OB Just über die Hintere Mult, den Windeck-Verkauf und "Woinemerisch"
Manuel Just ist seit 100 Tagen Oberbürgermeister Weinheims - RNZ-Interview übers Ankommen und umstrittene Beschlüsse

"Ob man in der Diskussion einen gemeinsamen Nenner findet oder nicht, ändert nichts an der Wertschätzung des Gegenübers", sagt Manuel Just über die Debatten im Gemeinderat. Foto: Kreutzer
Von Frederick Mersi
Weinheim. 337 Tage mussten sich die Weinheimer nach der Wahl am 10. Juni 2018 gedulden, bis Wahlsieger Manuel Just, damals noch Bürgermeister in Hirschberg, sein Amt als Oberbürgermeister antrat. Inzwischen steht der 40-Jährige seit 100 Tagen an der Spitze der Weinheimer Verwaltung. Im RNZ-Interview spricht Just übers Ankommen und umstrittene Beschlüsse - und er legt einen Zeitplan für die "Zukunftswerkstatt" vor.
Herr Just, vermissen Sie Hirschberg?
Naja, ich darf ja jeden Abend dorthin zurückfahren, weil ich noch dort wohne. Aber mal aufs Amt bezogen: Nein, ich vermisse Hirschberg nicht - ohne der Gemeinde jetzt nahetreten zu wollen. Ich bin gut angekommen in Weinheim und fühle mich hier wohl.
Was ist in Weinheim leichter als in Hirschberg?
Auch interessant
Die Verwaltung kann hier mehr Dinge selbst bewerkstelligen. Man merkt, dass die Behörde größer ist und dadurch mehr Vorgänge intern lösen kann. Die Verwaltung in Hirschberg ist zwar auch hervorragend aufgestellt, muss als kleine Behörde aber mehr Themen an externe Fachleute vergeben. In Weinheim haben wir Architekten, Städteplaner und viele weitere Berufsbilder im Haus. Dieses Mehr an Know-how macht manche Entscheidungen leichter.
Wissen Sie denn inzwischen, wo Ihre Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze haben?
Gerade in den ersten Wochen habe ich mir viel Zeit genommen, um das Rathaus kennenzulernen. Was die Kernverwaltung angeht, war ich tatsächlich an jedem Arbeitsplatz. Aber natürlich hat der eine oder andere Mitarbeiter Urlaub, arbeitet in Teilzeit oder war bei meinem Besuch gerade bei einem Termin. Also habe ich nicht jeden Mitarbeiter persönlich am Arbeitsplatz angetroffen. Inzwischen habe ich aber einen guten Überblick, wer wohin gehört. Außerdem meine ich, ein ganz gutes Namensgedächtnis zu haben - aber auch das stößt irgendwann an Grenzen.
In Ihrer ersten Gemeinderatssitzung in Weinheim wurde Ihnen gleich vorgeworfen, bei der Kompromissfindung versagt und verbrannte Erde hinterlassen zu haben. Haben Sie sich an den ruppigen Ton gewöhnt?
Man merkt schon, dass dieses Amt eine andere politische Dimension hat als das des Bürgermeisters in Hirschberg. Was die Diskussion um ein Gewerbegebiet in der Hinteren Mult angeht, um die es bei diesen Äußerungen ging, bin ich nach wie vor der Überzeugung, dass in den zwei Jahren vor dieser Entscheidung alle Argumente ausgetauscht worden waren. Da hatte sich nichts Neues aufgetan. Und dann muss man anerkennen, dass der Gemeinderat mehrheitlich entscheidet. Das ist der Grundzug einer Demokratie. Auf diese Idee müssen wir uns wieder besinnen. Da wurde nichts abgebügelt oder vergessen, sondern jeder Stadtrat hat abgewogen und ist für sich zu einem Ergebnis gekommen. Und in Summe gab es eine Mehrheit für eine Gebietsentwicklung. Also ein ganz normaler demokratischer Vorgang.
Die Vorwürfe in Sachen Hintere Mult kamen von Stadträten, die Ihre OB-Kandidatur ausdrücklich unterstützt haben. Hat Sie das überrascht?
Ich werde nie mit allen einer Meinung sein. Wenn man diesen Job richtig macht, wird man auch nie davon ausgehen können, dass man sich zu hundert Prozent einig ist. Das war auch in Hirschberg während der letzten zwölf Jahre so, selbst meine Frau und ich sind bei vielen Dingen unterschiedlicher Meinung. Aber auch das ist ein Grundzug der Demokratie, ohne hier philosophisch werden zu wollen. Ob man in der Diskussion einen gemeinsamen Nenner findet oder nicht, ändert nichts an der Wertschätzung des Gegenübers.
Nach dem Beschluss haben Kritiker rechtliche Schritte angekündigt. Was stimmt Sie optimistisch, dass die Hintere Mult nicht dasselbe Schicksal wie die Breitwiesen ereilt?
