Dieses Waldschutzgebiet ist einmalig
Walldorf. Die "Schwetzinger Hardt" ist ein Refugium für zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten. Die Pflege ist sehr aufwendig

Walldorf. Weit über 3000 Hektar Wald werden unter besonderen Schutz gestellt - und das in einer dermaßen dicht besiedelten Region wie unserer. Es gibt größere geschlossene Waldschutzgebiete, aber dass Forstverwaltung und sieben Gemeinden sich selbst verpflichten, dergestalt Rücksicht auf schützenswerte Tier- und Pflanzenarten zu nehmen: "Das ist einmalig", meint Sebastian Eick, Leiter des Forstbezirks Rheintal-Bergstraße. Walldorfs Revierleiter Gunter Glasbrenner stellte ihm in einer Art informellen Dienstbesprechung die Erfolge verschiedener Waldpflege- und Aufforstungsmaßnahmen vor. Mit ansteckender Begeisterung schilderte er sein Bild von der gesunden, vielfältigen Waldgesellschaft, für deren Entwicklung er alle Hebel in Bewegung setzt.
Staatswald und Wald auf den Gemarkungen von Walldorf, Schwetzingen, Hockenheim, Reilingen, Oftersheim, Leimen und Sandhausen werden unter drei Schutzstufen gestellt: 1695 Hektar sind "Erholungswald", das ist die niedrigste Stufe, wobei das Gebot, den Wald pfleglich zu behandeln, dennoch durch vielerlei Regeln beschrieben ist. So dürfen die Leute sich nicht mit dem Rad auf zu schmale Pfade begeben, nur auf ausgewiesenen Wegen reiten und Hunde müssen zwischen Februar und August an die Leine. Im 1324 Hektar großen Schonwald gelten etwas strengere Regeln. Neben "Erhaltungs-" weist er auch "Entwicklungszonen" auf, in denen für eine ökologische Aufwertung gesorgt wird.
Und dann sind da immerhin 143 Hektar "Bannwald", der praktisch tabu ist. Die Natur soll sich hier unbeeinflusst und spontan entwickeln. Wissenschaftliche Untersuchungen finden dort statt, aber ansonsten sind Besucher, selbst wenn sie nur fotografieren wollen, nicht willkommen. Diese Waldstücke liegen daher auch ziemlich versteckt. Die Jagd bleibt in der "Schwetzinger Hardt" nach wie vor möglich, solange die Schutzziele nicht gefährdet werden.
"In Stein gemeißelt" sei freilich nichts, so Eick. So könne es passieren, dass durch den Erholungswald neue Stromtrassen verlegt werden, und im Regionalplan sei der Durchstich der Landesstraße L 722 durch die "Schwetzinger Hardt" noch enthalten. "Aber um unsere Schon- und vor allem die Bannwälder werden wir wie die Löwen kämpfen."
Der Grund liegt in der bemerkenswerten Artenvielfalt, viele laut der deutschen "Roten Liste" oder der europäischen Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) geschützte Tiere und Pflanzen kommen hier vor. "Die Schwetzinger Hardt ist ein 'Hot Spot' der Biodiversität", betonte Eick, "einer von nur 30 in Deutschland." Zu den schützenswerten Tierarten gehören auch Fledermäuse wie Großer Abendsegler, Schmetterlinge wie die in Baden-Württemberg vom Aussterben bedrohte Sandstrohblumen-Eule, Wildbienen, Käfer, Ameisen und Heuschrecken, außerdem auch Libellen, so kommt am Hardtbach die Grüne Flussjungfer vor.
Im Bannwald verfolgt man Eick zufolge "mit ganz langem Atem", wie ein praktisch unberührter Wald (der ganz früher als Kartoffelacker genutzt wurde) sich weiterentwickelt. Abgestorbene Bäume bleiben stehen oder liegen und werden bald unter anderem von Käfern und anderen Insekten besiedelt. Weder werden neue Bäume gepflanzt noch sonst in die Waldgesellschaft eingegriffen. Seit nunmehr 40 Jahren hat sich laut Gunter Glasbrenner beispielsweise in einem rund 17 Hektar großen Waldstück nichts getan, seit 1970, dem "Europäischen Naturschutzjahr". Und jüngst wurden von der Forstwirtschaftlichen Versuchanstalt Freiburg 381 Großpilz-Arten gezählt, von denen über die Hälfte Totholz zum Gedeihen benötigt, neun stehen auf der Roten Liste. Außerdem wurden 81 verschiedene Moose entdeckt. Und damit ist man bei all den größeren Pflanzen- und Tierarten noch gar nicht angelangt, die diese Bedingungen zum Leben brauchen.
Noch besteht dieser Bannwald überwiegend aus Kiefern, wie Sebastian Eick erklärte. Sie zählen zu den "Pioniergehölzen", die sich als erste auf lichten Flächen, an Flussufern etwa oder nach einem Brand, durchsetzen. Doch voraussichtlich werden sie nach und nach durch die Buche verdrängt: Die kommt mit den eher schattigen Verhältnissen im Bannwald besser zurecht.
Im "Reilinger Eck" auf Walldorfer Gemarkung, schon lange ein "Schonwald", dominiert die Kiefer wiederum klar. Und wie Eick augenzwinkernd erklärte, ist dies "ein Hot Spot im Hot Spot". Seltene Vögel wie Neuntöter, Ziegenmelker und Heidelerche brüten hier. Das Doldige Winterlieb, das in Baden-Württemberg bis zu seiner Wiederentdeckung im "Reilinger Eck" als ausgestorben galt und immer noch als stark bedroht eingestuft ist, breitet sich mit Erfolg aus, wie eigens platzierte Marksteine belegen. Des Weiteren finden sich Raritäten wie Grünblütiges Wintergrün, Berghaarstrang, Waldstendel und Sandveilchen.
Auf dem sandigen Boden ist die Kiefer gegenüber anderen Baumarten zwar im Vorteil, braucht aber immer noch die Förderung durch den Menschen. Und das packte das Team um Gunter Glasbrenner in großem Stil an. Zum einen halten bereits seit über fünf Jahren 30 Schafe und 18 Ziegen dort das Unterholz, insbesondere die Brombeere, kurz. Zum anderen arbeitet das Forstamt mit Schulen zusammen, um die aufwendigen Arbeitseinsätze zu bewältigen.
Vor den Sommerferien erhielt Glasbrenner tatkräftige Unterstützung: 68 Fünft- und Sechstklässler vom Gymnasium Walldorf waren anlässlich ihres "Sozialen Tags" mit ihm im Wald und an drei Vormittagen packten 30 Kinder von der Sambugaschule, mit der seit Jahren eine enge Kooperation besteht, mit an. Auf über zweieinhalb Hektar mussten nicht nur Unterholz und Bäume entfernt werden, die den Kiefern Konkurrenz machen, Laub, Zweige oder Rinde durften auch nicht liegen bleiben: Sonst hätten sie den Boden gedüngt, der doch mager bleiben muss. Was Sabine und Gunter Glasbrenner besonders erfreute, war das große Interesse der Schüler. "Naturverjüngung" oder "Mischwuchsregulierung" sind für sie keine Fremdwörter mehr, dafür hat der Förster ganz nebenbei durch Erläuterungen gesorgt.



