Haushaltsplan 2017: Mühlhausen will "Verschuldungs-Rekord" verhindern
Gemeinderat verabschiedet Haushaltsplan und mittelfristige Finanzplanung - "Ritt auf Messers Schneide"

Der Mühlhausener Haushalt verzeichnet ein geringeres Minus als letztes Jahr - trotzdem plant die Gemeinde mit einem Minus von etwa 420.000 Euro. Foto: Reinhard Lask
Mühlhausen. (seb) 1000 Euro pro Kopf wird in Mühlhausen traditionell als die Obergrenze der Verschuldung angesehen. Doch die mittelfristige Finanzplanung machte in der jüngsten Gemeinderatssitzung deutlich, dass diese Grenze überschritten wird, wenn auch nur leicht. Man war sich, als man Haushaltsplan 2017 und Finanzplanung einstimmig beschloss, auch einig, dass die prognostizierten 1088 Euro pro Kopf Ende 2020 am besten gar nicht erreicht oder möglichst zügig abgebaut werden sollen.
Doch angesichts der anstehenden Aufgaben wird das sicher nicht leicht. Das Investitionsprogramm sieht in diesem Jahr beispielsweise den Hochwasserschutz am Waldangelbach vor (2,2 Millionen Euro) und die Neuerrichtung des Bauhofs (600.000 dieses und nächstes Jahr) vor. Absehbar sind die 2018 startende Fortsetzung von Sanierung und Neugestaltung der Hauptstraße (3,2 Millionen, wobei gut 1,5 Millionen bereits bereitgestellt wurden), Umgestaltung des Rettigheimer Friedhofs (250.000, ab 2018), eine halbe Million für die Erweiterung der Gemeinschaftsschule (ab 2019), Sanierungen und Erweiterungen von Kindergärten mit Schaffung weiterer Kinderbetreuungsplätze (mindestens 2,5 Millionen mit einer ersten Rate von 100.000 anno 2018), die Erweiterung des Regenüberlaufbeckens in Rettigheim (700.000 ab 2019) sowie die Beschaffung von Ausstattung und einem Fahrzeug für die Feuerwehr (460.000 ab 2019). Auf die Zeit nach 2020 mussten - zum Bedauern der Räte - weitere Straßenreparaturen und die Kirchenvorplatzsanierung (2,1 Millionen) verschoben werden.
Dieses Jahr sind laut Rechnungsamtsleiter Helmut Bechtold nicht nur verminderte Zuweisungen und höhere Umlagezahlungen - wegen der höheren Steuerkraft vor zwei Jahren - zu verkraften, generell gestiegen sind Personal- und Unterhaltungskosten von gemeindeeigenen Liegenschaften.
Trotz der Niedrigzinsphase, dank der man kürzlich ein Darlehen umschulden konnte und statt 4,12 nur noch 0,18 Prozent zahlt, ist es laut Bechtold nicht möglich, aus der - immerhin positiven - Zuführung in den Vermögenshaushalt von über 300.000 Euro die ordentlichen Tilgungen von 482.000 Euro zu erwirtschaften. Das und die Rücklagenentnahme von 83.000 Euro stimmte die Räte nachdenklich. 2018, mit dem ersten Haushaltsplan in der doppelten Buchführung in Konten (Doppik) sind derzeit neue Kredite über 2,2 Millionen Euro vorgesehen. "Das wäre ein Rekord", so Bechtold, "aber in diesem Bereich wollen wir keine Rekorde aufstellen."
Bis Ende 2017 wird ein Schuldenanstieg auf 7,45 Millionen oder 885 Euro pro Kopf erwartet, so Bechtold. Weil einige Maßnahmen verschoben wurden, sieht die mittelfristige Finanzplanung statt 4,2 Millionen 3,3 Millionen Euro an Krediten vor. Die Tilgungsleistungen eingerechnet, steigt die Verschuldung voraussichtlich also auf 9,25 Millionen oder 1088 Euro pro Kopf Ende 2020.
Auf den Balanceakt, die Schulden in absehbarer Zeit wieder abbauen zu können, sich aber Gestaltungsspielraum zu bewahren, verwies Peter Becker (CDU). "Wir halten es für richtig, auch weiterhin in die Infrastruktur zu investieren, die avisierten Projekte umzusetzen und unsere Gemeinde für Jung und Alt attraktiv zu halten." Lob gab es für das "aktive Kreditmanagement" der Verwaltung. Becker hob wichtige, "zukunftsorientierte Projekte" hervor, darunter Investitionen in Kinderbetreuung, Hochwasserschutz, Feuerwehr, Schule und Straßen: "eine große, aber lösbare Aufgabe".
Die 2018 anstehende Umstellung auf die Doppik nahm Daniel Bender (SPD) zum Anlass, einen "Ritt auf Messers Schneide" hervorzuheben: Eine Zuführung von 308.000 Euro bei einem Umfang des Verwaltungshaushalts von 17,1 Millionen, also "nur 1,8 Prozent Überschuss", sei nicht genug. Mit der neuen Haushaltsführung werde ein Umdenken erforderlich, Werteverlust des Gemeindebesitzes und Rückstellungen für künftige Ausgaben - wie Pensionen - müssten erwirtschaftet werden, damit man nicht auf Kosten der folgenden Generationen lebe.
"Bedenklich ist für uns das mittelfristige Investitionsprogramm", so Bender: Bereits in diesem Jahr finanziere man ein Viertel der Investitionen über Kredite und Rücklagenentnahmen, 2018 steige dieser Anteil auf 58 Prozent, im Jahr drauf werde es mit 45 Prozent nur wenig besser. Während man Investitionen etwa in Bildung oder öffentliche Sicherheit uneingeschränkt unterstütze, so Bender, kritisiere man, dass der Straßenbau insgesamt "das Stiefkind der Gemeinde" bleibe, auch bei der Umstellung der Straßenbeleuchtung auf sparsame LED wünsche man sich "mehr Engagement der Verwaltung". Bender nahm die Haushaltsdebatte auch zum Anlass, auf die "massive Unzufriedenheit" der Bürger mit den neuen Busverbindungen zu sprechen zu kommen, insbesondere die schlechte Vertaktung mit der Bahn.
"Deutlich geringer als erhofft" habe sich der Handlungsspielraum erwiesen, so Bianca Dolland-Göbel (Freie Wähler), daher habe man die Ausgaben "kritisch betrachtet". Wobei die Gemeindeverwaltung "sehr schlank aufgestellt" sei, lobte sie. Auch Hochwasserschutz, Bauhofneubau oder Stärken der Kinderbetreuung als "wichtigen Standortfaktor" trage man mit. Dennoch müsse die Zurückführung der Schulen "eins unserer vorrangigen Ziele" sein. Sie regte auch an, die "Peanuts" nicht aus den Augen zu verlieren, etwa die Einsparungen dank LED-Technik, die man wiederum in die Straßenbeleuchtung investieren könne.



