und bringen diese jetzt anders unter", so Said. Man versuche auch, Wohnungen in Wiesloch für die Ukrainerinnen anzumieten. "Es gibt bereits solche Wohnungen, aber wir haben Interesse an mehr", so Said. Beispielsweise für Olena Polikarpova, die bislang mit ihrer Tochter in Weingarten lebt und täglich nach Wiesloch pendelt.

"Ich habe großen Respekt vor den drei Frauen, auch vor dem Hintergrund, was sie erlebt haben", sagt Said. Umso beeindruckender sei es, wie sie die Situation meistern und den neuen Job angehen. "Alle drei haben eine Ausbildung als Krankenschwester, die bei uns jedoch nicht anerkannt wird", berichtet die Projektkoordinatorin. In den Gesundheitsberufen gebe es dafür hohe Auflagen. "Zur Sicherheit der Patienten", wie Said betont. Sie schätzt, dass es ein Jahr dauern wird, bis man eine Anerkennung zusammen angehen könne. Weil der Verdienst deshalb zunächst geringer ist, helfen Sozialarbeiter des PZN den neuen Kolleginnen auch bei Behördengängen und unterstützen zum Beispiel bei Anträgen auf Wohngeld.

Die drei Frauen sind trotzdem zufrieden mit ihrem neuen Job. Im Gegensatz zur Ukraine sei das deutsche Gesundheitssystem ganz anders, vor allem bei der Patientenbetreuung, haben sie festgestellt. "Man nimmt sich hier viel mehr Zeit für die Patienten."

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