Viel Verständnis, aber auch große Sorgen an der Bergstraße
Skifahrer sind enttäuscht - Schulen wollen eigene Regelungen umsetzen - Gastronomen ärgern sich - Einzelhandel hofft auf treue Kundschaft

Bergstraße/Neckar. (hö/krs/ans/keke) Kontakte müssen weiter reduziert werden, mindestens bis zum 20. Dezember bleiben Restaurants noch zu, und touristische Reisen soll es auch nicht geben. Die RNZ hat in der Region nachgefragt, wie die Corona-Beschlüsse vom Mittwoch bei Gastronomie, Verwaltung und Vereinen ankommen.
> Schriesheim: Bürgermeister Hansjörg Höfer war schon immer ein Verfechter des Lockdowns bei hohen Corona-Zahlen – und so ist es auch jetzt. Zugleich hält er auch die Lockerung der Kontaktbeschränkungen an Weihnachten für "sehr weise": "Die Familien hätten sich sowieso nicht daran gehalten." Ansonsten sieht er seine Stadt "auf einem guten Weg": Die Anzahl der Personen in Quarantäne hätten sich fast halbiert – im Moment sind es 21. Allerdings macht er sich Sorgen um die Gastronomie – und er glaubt auch, dass die Lokale nicht vor Ende des Winters wieder aufmachen. Die Stadt hat bereits darauf reagiert: Für ihre 180 Angestellten sowie für die rund 50 Stadt- und Ortschaftsräte gibt es Gutscheine wegen der ausgefallenen Weihnachtsfeiern, die in den Gaststätten eingelöst werden können: "Damit kommt wieder etwas Geld in die Betriebe." Zugleich ruft Höfer die Vermieter auf, den Lokalen bei der Pacht "deutlich entgegenzukommen".
Szenenwechsel: Eigentlich wären die Skifahrer des TVS jetzt auf ihrer Eröffnungsfahrt in Obergurgl. "Die haben wir im Oktober abgesagt", sagt Abteilungsleiterin Sabine Haag. Die nächste Ausfahrt ist in den Faschingsferien geplant, aber Haag ist wenig optimistisch: "Im Prinzip rechnen wir mit Absagen, deswegen haben wir auch mit Stornierungsoption gebucht." Eine Überlegung sei, zum Langlauf in den Schwarzwald zu fahren. "Aber da ist die Frage, ob es Schnee gibt." Sie ärgert, dass Vereine wegen der Zwei-Haushalte-Regelung im Freien keinen Sport machen dürfen. So hat die Ski-Abteilung momentan gar kein Angebot. "Online-Sport wird einfach nicht so gut angenommen, wie zum Beispiel eine Runde walken zu gehen."
> Edingen-Neckarhausen: Auch hier haben die Skifahrer Sorgen: Die Abteilung "Ski und Board" des Turnvereins Edingen hat die Faschingsausfahrt im Februar bereits abgesagt. "Ausgeschrieben haben wir sie zwar, aber es hat sich niemand angemeldet, und wir haben auch keine Werbung dafür gemacht", sagt Abteilungsleiter Daniel Koch. Bei der Ausfahrt im Januar wartet er noch mit der Absage. "Aber es sieht stark danach aus, dass auch die nicht stattfinden kann." Bei geschlossenen Sporthallen und Kontaktbeschränkungen gibt es für die Skifahrer kein Alternativprogramm. Der Verein wolle kein Risiko eingehen. Dass Training und Ausfahrten ausfallen, sei zwar schade, findet Koch. "Aber im Moment gibt es Wichtigeres als Skifahren."
> Ladenburg: Dass Schulen in Corona-Hotspots künftig mit spezifischen Maßnahmen vor Ort reagieren sollen, begrüßt der stellvertretende Rektor des Carl-Benz-Gymnasiums (CBG), Falko Lohberger. "Ich halte es für gut, wenn an die lokalen Gegebenheiten angepasste flexible Entscheidungen von einzelnen Schulen getroffen werden können", sagt er. Solche schulspezifischen Maßnahmen könnten am CBG wöchentlicher Wechselunterricht ab Klasse 8 oder gestaffelte Ankunfts- und Abfahrtszeiten für Schüler sein, die auf Busse angewiesen sind.
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Dass die Weihnachtsferien schon am 19. statt erst am 23. Dezember starten sollen, bewertet Lohberger als eine Maßnahme, die vom Kosten-Nutzen-Verhältnis zwischen Bildung und Infektionsschutz "sehr günstig ist". Er wünsche sich nun, dass die fünf Tage vor Weihnachten auch so konsequent zur Isolation genutzt werden. Die Gesamtelternbeiratsvorsitzende Ulrike Lulei vermutet, dass die früheren Ferien für Eltern kein all zu großes Problem werden, schließlich gehe es nur um zwei Tage.
