Plus Typisierungsaktion in St. Leon-Rot

295 Menschen ließen sich Probe entnehmen

Die Große Hilfsaktion soll Christian B. aus St. Leon-Rot das Leben retten. Eine Probe der Mundschleimhaut genügt, "es kostet nur etwas Zeit".

07.08.2023 UPDATE: 07.08.2023 06:00 Uhr 3 Minuten, 6 Sekunden
„Das hätte man schon früher machen können“: Ein Betroffener im direkten Umfeld war für viele der 295 Menschen, die sich typisieren ließen, eine Art Weckruf. Foto: Pfeifer

Von Kim Fellger

St. Leon-Rot. "Es kann wirklich jeden treffen", erklärte Tabea B., deren Vater Christian B. an Krebs erkrankt ist und deshalb dringend eine Stammzellspende benötigt. Vergangenen Freitag organisierten die Ortsverbände des Roten Kreuzes von St. Leon und Rot und die Deutsche Stammzellspenderdatei in der Multihalle an der Parkringschule eine Typisierungsaktion für den 52-Jährigen.

Dass plötzlich eine Person aus dem eigenen Umfeld auf eine Stammzellspende angewiesen ist, empfanden alle Anwesenden als eine Art Weckruf. Heidrun Edinger berichtete beispielsweise: "Die Notwendigkeit, sich registrieren zu lassen, ist einem lange nicht so bewusst." Man nehme sich nicht die Zeit, sich zu typisieren, bis man dann selbst oder Freunde betroffen seien, ergänzte sie – Edinger kennt Christian B. persönlich.

Es waren aber auch Menschen vor Ort, die keine Bekanntschaft mit dem 52-Jährigen gemacht haben, wie Maggy Horvath. Auch wenn sie schon davor Kampagnen für Stammzellspenden gesehen hatte, habe es sie nun "mehr gepackt", da eine Person aus ihrer Gemeinde Hilfe benötige. Dieser Zusammenhalt im direkten Umfeld war auch bei den Mitgliedern der Walldorfer Feuerwehr zu spüren: Obwohl sie Christian B. persönlich nicht kennen, wie Christian Halm erzählte, sei man gerne hier, weil der Betroffene bei der Feuerwehr in Rot aktiv sei – "das verbindet".

Kurz ein paar Zellen der Mundschleimhaut entnehmen, das genügt. Foto: Pfeifer

Ferner sei der Aufwand sehr gering, "es kostet nur etwas Zeit", wie sein Kollege Moritz Magel ergänzte, und es bestehe die Möglichkeit, Leben zu retten. "Im Prinzip hätte man das schon früher machen können", stellte Halm fest.

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Die Töchter des Betroffenen zeigten sich berührt von den vielen Menschen, die gekommen waren, um ihrem Vater zu helfen. "Wir freuen uns über jeden von euch, der kommt und sich typisieren lässt", sagte Maike B.. Tatsächlich registrierten sich 295 Menschen im Rahmen der vierstündigen Typisierungsaktion. Als kleine Belohnung für den Zeitaufwand wartete auf die Teilnehmenden ein reichhaltiges Kuchenbüfett. Auch wenn es einem nicht möglich war, bei der Aktion mitzumachen, verwiesen Maike und Tabea B. mehrfach auf Registrierungskits für zu Hause. Diese ermöglichen es, eine Typisierung ganz einfach selbst durchzuführen. Zudem wurde und wird um Geldspenden für die Stammzellspenderdatei gebeten.

Suche nach "Gewebezwillingen"

Daniela Stötzer, die Leiterin der Administration und Koordination der Deutschen Stammzellspenderdatei (DSSD), berichtete, dass "seit Mitte diesen Jahres Typisierungsaktionen wieder regelmäßig stattfinden". Davor seien aufgrund von Corona groß angelegten Registrierungsveranstaltungen nicht möglich gewesen.

Bei einer Typisierungsaktion werden die genetischen Gewebemerkmale der potenziellen Spenderin oder des potenziellen Spenders registriert: Eine Probe der Mundschleimhaut genügt. Damit gibt man auch die Einwilligung, dass der eigene "Gewebetyp" anonymisiert an eine globale Stammzellspenderdatenbank weitergeleitet wird. Das Ziel von Typisierungsaktionen sei es, einen "Gewebezwilling" für die erkrankte und auf eine Stammzellspende angewiesene Person zu finden, so Stötzer. Man suche also nach einer möglichst großen Übereinstimmung zwischen Gewebemerkmalen von zwei Menschen.

Am wahrscheinlichsten ist es, einen "vollidentischen Spender" unter den eigenen Geschwistern zu finden, da der Gewebetyp jeweils zur Hälfte von Mutter und Vater vererbt wird. Dann gibt es auch noch die Möglichkeit eines Fremdspenders, der über internationale Datenbanken gefunden werden kann. Es sei "reiner Zufall", konstatierte Stötzer, wenn der eigene Gewebetyp mit dem eines fremden Menschen übereinstimme – aber nicht gänzlich unwahrscheinlich. Schließlich fänden 90 Prozent aller Menschen, die Stammzellen benötigen, einen Spender.

Aktuell sind 40 Millionen potenzielle Spender weltweit registriert und je mehr Menschen sich registrieren lassen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, einen nahezu "vollidentischen Spender" zu finden. Es ist wichtig, einen Spender mit möglichst ähnlichen Gewebeeigenschaften zu bekommen, da das Risiko der Abstoßung der Stammzellen bei größerer Kompatibilität abnimmt.

Laut Daniela Stötzer sind darüber hinaus noch die Art der Erkrankung und der Zeitpunkt der Diagnose ausschlaggebend für die Erfolgschancen der Stammzellspendentherapie. Obwohl das Verfahren sehr aufwendig und kostenintensiv sei, gebe es dazu aktuell keine Alternative, da "die Transplantation der Stammzellen das einzige Erfolg versprechende Verfahren für eine vollständige Heilung" sei. Das Verfahren mit dem fremden Spender sei also ein "ganz großes Konzept".

Der genaue Prozess der Spende laufe über eine sogenannte "periphere Stammzellenentnahme" ab, so Stötzer. Dabei gelangen nach zusätzlichen Gaben eines körpereigenen Hormons vermehrt Stammzellen ins Blut, das im Anschluss entnommen und gefiltert wird – das Ganze ähnelt einer Dialyse, also Blutwäsche. Dies geschehe jedoch nicht vor einer ausführlichen Risikobewertung für Spender und Patient, wie Stötzer mehrfach betonte. Auch sei es dem potenziellen Spender jederzeit und ohne die Angabe von Gründen möglich, von der Spende zurückzutreten.

Daniela Stötzer wollte mit ihren Erläuterungen auch verdeutlichen, dass niemand Angst vor einer Spende haben muss und die Zeiten der Knochenmarkspenden unter Vollnarkose vorbei sind. Denn viele hatten bis vor Kurzem noch nie etwas von der neuen und risikoärmeren Methode der "peripheren Stammzellenentnahme" gehört.

Das bestätigte Torsten Hoffmann, Bereitschaftsleiter des Roten Kreuzes in St. Leon. Es sei die erste Typisierungsaktion, die man für ein Mitglied der Gemeinde organisiere. "Erst jetzt merkt man so richtig, wie wichtig es ist, sich registrieren zu lassen", betonte Hoffmann.

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