Walldorf

Werke von Mitsuko Hoshino und Claudia Urlaß ausgestellt

Noch am Ostersonntag und Ostermontag sind die Werke in der Alten Apotheke Walldorf zu sehen.

01.04.2021 UPDATE: 04.04.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 42 Sekunden
Unter dem Titel „Berührungen“ stellen Mitsuko Hoshino (li.) und Claudia Urlaß in Walldorf aus. Hartmuth Schweizer findet die Arbeiten „reizvoll und spannend“. Foto: Pfeifer

Von Sebastian Lerche

Walldorf. Anfassen ist natürlich nicht gestattet. Aber sich berühren lassen – das geht. Die Werke von Mitsuko Hoshino und Claudia Urlaß, die noch Sonntag und Ostermontag in der Alten Apotheke in Walldorf zu sehen sind, faszinieren. Sie motivieren zum Nachdenken – über das, was man sieht, woraus es ist, wie es zustande kam, wie viel minutiöse Arbeit darin steckt, was die Künstlerinnen bewegt und berührt hat.

"Berührungen" ist auch der Titel der Ausstellung des Vereins "Kunst für Walldorf", die seit November läuft, coronabedingt aber nur selten geöffnet war. Hausherr Dieter Astor konnte sich trotzdem über eine gewisse Resonanz freuen und entschied sich mit dem Vereinsvorsitzenden Gerhard Baldes für die Verlängerung bis Ostermontag. Er sei sehr dankbar für die Bereitschaft der Künstlerinnen, die Ausstellung trotz schwieriger Zeiten so lange aufrechtzuerhalten, so Baldes.

"Mitsuko Hoshino und Claudia Urlaß sind für mich großartig", meint Hartmuth Schweizer. Der Walldorfer Künstler und Kunstbeauftragte schätzt, dass die Künstlerinnen ihr Dasein und ihre Schaffensprozesse intensiv reflektieren und einen verwegenen interdisziplinären Ansatz pflegen – die Werke berühren Ideen aus Mathematik, Physik, Philosophie, Biologie, Geologie und weiteren Gebieten.

Mitsuko Hoshino hat von 1987 bis 1991 an der Tama Art University in Tokyo studiert und lebt in Heidelberg. Die Wieslocherin Claudia Urlaß ging auf die Kunstakademie in Karlsruhe. Die beiden kommen aus verschiedenen Kulturen "und trotzdem zu ähnlichen Lösungen", so Schweizer. Sie musterten die Natur mit einem durchaus wissenschaftlichen Blick, ohne ihr Einfühlungsvermögen zu vernachlässigen: Die Künstlerinnen seien sich bewusst, selbst Teil der Natur zu sein. Der Dialog ihrer Arbeiten sei "reizvoll und spannend".

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So verschieden die Künstlerinnen sein mögen, finden sich doch Echos der Konzepte der einen in den Werken der anderen. Verwandt sind sie gerade in ihrem Bewusstsein für den Wert der vielen kleinen Teile, die das Ganze bilden, für die vielen kleinen Schritte, bis die Arbeit getan ist, und für die aufgebrachte Zeit.

Die mathematische Präzision in Claudia Urlaß’ Grafiken kommt Mitsuko Hoshinos intuitiver Nutzung der physikalischen Eigenschaften ihrer Arbeitsmaterialien gleich, die zwischen Kontrolle und Spontanität balanciert. Und das Bewusstsein für das Material findet bei Urlaß auf spielerische Art Ausdruck.

Blickfang im Hauptraum der Alten Apotheke ist nämlich ein kegelförmiger Haufen filziger Flusen, die Urlaß aus Waschmaschinen und Trocknern gesammelt hat. Man möchte sie berühren – zumindest bis man die Haare und Schmutzpartikel sieht: Urlaß amüsiert, dass manche Reaktionen angewidert sind – schließlich wurde alles gewaschen.

Gewebeartig sind in verblüffender Sisyphosarbeit entstandene Grafiken von Claudia Urlaß: "Mich fasziniert der Eindruck von Stofflichkeit: dass man meint, man könnte es erfühlen." Zwischen Rattanmatte und Fernseher, der auf einen toten Kanal gestellt wurde, bewegt sich eine 100 mal 190 Zentimeter große Zeichnung aus unzähligen Bleistiftstrichen, für die die Künstlerin nach eigener Auskunft über vier Wochen bei achtstündigen Arbeitstagen gebraucht hat. Unendliche Vielfalt in unendlichen Kombinationen entsteht aus kleinen Kacheln, die Urlaß mit nur drei Grundelementen aus scharf gezogenen Linien, immer neu übereinandergelegt, versehen hat.

Nüchtern "Linien" genannt und doch organisch ist ein Bild von Mitsuko Hoshino. Die Assoziationen überlässt sie den Betrachtenden, man fühlt sich an einen Birkenwald erinnert und meint, die Rinde spüren zu können. Ihr Werk "Fluss" könnte auch ein Vogelschwarm sein, so, wie es aus vielen Pinselstrichen zusammengesetzt ist. Es hat buchstäblich Schwung: Beim Arbeiten horcht Hoshino nach eigener Aussage in sich hinein, spürt ihr Atmen, die natürlichen Bewegungsabläufe ihres Körpers.

Wenn sie im "Arbeitsfluss" ist, mäandert sie in nicht komplett gesteuerten Reaktionen auf Werden und Wandel ihres Werks. Ganz nach Gefühl variiert sie den Druck auf den Pinsel, um mal ganz opake Spuren, mal luftig-transparente Effekte zu erzielen, zum Beispiel in "Milchstraße", das unter der weißen Farbe die Maserung der Holzplatte erahnen lässt. Ebenso wie die Spuren von hingetropftem Wasser in der Farbe ist diese Arbeitsweise nicht ganz planbar, und so will es Mitsuko Hoshino.

Eine Art Milchglasfolie, wie in einigen ihrer Werke, spürt die aus Japan stammende Künstlerin auch manchmal im Kontakt mit Menschen hier in Europa. Sie rede nicht von den negativen Erfahrungen, sondern von Distanz: Man sehe einander, erklärt sie, man komme in Kontakt, aber oft sei da dieser dünne Film, der eine wahre Berührung verhindere.

Ort des Geschehens

Info: Sonntag und Montag kann man die Ausstellung nach Anmeldung unter 0 62 27/25 26 besichtigen.

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