> Hirschberg: Die Chefin des Hotels Krone in Großsachsen, Sabine Grüber, hat schon mit der Verlängerung des Teil-Lockdowns gerechnet. "Ich fand es aber schlecht, dass nicht konkret gesagt wurde, wie es nach dem 20. Dezember weitergeht", kritisiert sie. Jeden Tag bekommt sie gut 30 Anrufe von Gästen, die wissen wollen würden, wie es mit ihrer Reservierung aussieht. Immerhin hat sie für Weihnachten 500 Reservierungen im Restaurant. Auch ärgert sich Grüber, dass der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), aus dem sie ausgetreten ist, sich nicht stärker für die Branche einsetzt. "Ich werde nie verstehen, warum man mit 500 Mann in ein Einrichtungshaus kann, aber nicht essen gehen darf", sagt Grüber. Immerhin läuft ihr "Essen to go" gut, das sie auf jeden Fall auch über Weihnachten anbieten will. Sollte sie wieder öffnen dürfen im Dezember, wäre sie sofort startbereit, sagt Grüber. Das Hotel, das sie zuletzt geschlossen hatte, wird ab Montag wieder für Geschäftsreisende geöffnet. "Es gab schon ein paar Anfragen." Worauf sie immer noch wartet, ist die angekündigte finanzielle Hilfe vom Bund. Erst am Mittwoch war es möglich, einen Antrag zu stellen. Doch zunächst soll sie nur eine Abschlagszahlung in Höhe von 10.000 Euro erhalten. "Das reicht bei 40 Mitarbeitern und Stromkosten für 4000 Quadratmeter hinten und vorne nicht." Auch würde oft vergessen, was die Kellner besonders hart trifft: der Wegfall von Zuschlägen und Trinkgeld, was einen erheblichen Anteil am Verdienst ausmacht. Für Grüber lautet jetzt die Devise: "Aussitzen".
Ebenso wenig überrascht von den Beschlüssen ist der Förderkreis des Olympia-Kinos. "Natürlich hätten wir uns gefreut, wenn wir unseren Kunden wieder etwas hätten anbieten können", sagt Vorstandsmitglied Jürgen Glökler. Zumal das Kino vor der erneuten Schließung richtig gut lief. Noch sei es finanziell nicht am Limit, da man im letzten Jahr gut gewirtschaftet habe. "Aber wie lange das noch reicht ...", rätselt Glökler. Sollte es im Dezember noch möglich werden, Filme zu zeigen, könnte das "Olympia" dies bewerkstelligen, falls es nicht zu kurzfristig angekündigt wird.
> Weinheim: Prinzipiell seien die neuen Regelungen sinnvoll, sagt Sebastian Kerner, Inhaber von "Herrenmoden Englert" in der Burgenpassage. So viel sei schon jetzt absehbar: Die Hoffnung, die "Delle" aus dem ersten Lockdown durch das Weihnachtsgeschäft einigermaßen kompensieren zu können, werde sich nicht erfüllen. Dank seiner treuen Stammkundschaft gibt sich Kerner dennoch optimistisch, auch den jetzigen Lockdown verkraften zu können. "Wer kompetente Beratung zu schätzen weiß, wandert nicht ins Netz ab". Darüber hinaus bietet sein Laden die Möglichkeit, jederzeit zur Probe eine Auswahl an Kleidungsstücken nach Hause zu liefern.
Als "schwierig" schätzt der Vorsitzende der Einzelhändlergemeinschaft "Lebendiges Weinheim", Christian Mayer, die Situation ein. Dennoch: "Wir nehmen es, wie es kommt, obwohl die neuen Vorschriften dem Jahresgeschäft einen weiteren Dämpfer versetzen." Gleichzeitig sei aber auch für die Kunden kein entspanntes Einkaufen möglich, wenn sie wegen der Abstandsregeln möglicherweise draußen in der Kälte warten müssen, bis sie ein Geschäft betreten dürfen. In "dieser besonderen Zeit", so Mayer, hätte er sich lieber einen verkaufsoffenen Sonntag im Advent gewünscht, anstatt die Böllerei an Silvester zu erlauben. Ein solcher Antrag des "Lebendigen Weinheim" an das Regierungspräsidium sei aber abschlägig beschieden worden.
So schwer es für alle Betriebe auch ist: Wer aus der Pandemie kommen will, müsse die Einschränkungen akzeptieren, meint Maria Zimmermann vom städtischen Tourismusbüro. Ihr Appell: "Nutzen Sie den Abhol- und Lieferservice der Gaststätten, um deren Überleben zu sichern und die gastronomische Vielfalt hinterher umso mehr wieder genießen zu können".



