Weinheim

Wie sich die Kirche neu erfindet

Evangelische Dekanin Monika Lehmann-Etzelmüller nimmt Stellung zur aktuellen Situation - Konfirmanden tragen Absagen mit Fassung

26.03.2020 UPDATE: 27.03.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 3 Sekunden
Die Glocken der Markuskirche läuten weiter. Foto: Kreutzer

Von Philipp Weber

Weinheim. Sie hatten sich die Köpfe zerbrochen, am Ende vergeblich. Als die Behörden erste Maßnahmen zum Infektionsschutz anordneten, diskutierten evangelische Christen in den Pfarrämtern, in der Seelsorge, in Schulen und die Kirchenmusiker, wie Gottesdienste und Gemeindearbeit so organisiert werden können, dass nicht mehr als rund 100 Menschen zusammenkommen. Eine wichtige Rolle spielte auch die Frage, auf welche Weise die anstehenden Konfirmationen ausgerichtet werden. Sie hätten sich die Mühe wohl sparen können: Wenige Tage später waren auch Zusammenkünfte in Kirchen untersagt.

"Es hat die Kirchengemeinden getroffen wie ein Schock", so Dekanin Monika Lehmann-Etzelmüller, die für den Evangelischen Kirchenbezirk Ladenburg-Weinheim spricht. Verwaiste Kirchen, in denen nicht mehr gebetet, gesungen und gepredigt wird, empfänden viele Menschen als verstörend. Alle Arten von Begegnungen, von denen die Kirche ja eigentlich lebt, sind nicht möglich. Nicht mal Unterricht an der Kirchenorgel. Die einzige Ausnahme sind Trauerfeiern. Sie finden statt, aber nach den derzeit gültigen Verordnungen nur noch im Freien und in einer auf zehn Menschen begrenzten Zahl von Angehörigen.

Dass die für dieses Jahr geplanten Konfirmationen nun ebenfalls abgesagt sind, tragen viele der betroffenen Jugendlichen indes mit Fassung. "Lieber eine richtige Feier im nächsten Jahr, als irgendeine Notlösung wie eine Hauskonfirmation in diesem", so eine angehende Konfirmandin aus Weinheim.

Die Maßnahmen, die die Kirchen betreffen, gelten zunächst bis 15. Juni, landesweit. Dabei träfen alle Anstrengungen, das Virus einzudämmen, in den Kirchengemeinden auf Akzeptanz und Unterstützung, teilt die Dekanin mit. "Schließlich geht es um Menschenleben und die Unterstützung der Teams in den Kliniken."

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Um ein wenig Begegnung aufrechtzuerhalten, wagen sich die evangelischen Kirchengemeinden im Bezirk Ladenburg-Weinheim jetzt auf neues Terrain. Gemeinden bieten Gottesdienste per Livestream auf der eigenen Webseite und durch Veröffentlichung auf der Internetplattform Youtube an.

Hintergrund

Weinheim. (web) Wie gehen die Vertreter der Katholischen Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg mit der aktuellen Lage um? Die RNZ befragte Pfarrer Joachim Dauer, Leiter der Seelsorgeeinheit.

> Seelsorge bleibt erhalten: Alle Seelsorger sind weiter per Telefon oder

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Weinheim. (web) Wie gehen die Vertreter der Katholischen Seelsorgeeinheit Weinheim-Hirschberg mit der aktuellen Lage um? Die RNZ befragte Pfarrer Joachim Dauer, Leiter der Seelsorgeeinheit.

> Seelsorge bleibt erhalten: Alle Seelsorger sind weiter per Telefon oder E-Mail erreichbar. Die Kirchen bleiben für den privaten Besuch geöffnet, zu den üblichen Zeiten. Die Glocken läuten am Morgen, Mittag und Abend und am Wochenende– "auch zu den Zeiten, zu denen wir uns zum Gottesdienst versammelt hätten". Infos gibt es im Netz unter www.se-wh.de und in den die Schaukästen der Kirchen.

> Wo Seelsorge bitter nötig ist: Ältere und kranke Menschen zu Hause und in Pflegeeinrichtungen leiden unter dem aktuellen Besuchsverbot, so Pfarrer Dauer. "Selbst telefonische Kontakte können da schwierig sein." Menschen in Quarantäne würden eine totale Veränderung ihres Lebens erleiden. "Viele tun sich schwer mit der Verpflichtung, Abstand zu halten."

> Der Appell der Katholiken: "Wir halten zusammen auch auf Abstand!", formuliert Dauer. In der augenblicklichen Situation sollten sich Christen als "mit Abstand" vorbildlich im Einhalten der Regeln, in der Hilfsbereitschaft und Solidarität, im Glauben an die Zukunft erweisen. "Wir sind mitten in der Fastenzeit und müssen jetzt unfreiwillig auf vieles verzichten. Aber es wird auf jeden Fall Ostern werden", so der Geistliche.

> Die Gottesdienste: Neben Gottesdienstübertragungen im Fernsehen kommt eine Übertragung aus dem Freiburger Münster jeden Abend um 18.30 Uhr sowie sonntags um 10 Uhr (mit Erzbischof Stephan Burger), zu sehen unter www.ebfr.de/livestream. Jeden Tag überträgt Radio Vatikan unter www.vaticannews.va.de um 7 Uhr die Heilige Messe von Papst Franziskus, mit deutscher Übersetzung.

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Schon am ersten Sonntag ohne gemeinsame Gottesdienste erreichte ein entsprechendes Angebot der evangelischen Kirchengemeinde in Schriesheim 200 Haushalte, die Rückmeldungen seien positiv ausgefallen. Weit größere Ausstrahlung genoss der Gottesdienst in der Peterskirche am letzten Sonntag, den auch der SWR live übertrug (die RNZ berichtete). "Viele Reaktionen zeigen, dass dieses Angebot gern und dankbar angenommen wurde", so Lehmann Etzelmüller. Die Landeskirche setze entsprechende Angebote nun fort. Aber auch auf anderen Gebieten suchen die Gemeinden nach Möglichkeiten, in Kontakt zu bleiben: So werden zum Beispiel Briefe verschickt, deren Inhalt Mut machen soll. Abends läuten Glocken zum stillen Gebet. In vielen Gemeinden erklingt abends das Lied "Der Mond ist aufgegangen".

Wer ein Gespräch wünscht, kann seine Pfarrerinnen oder seinen Pfarrer anrufen. Materialien für Unterricht für Schüler und Konfirmanden zu Hause werde zur Verfügung gestellt. "Ich bin begeistert, wie viel Kreativität die Situation hervorbringt, unsere Kirche erfindet sich neu", so die Dekanin. Ihr Appell an die Gemeindemitglieder: Gerade jetzt gute und aufmerksame Nachbarn zu sein für Menschen, die Unterstützung brauchen oder denen sogar Isolation droht. Auch in Bezug auf Feiertag wie Karfreitag und Ostern würden die Gemeinden neue Wege gehen, kündigt sie an.

Info: Der nächste Online-Gottesdienst wird am Sonntag, 29. März, 10 Uhr, aus der evangelischen Kirche in Neckarhausen live gestreamt. Infos zur aktuellen Lage: www.kibitzweb.de. Am Sonntag läuten an der Peterskirche und an der Markuskirche um kurz vor 10 Uhr die Glocken. Um 10.15 Uhr folgt an der Peterskirche die Glocken.

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