"Kein größeres Bäckerei-Sterben wegen Corona"
Bäckerhandwerk hofft auf Lockerungen und genussfreudige Kundschaft - RNZ sprach mit Akademiedirektor Bernd Kütscher

Von Günther Grosch
Weinheim. Die ganze Welt leidet unter dem Coronavirus, unter Ausgangsbeschränkungen und vor allem wirtschaftlichen Einbußen. Viele Menschen und Berufszweige äußern berechtigte Ängste, ganze Branchen stehen vor dem Abgrund. "#wirbackendas – gemeinsam" lautet dennoch der optimistisch stimmende Schwur und das nach vorne blickende Versprechen auf Seiten des Bäckerhandwerks. Denn: "In Zeiten von Corona zeigt sich, dass der Besuch beim Bäcker nicht nur ein Einkauf von Backwaren ist, sondern das tägliche kleine Glück", reiht sich der Direktor der Akademie Deutsches Bäckerhandwerk in Weinheim, Bernd Kütscher, in die Phalanx ein.
Nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Bäckerhandwerks gibt es aktuell 10.491 Meisterbetriebe. Das sind 434 weniger als im Vorjahr. Der Gesamtumsatz liegt bei rund 15,2 Milliarden Euro. Circa 266.000 Mitarbeiter zählt das Deutsche Bäckerhandwerk insgesamt – und gilt darüber hinaus als "systemrelevante Branche". 2019 kauften die privaten Haushalte in der Bundesrepublik laut einer Statistik der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) rund 1,61 Millionen Tonnen Brot.
Auch wenn der Wandel der Gesellschaft dazu geführt hat, dass die früher üblichen drei Hauptmahlzeiten am Tisch durch viele kleine Snacks ersetzt worden sind: "Das Brot erfreut sich weiter großer Beliebtheit", verdeutlicht Akademiedirektor Kütscher: "Und die meisten Snacks basieren auf Brot oder Brötchen." Die GfK untermauert diese Feststellung. Die durchschnittliche Einkaufsmenge von Brot je Käuferhaushalt lag im Vorjahr bei 39,9 Kilogramm.
Die gute Nachricht aus der Bäckerakademie: "Ab Montag, 4. Mai, laufen unsere Prüfungsklassen wieder an", so Kütscher. Neben Abstandsregeln und Mundschutz wird die Akademie in "Zonen" aufgeteilt. Damit kann im Infektionsfall zurückverfolgt werden, "wer, wo, wann und mit wem in Kontakt war". Auch die Mitarbeiter der Akademie teilen sich in Teams auf, "damit beim Ausfall eines Teams nicht die ganze Akademie stillgelegt werden muss". Dennoch wird die Akademie am 4. Mai eine rund sieben Wochen andauernde Schließung hinter sich haben.
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Den damit verbundenen Problemen sind Kütscher und seine Kollegen mit Online-Unterricht für Meisterschüler sowie kostenlos angebotenen "Webinaren" begegnet. Rund 1500 Teilnehmer haben von den Impulsen zur Weiterbildung profitiert. Diese jeweils 45-minütige "Pro-bono-Aktion" mit anschließenden Frage- und Diskussionsrunden unter Beteiligung bekannter Professoren wie Michael Kleinert und Friedrich Longin sollte helfen, die Krise leichter zu überstehen, verdeutlicht Kütscher: "Wir stehen in der Krise zu dem Handwerk, das uns trägt, und geben ihm etwas zurück." Wovon Titel wie "Die neue Bäckerwelt nach Corona", "Die Sprache des Brotes", "Mit Mut aus der Krise", "Neue Produktchancen nutzen" sowie Tipps zum Erschließen neuer Geschäftsfelder Zeugnis ablegen.
Dass die Akademie während ihres "Lockdowns" selbst einen Einnahmeverlust zu verzeichnen hat, verhehlt Kütscher nicht. "Die täglich drei bis sieben parallel laufenden Kurse mit jeweils rund zwölf bis 30 Teilnehmern fehlen auf der Einnahmenseite. Wobei wir manche Treffen ins Internet verlegen konnten."
Dass die Corona-Krise ein größeres Bäckereien-Sterben verursacht, daran glaubt der Direktor der Bundesakademie nicht: "Obwohl Märkte wie Cafés, eigene Café-Bereiche, Catering, Snacks sowie Lieferungen an Schulen komplett weggebrochen sind und durch die Kontaktsperre deutlich weniger Laufkundschaft gekommen ist." Die Innungsbäcker seien dennoch weniger stark betroffen als andere Branchen, so Kütscher. Größere Sorge bereitet ihm die Zukunft von Gastronomie- und Hotelbetrieben.
In der augenblicklichen Situation brauche es "Mutmacher", die positive Botschaften wie "Wir schaffen das", "Wir sind für Euch da", Wir halten zusammen", "Wir stehen zu unserer Heimat" oder den Social-Media-Hashtag "#wirbackendas" in Richtung der Kunden wie der Mitarbeiter senden. "Die Welt ist ein Spiegel", findet Kütscher: Wer positive Energie verschenkt, der bekommt auch welche zurück. Resignation sei keine Lösung. Stattdessen gelte es, sich gut zu informieren und das Prinzip "Durchhalten und mit Mut über sich hinauswachsen" anzuwenden.
Kütscher ist überzeugt: Wenn die Beschränkungen im Alltag bald wieder aufgehoben würden, wollen die Menschen zu ihrem gewohnten Leben zurückkehren und sich etwas gönnen. Er nehme eine Sehnsucht nach Normalität wahr. Gleichzeitig könnte Corona nicht nur eine Auszeit gewesen sein. "Sondern auch ein Richtungswechsel, der die Welt nachhaltig verändern wird." Aber auch hierfür gilt: "Wir backen das – gemeinsam!".
Als sichtbares Zeichen für den Optimismus der Branche haben die Verbände des deutschen Bäckerhandwerks beschlossen, ein weiteres Mal in ihre Bundesakademie in Weinheim zu investieren. Die Baumaßnahmen sind bereits angelaufen, ausschließlich mit Unternehmen aus der Region. Schon im Juli soll der Rohbau des ersten neuen Gebäudes stehen. "Weitere Maßnahmen werden folgen", freut sich Kütscher.



