Handwerker muss wegen Betrugs ins Gefängnis
Der 43-Jährige beging mehrere Betrugstaten und schaffte das Geld beiseite. Gesamtschaden von über 100.000 Euro.

Symbolfoto: Felix Kästle/dpa
Von Sophia Stoye
St. Leon-Rot/Wiesloch. Schuldig im Sinne der Anklage: Weil ein 43-jähriger Handwerker unter anderem seine Kundschaft und Lieferanten betrog und Zahlungen über das Konto seines Vaters beiseite schaffte, musste sich der Mann gemeinsam mit seinem Vater wegen Betrugs und Bankrotts, beziehungsweise Beihilfe dazu, am Donnerstag vor dem Amtsgericht Wiesloch verantworten. Nach einer Beratung von Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung wurde das Verfahren wegen Beihilfe gegen den Vater eingestellt, der Sohn und hauptsächlich Belastete gestand alle 44 Anklagepunkte vollumfänglich – und muss nun ins Gefängnis.
Nachdem er in der Vergangenheit bereits mehrfach selbstständig war, meldet der gelernte Zimmermann 2019 ein neues Handwerksunternehmen für alles rund ums Haus an. Der Firmensitz: St. Leon-Rot. Doch zahlreiche Zahlungen kommen zu spät oder bleiben aus, es folgen Mahnungen: Der 43-Jährige ist pleite, bestellt aber weiterhin Material bei Lieferanten, das er hinterher dementsprechend nicht bezahlen kann.
Genauso wenig kann der Angeklagte seine Sozialversicherungsbeiträge abführen, weshalb im Februar 2020 die Krankenkasse einen Insolvenzantrag stellt. "Die Rückstände stiegen kontinuierlich bis über 19.000 Euro", erklärte Staatsanwalt Werner Obländer bei Verlesung der Anklageschrift. Um zu prüfen, ob es sich lohnt, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen – also ob der Angeklagte noch über Geld oder Vermögenswerte verfügt – wird ein Gutachter beauftragt. Er nimmt Kontakt mit dem Handwerker auf, der den Gutachter allerdings mehrfach vertröstet, so der Staatsanwalt.
Ende Oktober 2020 wird das Insolvenzverfahren eingestellt, der Gutachter geht davon aus, dass es kein Geld und keine Vermögenswerte gibt, die die Schulden bei den Gläubigern tilgen könnten. Was er aber nicht weiß, ist, dass der Handwerker parallel bis Ende November weiter arbeitet: Die Zahlungen, die er von den Kundinnen und Kunden erhält, gehen jedoch nicht auf sein Geschäftskonto ein, sondern auf das seines Vaters, der laut Staatsanwaltschaft das Geld abhob und wieder seinem Sohn gab.
Das Problem dabei: Der 43-jährige Sohn habe bereits Mitte März 2020, genau ein Tag nach einem Telefonat mit dem Insolvenz-Gutachter, veranlasst, künftige Kundenzahlungen ab sofort auf das Konto seines Vaters umzulenken, so Staatsanwalt Obländer. "Der Angeklagte machte dies, weil er zuvor erfahren hatte, dass ein Insolvenzverfahren gegen ihn geprüft wird", erklärte er. Somit habe der Insolvenz-Gutachter nichts auf dem Konto des Angeklagten finden können.
Insgesamt seien über das Konto des Vaters 88.000 Euro beiseite geschafft worden, weshalb der 43-jährige Sohn neben Betrug auch wegen Bankrotts angeklagt wurde. "2020 war ein hartes Jahr, die Pandemie hat das Ganze ins Rollen gebracht", erklärte der krebskranke Angeklagte, der kurz nach seiner Operation festgenommen wurde. "Ich hätte vieles anders machen sollen, aber die Krankheit hat mich weiter destabilisiert."
Insgesamt entstand im Laufe der Betrugstaten des Angeklagten ein Schaden von über 100.000 Euro: Neben Schulden bei Gläubigern oder Lieferanten kam er auch Aufträgen von Kunden nicht, nur teilweise oder mangelhaft nach. "Für die Geschädigten hing es vom Zufall ab, ob sie die bezahlten Leistungen erhielten oder nicht", so Obländer.
Den größten Schaden erlitt eine Familie aus Walldorf, die den Angeklagten mit Renovierungsarbeiten in Höhe von 75.000 Euro an ihrem neu gekauften Haus beauftragte. Ob und wie viel Geld die Familie zurückbekommen kann, muss gegebenenfalls in einem Zivilprozess geprüft werden.
Gleich nach Verlesung der Anklageschrift wurde die Hauptverhandlung, für die eigentlich mindestens ein Folgetermin angesetzt war, unterbrochen. Der Verteidiger des 43-Jährigen, Martin Stirnweiss, legte Beschwerde ein, weil sein Antrag, das Hauptverfahren aufzuheben, abgelehnt wurde. Stirnweiss kritisierte, dass die Verteidigung wichtige Aktenteile erst kurz vor dem Prozessauftakt erhalten habe. Über eine Stunde lang berieten sich die Verfahrensbeteiligten, Stirnweiss nahm seinen Antrag zurück.
Das Gericht beschloss zwar, das Verfahren gegen den Vater einzustellen, allerdings muss er nun binnen eines halben Jahres 30.000 Euro an die Walldorfer Familie zahlen. Den Sohn verurteilte das Gericht zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten, außerdem muss er 70.000 Euro an die Gläubiger zurückzahlen. Da er zum Zeitpunkt der Taten auf Bewährung war, bleibt der 43-Jährige im Gefängnis – bis zur Hauptverhandlung befand er sich bereits in Untersuchungshaft.
"Sie haben der Justiz enorm die Arbeit erleichtert", sagte Richter Michael Rensch bei der Verkündung des Urteils. Ohne das Geständnis des 43-Jährigen hätte es unter Umständen zu einem wochen- oder sogar monatelangen Prozess kommen können. Allerdings dürfe man auch nicht die hohe Zahl der Straftaten und den langen Zeitraum, in dem sie begangen wurden, missachten, sagte Rensch und ermahnte den Angeklagten: "Für die Zukunft: Wenn man sich selbstständig macht, muss man wissen, wann man Schluss macht."