Wie wir alle Plastik vermeiden können
Umweltforscher schaffte Bewusstsein für Problem - "Ladeberg g‘hert gekehrt" am Samstag

Fundiert und dabei kurzweilig referierte Benedikt Kauertz (ifeu-Institut Heidelberg) über die großen Themen Müll, Recycling und die Ökobilanz von Produkten. Foto: Beckmann
Von Silke Beckmann
Ladenburg. Windeln aus Stoff oder doch die klassischen Einmalstücke? Was ist besser für die Umwelt? "Keine simple Fragestellung", bekannte Benedikt Kauertz, zumal die Ökobilanz von Windeln die weltweit am meisten diskutierte sei. Und wie sieht es in öffentlichen Toiletten aus? Papierhandtücher oder besser waschbare Stoffrolle? Auch das lässt sich nicht pauschal beantworten. Immer müssen etliche Faktoren berücksichtigt werden im Bewertungssystem Ökobilanz. Fest steht aber: Vermeidung ist das alleroberste Gebot in der Abfallhierarchie.
"Ladenburg stoppt die Plastikflut: Recycling - Upcycling - Zero Waste" war die Veranstaltung im Domhof überschrieben, zu der die Stadt und der Arbeitskreis Umwelt mit Benedikt Kauertz, einem Umweltforscher am Institut für Energie und Umweltforschung in Heidelberg (ifeu), einen echten Experten eingeladen hatte. Mit rund hundert Besuchern stieß die Veranstaltung auf breites Interesse.
"Das Thema Müll hat an Gewicht gewonnen", sagte Bürgermeister Stefan Schmutz und verwies auf die Bewegung "Fridays For Future", mit der Jugendliche mehr Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit einfordern. Die Zahlen sprechen für sich: Während der weltweite Kunststoff-Verbrauch in den 50er-Jahren noch bei 1,5 Millionen Tonnen lag, explodierte er auf satte 350 Millionen Tonnen heute. Doch was passiert nach der Verwendung damit? Ein Großteil wird in die Meere gespült, und die Abbauzeit für Kunststoff liegt bei 450 Jahren.
Deutschland sei nicht Hauptverursacher des "Marine Litter" (Abfälle im Meer), erklärte Kauertz; problematisch sei es besonders, wenn der Konsum verpackter Güter auf nur gering vorhandene Entsorgungssysteme treffe, wie es in Schwellenländern der Fall ist, wo es eine aufstrebende Mittelschicht gibt.
Auch interessant
Fakt ist aber auch, dass Verpackungsabfälle hierzulande stark zunehmen: von 12.000 Kilotonnen im Jahr 2000 auf 14.453 Kilotonnen 2016: "Steigender Lebensstandard führt in der Regel zu zunehmendem Abfallvolumen", so Kauertz. Auch der Online-Versandhandel spielt eine Rolle. Als Konsequenz dieser Entwicklung will die EU Abfall vor allem als Ressource begreifen. Kauertz sieht das auch kritisch. Das System des Kunststoffrecyclings sei in Deutschland zwar prinzipiell gut, leide aber an zu vielen Materialien und zu kleinteiligen Produkten. Was kann also jeder tun?
Kauertz nannte den Wochenmarkt-Einkauf und Unverpackt-Läden, wie er mit "Maggi’s unverpackt" vor Kurzem auch am Ladenburger Marktplatz Einzug gehalten hat. Weitere Tipps: Mehrwegtaschen und der Fokus auf Regionales und Saisonales. In der anschließenden Gesprächsrunde warf Zuhörer Bernd Nagel die Frage in die Runde, wie man dieses wichtige Thema verständlich jenen näherbringt, die sich nicht unbedingt dafür interessieren. Kauertz hofft da auf die junge Generation: "Irgendwann muss es cool sein, seinen Abfall nicht mehr auf die Straße zu schmeißen." Dass man die Zusammenhänge auch in Schulen thematisieren müsse, eventuell mit Projekten oder einem eigenen Fach, bestätigte Clara Frank, Schülerin des Carl-Benz-Gymnasiums.
Die Vorbildfunktion von Elternhaus und Gesellschaft führte Stadträtin Angelika Gelle ins Feld. Wenngleich im Kindergarten viel getan werde, könne man doch nur punktuell Einfluss nehmen, sagte die Leiterin der evangelischen Einrichtung. Die Verwaltung hörte Kritik von einer an der L597 aktiven Müll-Sammlerin, die den in Säcken gebündelten Abfall nur "ausnahmsweise" auf dem Bauhof entsorgen durfte und sich daher einen Plan wünscht, denn "eigentlich ist die Kommune als Entsorgungsträger verantwortlich".
Dem Vorschlag, neben den öffentlichen Restmüll- auch grüne Tonnen zu platzieren, hielt Bürgermeister Schmutz entgegen, dass öffentliche Behälter häufig zur Entsorgung von Hausmüll genutzt würden. Applaus hörte Claudia Schmitt, die sich von dem Abend mehr praktische Handreichungen für den täglichen Gebrauch gewünscht hätte, gleichzeitig aber auf den verbreitete Fehlannahme aufmerksam machte, kompostierbare Plastiktüten würden in der Biotonne korrekt entsorgt.
Reichlich Informationsmaterial hatte Umweltberaterin Anna Struve mitgebracht, in der Bibliothek findet sich zudem ein Büchertisch zum Thema. Und wer einen Beitrag zur Sauberkeit leisten möchte, sollte sich am Samstag, 30. März, bei der Putzaktion "Ladeberg g‘hert gekehrt" beteiligen, wozu der Bürgermeister nochmals aufrief.