Kleine Ideen und große Würfe für die Radler
Wieslochs Gemeinderat hat das Konzept von "VAR+" für ein schlüssigeres und sichereres Radwegenetz mehrheitlich befürwortet.

Von Sebastian Lerche
Wiesloch. Ein Auge für Details und den Willen, in großen Dimensionen zu denken, bewies das Planungsbüro "Verkehrsalternativen Radfahren und Zufußgehen" ("VAR+"), das für Wiesloch das Radverkehrskonzept erstellt hat. In der jüngsten Gemeinderatssitzung wurde der Richtung, die es vorgibt, mit 19 Ja-Stimmen und fünf Enthaltungen zugestimmt. Über die insgesamt 268 Vorschläge wird aber separat entschieden.
Radlerinnen und Radler, egal ob auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule, zu Einkauf oder Freizeitaktivitäten, brauchen mehr Sicherheit und möglichst durchgehende, intuitiv erkennbare Wegeverbindungen. Dies hatten Tobias Tengler und seine Kollegen von "VAR+" im Hinterkopf und teils langfristig gedacht.
Die Vorschläge reichen von kleineren Markierungs-Auffrischungen über neue Schutzstreifen und Wegsanierungen bis hin zu kleinen und großen Lückenschlüssen auf dem Weg zu Nachbarorten. Das Konzept konkretisiert überwiegend Projekte, die in der Wieslocher Eigenverantwortung liegen und in einem 15-Jahres-Zeitraum machbar sind. Über 8,4 Millionen Euro stehen im Raum, angenommen wird eine Förderung von 50 Prozent durch Land oder Bund, sodass der Stadt empfohlen wird, jährlich 268.000 Euro im Haushalt bereitzustellen.
Fast 200 Rückmeldungen aus der Bevölkerung wurden gesichtet, außerdem flossen Erkenntnisse aus Vor-Ort-Besichtigungen ein. Gestrüpp wegschneiden, das in die Radwege hineinragt, die Beseitigung von Buckeln und Löchern sowie verhindern, dass Radwege zugeparkt werden, sind vielfach geäußerte Hinweise. Die Fußgängerzone außer an Markttagen für Radler zu öffnen, ist ferner angedacht.
Relativ kurzfristig machbar scheinen wünschenswerte Verbesserungen bei Beschilderungen oder Fahrbahnmarkierungen, aber auch Piktogramme und Hinweispfeile ("Sharrows"), die in vielen Rückmeldungen gelobt werden. Schwieriger wird es mit neuen Schutzstreifen, für die der Autoverkehr zurückstecken müsste. Und gerade Anregungen wie maximal Tempo 30 oder sogar nur Tempo 20 stehen vielfach rechtliche Bedenken entgegen.
Noch schwieriger wird es an und auf Ortsdurchfahrten und Hauptverkehrsstraßen, für die Querungshilfen oder abgetrennte, farbig hervorgehobene Radfahrstreifen angedacht werden. "VAR+" schildert beispielsweise eine mögliche Umgestaltung der Kreuzung von Messplatz- und Ringstraße, direkt am Palatin: Dank neuen Schutzstreifen könnten Radler von Dielheim kommend sicher auf den Straßen unterwegs sein und im Bogen ums Palatin anstatt über dessen Hof fahren. Leider kann Wiesloch in diesem und vielen weiteren Fällen nicht alleine entscheiden, weil Kreis oder Land die Verantwortung für wichtige Straßen haben. Selbst das scheinbar einfache Anliegen, die Baiertaler Landmetzgerei besser erreichen zu können, müsste mit dem Kreis abgesprochen werden.
Zur Herausforderung dürfte die Rücksicht auf Menschen, die aufs Auto angewiesen sind, werden, also Maßnahmen, durch die Parkplätze entfallen und Spuren schmaler werden – oder neue "Fahrradstraßen". Laut Konzept könnte Radlern gegenüber Autos in mehreren Straßen Vorrang eingeräumt werden: Großer Stadtacker am Bahnhof, Gartenstraße, Kurpfalzstraße, Tuchbleiche und Bronner-Straße in Wiesloch, Weiherstraße in Altwiesloch, eventuell auch Südliche Zufahrt und Schillerstraße in Wiesloch oder auch Sinsheimer Straße in Baiertal, wenn dort ohnehin Sanierungen anstehen.
Die Gerbersruhstraße hätten einige Bürger wegen der Nähe zum Schulzentrum gern als Fahrradstraße, das sieht das Konzept aber "erst langfristig" vor, wie Tobias Tengler von "VAR+" erläuterte: Auch hier sollte erst eine umfassende Sanierung durchgeführt werden.
Die Bergstraße umzugestalten, "wäre sinnvoll", so Tengler, neben Piktogrammen oder Schutzstreifen wäre auch eine Einbahnstraßenregelung, die Radler nicht betrifft, denkbar. Handlungsbedarf besteht ihm zufolge wegen der Sicherheit in der Altwieslocher Straße, stark frequentiert, unübersichtlich, eine komplizierte Situation.
Dirk Elkemann freute sich, dass aus der Bürgerbeteiligung konkrete Vorschläge aufgenommen wurden, für ihn sei der vorgeschlagene Verbesserungsbedarf "absolut nachvollziehbar" geworden. Für Baiertals Ortsvorsteher Michael Glaser war das Konzept eine brauchbare Handlungsgrundlage, der Gemeinderat müsse dann aber jeweils übers konkrete Vorgehen entscheiden. Markus Grimm (CDU) fand das Konzept "sehr schlüssig" – als "erster Aufschlag". Leider habe man die Frage von Fahrradzählgeräten vertagt, mit denen man die Wirkung der Maßnahmen prüfen könnte. So wirke alles "halb fertig", daher enthalte die CDU sich. Das Konzept überzeuge, meinte Fritz Zeier (Freie Wähler), er betonte aber, dass die Radfahrer sich auch ordnungsgemäß verhalten und Rücksicht zeigen müssten.
"Sehr durchdacht", urteilte Gerhard Veits (Grüne): Die Devise "mehr Platz fürs Rad" habe "VAR+" gut umgesetzt und mit all den praxisnahen Ideen insgesamt eine "wunderbare Handreichung" geliefert. Er könne sich gut vorstellen, Mittel für den Autoverkehr umzuschichten auf die Vorhaben für Radler. Eins aber sei ihm sehr wichtig, so Veits: Die "Monsterkreuzung für Radler" von Gerbersruh-, Park- und Waldstraße, am spitzen Ende des Gerbersruhparks, müsse sicherer werden. Im Konzept meint "VAR+" dazu, dies "erfordert eine tiefer gehende Detailbetrachtung".