Wir sind mit dem Satzungsbeschluss des Gemeinderats bei der Hinteren Mult jetzt schon weiter, als der Prozess zu den Breitwiesen jemals gekommen ist. Dazu kommt, dass die Verwaltung bei einem Verfahren, zu dem dessen Kritiker plausible Gegenargumente ins Feld führen, besonders sensibilisiert ist. Da wird bei den juristisch überprüfbaren Fragen noch mal genauer hingeschaut. Daher glaube ich, dass wir im Fall einer Normenkontrollklage ganz gut aufgestellt sind.
Große Themen wollen Sie in einer "Zukunftswerkstatt" mit den Bürgern angehen. Wann beginnt dieser Prozess?
Wir werden im Herbst damit anfangen - zunächst einmal mit einem Aufschlag im Gemeinderat. Wir müssen für uns ja erst definieren, wie dieser Prozess aussehen soll. Ich als Oberbürgermeister sollte da zum Beispiel kein Moderator sein, weil wir als Stadtverwaltung selbst ein Akteur in dieser Sache sind. Mit meiner Meinung werde ich auch nicht hinterm Berg halten, was zum Beispiel meine städtebaulichen Vorstellungen angeht. In dem Fall wäre es falsch, gleichzeitig Moderator sein zu wollen. Deshalb werden wir diese Rolle extern vergeben. Dazu schreiben wir Leistungen aus, und der Gemeinderat wird entscheiden, welches Büro das letztlich übernehmen soll. Die eigentliche Zukunftswerkstatt wird dann am Beginn des kommenden Jahres starten.
Wird es auch eine Frist für den Abschluss geben?
Wenn man das ernst nimmt, wird das sicher ein fortlaufender Prozess sein. Aber unabhängig davon könnte ein Endergebnis als Handlungsempfehlung in etwa zwei, zweieinhalb Jahren feststehen.
Sehen Sie dieses Ergebnis für die Verwaltung als verbindlich an?
Die Bürger können davon ausgehen, dass der wesentliche Teil dieses Rahmenplans vom Gemeinderat und der Stadtverwaltung mitgetragen wird. Alles andere wäre nach einem solchen Prozess auch schwer zu vermitteln. Das bedeutet aber nicht, dass man in Einzelfällen als politisch verantwortliches Gremium nicht davon abweichen darf, wenn es begründet ist. In Hirschberg hat man die Resultate eines solchen Prozesses im Wesentlichen auch mitgetragen, aber bei einzelnen Aspekten anders entschieden.
Ihr Vorgänger Heiner Bernhard hat kurz vor dem Ende seiner Amtszeit Gespräche über den Verkauf der Burgruine Windeck geführt. Torsten Fetzner hat diese Pläne auf Eis gelegt. Ist ein Verkauf endgültig vom Tisch?
Ja, der Windeck-Verkauf ist vom Tisch. Das war nicht ein einziges Mal Thema seit meinem Amtsantritt.
Ein anderes Denkmal Weinheims, die Hildebrand’sche Mühle, verfällt derweil trotz Notdach zusehends. Sehen Sie eine Chance, das Ensemble noch zu retten, oder sollte der Eigentümer die Gebäude abreißen dürfen?
Dieser Fall ist juristisch so verzwickt, dass ich mich zu diesem Zeitpunkt lieber nicht dazu äußern möchte. Bis in einigen Wochen habe ich jedoch auch hierzu ein deutlich fundierteres Meinungsbild.
Die Wachstumsprognosen sinken, die Furcht vor einem wirtschaftlichen Abschwung wächst. Gibt es konkrete Projekte, auf die Weinheim in einem solchen Fall als erstes verzichten müsste?
Das müsste der Gemeinderat entscheiden, ich bin ja kein König. Aber wir arbeiten gerade am Haushaltsplan für 2020, der Anfang 2020 mehrheitlich beschlossen werden muss. Wenn wir da weiter sind, kann ich diese Frage besser beantworten. Für 2019 ist die Finanzierung der Projekte aber gesichert.
Bei Ihrer "Kerweredd" haben Sie versprochen, dass die Mannheimer Straße bis Oktober fertig wird. Kann also nichts mehr schiefgehen?
Nein. Nach allem, was ich bisher gehört habe, ist das Zeitfenster bis Ende Oktober belastbar.
Bei der Kerwe-Eröffnung sahen einige Weinheimer bei Ihnen noch Nachholbedarf auf sprachlicher Ebene. Welche "Woinemer" Vokabeln haben Sie in den vergangenen 100 Tagen neu gelernt?
(lacht) Es wäre ja schlimm, wenn ich da keinen Nachholbedarf hätte. Ich bin zwar ein Kind der Kurpfalz, aber selbst in Leutershausen werden manche Wörter anders ausgesprochen als in Großsachsen - oder eben in Weinheim. Daher weiß ich nicht, ob es innerhalb von 100 Tagen überhaupt möglich ist, das alles zu verinnerlichen. Man wird vermutlich immer hören, dass ich kein Weinheimer, sondern ein "Noigeplackter" bin.
Werden Sie inzwischen als OB auf der Straße erkannt und angesprochen?
Ja, das ging relativ schnell. Es ist ja nichts so schlecht, dass es nicht auch für irgendetwas gut sein kann: Während der Hängepartie um meinen Amtsantritt war ich so oft in der Stadt unterwegs, dass sich die Weinheimer schon mal an mein Gesicht gewöhnen konnten.