Ex-GAL-Stadträtin Helene Eggert ist tot
Die Verfasserin des Standardwerks "Pioniere der Reformpolitik" ist im Alter von 94 Jahren verstorben.

Weinheim. (web) Sie wurde 94 Jahre alt und hatte ein erfülltes Leben. Das sagen ihre Angehörigen und ihre politischen Weggefährten, die nun um sie trauern. Helene Eggert, die lange Jahre in der Weinheimer Diemstraße wohnte und für die GAL im Gemeinderat saß, lebt nicht mehr. Sie verstarb am Abend des 29. Juli. Sie hatte zuletzt in einer Einrichtung für ältere Menschen in Bad Homburg gelebt.
Eggert entstammte einer politischen Familie – und sie war selbst eine durch und durch politische Frau, deren Herz ursprünglich für die Sozialdemokratie schlug. Als ihr Mann einen Posten bei der Firma Freudenberg bekam und die Familie von Südhessen nach Weinheim zog, entfernte sie sich von den Sozialdemokraten. Stichwort: Asylkompromiss. Nicht zuletzt dank GAL-Fraktionschefin Elisabeth Kramer fand sie den Weg zu den lokalen Grünen, für die sie 1994 kandidierte und gleich gewählt wurde. Ihr Engagement als Stadträtin galt der Kinder-, Jugend- und Sozialpolitik. "Sie war unser sozial- und frauenpolitisches Gewissen", sagt Kramer, auch damals Vorsitzende der Fraktion. "Und wenn sie angeeckt ist, hat ihr das nichts ausgemacht."
Nachdem sie 1999 die Wiederwahl verpasst hatte, fand sie ein neues Betätigungsfeld: Das Weinheimer Stadtarchiv wünschte sich eine Aufarbeitung der Geschichte des Bender’schen Instituts. Das Resultat war ein beachtliches Werk, das einen neuen Blick ermöglicht auf die Reformpädagogik der Brüder Bender, die ihrer Zeit weit voraus waren. Das Werk nahm zudem eine Einordnung des Themas in die Industrie- und Wirtschaftsgeschichte sowie den geistesgeschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund des 19. Jahrhunderts vor. So entstand eine Doktorarbeit, die der damals 77-Jährigen ein "Summa cum laude" einbrachte, die universitäre Bestnote. Das Buch "Pioniere der Reformpädagogik" ist bis heute erhältlich. Es folgten Lehraufträge an der Pädagogischen Hochschule (PH) Heidelberg, in deren Verwaltung sie schon vorher gearbeitet hatte, nach ihrem späten Studium an der Universität Stuttgart, wo sie ihren Magister in Politikwissenschaften und Philosophie abgeschlossen hatte.
Als Angestellte der PH wurde sie in den Personalrat gewählt, für die Gewerkschaft ÖTV (heute: Verdi) brachte sie sich in Tarifverhandlungen ein. Begonnen hatte sie ihr Studium bereits als junge Frau. Sie unterbrach es jedoch, um eine Familie zu gründen, von 1956 bis 1967 brachte sie fünf Kinder zur Welt. Kaum war das jüngste aus den Windeln, studierte sie wieder. Ihr geliebter Ehemann Konrad (1931-2013) habe ihr den Raum dafür gelassen, betont Kramer, die eng mit der Familie befreundet war, im RNZ-Gespräch.
Eggert gab darüber hinaus Philosophie-Kurse an der VHS. Ihr kommunalpolitischer Weg ging dann doch weiter. 2005 kam sie wieder in den Gemeinderat, als Nachrückerin. Sie blieb bis 2013. Als 84-Jährige nahm sie nach dem Tod ihres Mannes Abschied vom Mandat, blieb aber weiter aktiv und streitbar. Als sich 2016 die Koalition aus Grünen und CDU im Land bildete, kritisierte sie das vom damaligen Landtagsabgeordneten Uli Sckerl mit eingefädelte Bündnis bei einem Grünentreffen in Schriesheim hart. Aber insgesamt fühlte sie sich gut aufgehoben in der GAL.
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Beim AK Asyl half Geflüchteten beim Deutschlernen. Klare Haltung zeigte sie in Hinblick auf Umtriebe von Rechtsaußen. Als Mitglied einer verfolgten sozialdemokratischen Familie berichtete sie von ihren Erfahrungen mit dem Naziregime. So reagierte sie mit Enttäuschung und Unverständnis, als ihrem Wunsch nach Streichung der Weinheimer Ehrenbürgerwürde Paul von Hindenburgs nicht entsprochen wurde. Die GAL hatte eigens die Historikerin und SPD-Politikerin Konstanze Wegner zu einem Vortrag eingeladen. Sie hatte den Lebensweg des Oberbefehlshabers im Ersten Weltkrieg und späteren Reichspräsidenten, der mit der "Dolchstoßlegende" den deutschnationalistischen Verschwörungsmythos schlechthin prägte, als wenig ehrenwert eingeordnet.
Die Trauerfeier für Helene Eggert mit Beisetzung wird im September auf dem Weinheimer Hauptfriedhof stattfinden. Der Termin wird noch bekannt gegeben.