Weinheim

Der große Schulterschluss zur Unechten Teilortswahl

Die Ortschaftsräte lehnen die Abschaffung ab. Die Entscheidung dazu soll am Mittwoch im Gemeinderat fallen.

08.07.2023 UPDATE: 08.07.2023 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden
Helfer sortieren nach einer Weinheimer Gemeinderatswahl die Stimmzettel. Foto: Dorn

Von Philipp Weber

Weinheim. Die Empfehlungen aus Lützelsachsen, Hohensachsen, Sulzbach und Rippenweier sind eindeutig. Die Ortschaftsräte aus diesen Ortsteilen haben sich diese Woche – jeweils geschlossen – gegen den Antrag der Gemeinderatsfraktion von "Die Linke" gestellt. Die Linken fordern schon seit Ende 2019, die unechte Teilortswahl abzuschaffen. Nachdem die beiden Linken-Stadträte Carsten Labudda und Matthias Hördt der Verwaltung und den übrigen Fraktionen dreieinhalb Jahre lang Zeit eingeräumt hatten, dringendere Aufgaben zu erledigen und unter anderem 2022 eine interne Informationsveranstaltung zum Thema abzuhalten, wollen sie ihren Antrag nun behandelt sehen.

In wenigen Tagen ist es so weit: Für die nächste Gemeinderatssitzung am Mittwoch, 12. Juli, steht der Antrag auf der Tagesordnung. Der Gemeinderat könnte den Linken folgen und die unechte Teilortswahl abschaffen – und damit den Städten Leimen und Sinsheim oder der Gemeinde Hirschberg folgen. Die Ortschaftsräte dürfen hierbei nur Empfehlungen aussprechen. Doch die sind deutlich. Zwar waren die Ergebnisse aus Oberflockenbach und Ritschweier bis Redaktionsschluss noch offen. Aber das "solidarische" Handeln der übrigen Ortschaftsräte und die Aussagen der Ortsvorsteher deuten darauf hin, dass man in allen Ortsteilen am herkömmlichen System festhalten möchte.

Die unechte Teilortswahl gibt es nur in Baden-Württemberg. Sie wurde während der großen Gemeindegebietsreform Anfang der 1970er-Jahre eingeführt und sollte für mindestens zehn Jahre sicherstellen, dass die politischen Repräsentanten ehedem selbstständiger Ortschaften in die Gemeinderäte der neuen Gebietskörperschaften einziehen können. Auch wenn das inzwischen 50 Jahre her ist, sieht man in den Ortsteilen immer noch Vorteile in der unechten Teilortswahl. Denn sie garantiert jedem Ortsteil eine bestimmte Zahl an Sitzen im Gremium: Lützelsachsen vier, Sulzbach zwei, Hohensachsen (mit Ritschweier) zwei, Oberflockenbach zwei und Rippenweier (mit Nachbarweilern) einen.

"Wir könnten aufgrund unserer Größe wohl auch ohne die unechte Teilortswahl leben, wir würden wohl immer noch Leute in den Gemeinderat bekommen", sagt Doris Falter, Ortsvorsteherin in Lützelsachsen. Der neunköpfige Ortschaftsrat habe sich aus Solidarität mit den kleineren Ortsteilen aber für die Beibehaltung der unechten Teilortswahl ausgesprochen. Denn die hätten Schwierigkeiten, ihre Ortsrepräsentanten mit genügend Stimmen auszustatten. Eine Klarstellung gegenüber der Bürgerschaft ist ihr wichtig: Auch wenn der Antrag von "Die Linke" im Gemeinderat durchkäme, wären die Ortschaftsräte und Ortsvorsteher nicht abgeschafft: "Wir können uns nur selbst auflösen."

Anja Blänsdorf, Ortsvorsteherin in Rippenweier, sagt: "Wir glauben nicht, dass wir ohne den uns bis jetzt garantierten Sitz im Gemeinderat ausreichend gehört werden." Weinheim mit seinen zum Teil weit abgelegenen Ortsteilen sei nicht mit Hirschberg vergleichbar, wo sich zwei einigermaßen gleich große Ortsteile gegenüberstehen. Die Argumente der Linken nimmt sie dennoch ernst. Diese hatten unter anderem darauf hingewiesen, dass die unechte Teilortswahl unübersichtlich sei und – verglichen mit Kommunen ohne dieses System – eine hohe Zahl von Fehlstimmen und/oder gänzlich ungültigen Stimmzetteln produziert. "Dieses Problems muss man sich annehmen, sei es mit Erklärungen in einfacher Sprache oder mit Piktogrammen", so Blänsdorf.

Frank Eberhardt, Ortsvorsteher in Sulzbach, sieht seinen Ortsteil mit zwei garantierten Sitzen im Gemeinderat gut repräsentiert. Ortskenntnis und Bürgernähe gehörten dazu, gerade im Hauptorgan der Stadt, findet er. Er erinnert zudem an die 1970er-Jahre, als sich eine knappe Mehrheit in Sulzbach für Weinheim und gegen Hemsbach entschied: "Wenn die unechte Teilortswahl wegfällt, könnten sich ältere Bürger bestätigt fühlen", meint er. "Bei uns war dieser Punkt schnell abgehandelt", berichtet Hohensachsens Ortsvorsteherin Monika Springer aus dem Ortschaftsrat. Der Antrag von "Die Linke" wurde auch dort einstimmig abgelehnt.

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