Caritas Wiesloch-Baiertal

Wohlfahrtsverbände müssen auch mal unbequem sein

Susanne Rohfleisch von der Caritas sprach in Baiertal über "Christliches Handeln in der Flüchtlingsfrage"

12.07.2017 UPDATE: 13.07.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 46 Sekunden

Sprach in Baiertal: Susanne Rohfleisch (Caritas). Foto: Pfeifer

Baiertal. Zu einem Gesprächsabend mit dem Thema "Christliches Handeln in der Flüchtlingsfrage und seine sozialen Herausforderungen" hatten die Katholische Arbeitnehmer Bewegung (KAB) und die Arbeitnehmerseelsorge Rhein-Neckar eingeladen. Trotz heißen Wetters interessierten sich rund 40 Personen für die Überlegungen der Referentin Susanne Rohfleisch, Geschäftsführerin des Caritasverbands Rhein-Neckar

Uwe Terhorst von der KAB verwies zur Begrüßung auf die Bibel, genauer das Buch Levitikus, wo es heißt: "Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst" (Lev 9,33f). Hintergrund ist natürlich die Exodusgeschichte und die ihr vorausgehende Sklavereierfahrung in Ägypten. Es sei die bekannteste und die zentrale Fluchtgeschichte der Bibel und damit der Referenzpunkt für uns im Umgang mit Fremden, betonte Terhorst.

Susanne Rohfleisch sah es als Aufgabe besonders der Wohlfahrtsverbände, kritische Fragen an die Politik und das Handeln des Staates zu stellen: wachzurütteln, aufmerksam zu machen, Alternativen in den Blick zu bringen, manchmal auch etwas unbequem zu sein. Ohne dadurch für sich zu beanspruchen, die einzigen richtigen Lösungswege oder Handlungsmodelle zur Hand zu haben. Wenngleich christliches Handeln manchmal auch nach Radikalität und Kompromisslosigkeit rufe, so Susanne Rohfleisch. Im Alltag erlebe sie immer wieder, dass gerade in der Flüchtlingsfrage Emotionen hochkochten und den Raum zum Dialog versperrten. Jeder scheine für sich die Wahrheit gepachtet zu haben, dabei sei eher ein gemeinsames Suchen nach Antworten angesagt.

Fünf Grundgedanken des christlichen Handelns im Engagement für Flüchtlinge, in Anlehnung an die Leitsätze der Deutschen Bischofskonferenz, sind für die Caritas-Geschäftsführerin von besonderer Bedeutung: erstens, dass die Fürsorge für Flüchtlinge und Migranten zum Selbstverständnis der Kirche gehöre. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus seien mit dem christlichen Menschenbild unvereinbar. Der zweite Grundgedanke greift das Prinzip der Subsidiarität auf. Kirchliche Flüchtlingshilfe vollziehe sich sich auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens: in den Gemeinden, durch Gruppen, Verbände (Caritas), Organisationen. Die Hilfe erfolge auf der seelischen und materiellen Ebene. Drittens richte das kirchliche Engagement für Flüchtlinge einen besonderen Fokus auf menschliche Begegnungen und persönliche Begleitung. Die Wahrung der individuellen Würde des einzelnen Flüchtlings sei handlungsleitend.

Im vierten Grundgedanken zeige sich der Anspruch der Caritas, die Anliegen aller benachteiligten Menschen zu vertreten. Für die Arbeit mit Flüchtlingen habe der Caritasverband zusätzliche Mitarbeiter eingestellt. So sei der Caritasverband weiterhin in allen bisherigen Unterstützungsbereichen tätig und setze sich in allen Gesprächen mit Kostenträgern dafür ein, die gesamte soziale Landschaft im Auge zu behalten. Ein konkretes Beispiel dafür seien die drei Kinderförderfonds des Verbands.

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Die Integration von Menschen mit anderer kultureller oder religiöser Prägung greife der fünfte Grundgedanke auf und stelle damit unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen. Die Kirche kenne ihre besondere Verantwortung für das Gelingen gesellschaftlicher Integrationsprozesse. Die Flüchtlingssituation sei kein vorübergehendes Phänomen. Daher müsse die erfolgreiche gesellschaftliche Teilhabe auf Dauer Ziel der Bemühungen sein.

Die anschließende Diskussion entzündete sich insbesondere an der Frage der Anschlussunterbringung. Alle Teilnehmer waren sich einig, dass es notwendig sei, hier mit Vertretern der Kommunen und des Landkreises in Gespräch zu kommen. Karl-Heinz Markmann, Stadtrat und Ortsvorsteher Baiertals, meinte etwa, er könne nicht nachvollziehen, dass Personen, die in einer Gemeinde durch Ehrenamtliche gut betreut würden, quasi "über Nacht" zur Anschlussunterbringung in andere Gemeinden verlegt würden. Die Arbeit der Ehrenamtlichen werde so zunichte gemacht und das führe zu großer Frustration. Jutta Schoppengerd vom Netzwerk Asyl Wiesloch fand es schwierig, "dass Geflüchtete in der kommunalen Anschlussunterbringung keine gesicherte hauptamtliche Unterstützung durch Sozialarbeiter haben". Dies brauchten sie aber dringend, etwa um Briefe der Behörden zu verstehen, Formulare auszufüllen, die Kinder in Kita und Schule anzumelden und vieles mehr. Diese Unterstützung werde momentan weitgehend durch Ehrenamtliche geleistet.

Martin Bindl, KAB-Bezirksvorsitzender und Mitglied des Katholischen Dekanatsrats beklagte, dass die Anschlussunterbringung der Flüchtlinge aufgrund fehlenden Wohnraums erneut in Containern erfolge, manchmal seien diese Unterkünfte noch nicht einmal fertig. Somit durchlebten die Betroffenen die chaotische Aufnahme ein zweites Mal. Angesichts des abgeriegelten Zustroms von Flüchtlingen müssten die Landkreise die Anschlussunterbringung nicht zwingend beschleunigen. Die Vermutung liege nahe, dass das sicherlich strapazierte Budget der Landratsämter diesen Zwang auslöse. Dies frustriere auch die vielen Helfer, weil sie immer wieder neue Flüchtlinge in zu kurzen Zeiträumen "integrieren" müssten.

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