St. Leon-Rot

Wird die Kramer-Mühle zu teuer?

Der Gemeinderat bezweifelt, ob das komplette Nutzungskonzept realisiert werden kann.

19.12.2022 UPDATE: 19.12.2022 06:00 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Nicht nur angesichts von Witterungsverhältnissen wie in den vergangenen Tagen war die Sicherung des Gebäudebestands der Kramer-Mühle gegen schädliche Einflüsse von außen unumstritten. St. Leon-Rots Gemeinderat stellt aber alle weiteren Arbeiten auf den Prüfstand. Foto: Lerche

Von Sebastian Lerche

St. Leon-Rot. Modernisierung und Ausbau der historischen Kramer-Mühle wären schon in guten Zeiten ein Kraftakt. Jetzt aber steht die ansonsten finanziell gut ausgestattete Gemeinde St. Leon-Rot vor einem Haushaltsloch: Weniger Einnahmen als sonst und Rückzahlungen von Steuereinnahmen summieren sich auf über 80 Millionen Euro.

In der jüngsten Gemeinderatssitzungen wurden daher nicht nur Stimmen laut, dass das Mühlen-Projekt zeitlich über noch mehr Jahre gestreckt werden muss: Sie stellten die Umsetzbarkeit des unter enger Beteiligung der Bürgerschaft erarbeiteten Nutzungskonzept in Frage. Kritik gab es auch an der Kommunikation: Viele Ratsmitglieder fühlten sich nicht ausreichend und vor allem nicht früh genug über den Verlauf der Arbeiten informiert.

Im September war die für viele Ratsmitglieder schockierende Summe von mehr als 24 Millionen Euro für das Projekt genannt worden. Ingenieurshonorare von über vier Millionen kommen hinzu. An den Geduldsfäden zerren sich häufende schlechte Nachrichten: Neue Auflagen des Denkmalamts, der wenig tragfähige Boden und eine zeitgemäße Gebäudetechnik mit Heizung und Lüftung ohne fossile Energieträger haben zu Kostensteigerungen geführt.

Daran erinnerte Ortsbaumeister Ruben Dietz. Man bewege sich weiter "auf einem schmalen Grat", was die Anforderungen an ein modernes, gut nutzbares Gebäude gegenüber den Vorgaben des Denkmalschutzes angehe. Ein Augenmerk liegt ihm zufolge auch auf dem Außengelände der Mühle: Man bemühe sich, die Mühlenwiese und die Nussbaumwiese im rückwärtigen Bereich während des Umbaus zu schonen.

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Um klarer zu sehen, was ein potenzieller Betreiber der Mühle beispielsweise für die angedachte Gastronomie benötigt, wurden laut Dietz schon Gespräche geführt, allerdings wurden wegen der Haushaltslage Vergabe- und Konzeptentwicklungen vorläufig gestoppt. Noch sei nichts entschieden, wurde betont.

Wichtig dabei, so Dietz: Die bereits erhaltenen Zuschüsse, insgesamt gut drei Millionen Euro, dürfe man nicht verspielen. Die müssen aber eigentlich bis Ende 2023 verwendet werden, was angesichts der aktuellen Gesamtsituation nicht machbar scheint. Dietz will sich daher um eine Fristverlängerung und eventuell eine Aufstockung bemühen.

Dass der Fokus auf der Bestandssicherung liegt, fand die Zustimmung des Gemeinderats: Witterung, absackender Boden oder andere Einflüsse dürften die Mühle nicht derart beschädigen, dass sie das Gesamtprojekt riskieren oder später zu hohen Mehrkosten führen. So gab es kein Veto gegen die Sanierung der Dächer, die noch bis April 2023 laufen soll und rund zwei Millionen Euro kostet. Verständnis hatten die Ratsmitglieder auch für die Fundament-Ertüchtigung, die Ende 2023 abgeschlossen sein und ebenfalls zwei Millionen Euro kosten soll.

Der aktuelle Fahrplan sieht aber zudem den Ausbau der Scheune bis Sommer 2024 vor. Das vom Haupteingang aus gesehen links gelegene Gebäude soll Küche, Restaurant und Café beherbergen, die Kostenschätzung beläuft sich zurzeit auf 4,5 Millionen Euro. Von Ende 2023 bis Ende 2025 sind umfangreiche Modernisierungsarbeiten insbesondere in Haupthaus und Mühle angedacht, neun Millionen Euro stehen dafür im Raum. Der Neubau für die Mediathek wäre laut den Planungen von Mitte 2025 bis Ende 2026 zu errichten. Inklusive neu gestaltetem Bachufer mit Sitzstufen soll dies 6,5 Millionen Euro kosten.

Wegen der aktuellen Haushaltslage hatte Siegfried Köck (Freie Wähler) Zweifel, dass die "enorme Herausforderung" dieses Großprojekts zu schaffen ist – zumindest gemäß dieser Ablaufplanung. Schlichtweg fehlten die Mittel, so Köck: "Diese hohen Summen können wir nicht mehr mittragen. Besonders aus der Bürgerschaft kommen sehr kritische Stimmen." Von gültigen Verträgen und Bestandssicherung abgesehen, müsse alles auf den Prüfstand: Köck beantragte daher, der Mühle eine eigene Ratssitzung zu widmen.

"Wir stehen zur Kramer-Mühle", erklärte Achim Schell (CDU), aber man könne nicht alles auf einmal durchziehen. Man müsse den Zeitplan überdenken und in den kommenden Haushaltsberatungen entsprechend festlegen, was sein müsse und was noch warten könne.

Dach und Fundament: Die Notwendigkeit dieser Arbeiten sei nachvollziehbar, meinte Michael Herling (FDP). Was die Gastronomie beziehungsweise den Betrieb der Mühle angehe, sei das Harres-Team für ihn erster Ansprechpartner. Den Ausbau der Scheune zum Restaurant befürwortete er, "weil dadurch wieder Geld hereinkommt". Aber die neue Mediathek bezeichnete Herling als das erste, an dem man sparen sollte und schien sich hier der Zustimmung anderer Ratsmitglieder sicher.

Gegen "voreilige Schnellschuss-Entscheidungen" wandte sich jedoch Holger Maier (Grüne). Seine Fraktion stehe zur Mühle und zum mit der Bürgerschaft erstellten Nutzungskonzept. Erhalt und Sicherung aller historischen Gebäude seien nun entscheidend. Die Mühle müsse baldmöglichst bereit für die Nutzung durch Vereine und für kulturelle Veranstaltungen sein. Das Haushaltsloch sei nur temporär, keine dauerhafte, strukturelle Verschlechterung der Finanzlage.

"Die Aussichten sind durchweg düster", widersprach Rouven Dittmann (Junge Liste). Die im Mühlen-Plan aufgelisteten Ausgaben nach Abschluss der Bestandssicherung "sehen wir sehr kritisch". Und die Zuschüsse ließ er als Argument nicht gelten: Man könne nicht nur deshalb 20 Millionen ausgeben, um vier Millionen zu erhalten. So viel bei all den Einsparbemühungen auszugeben, könne niemand der Bevölkerung vermitteln.

Auf die groß angelegte Bürgerbeteiligung berief sich Wolfgang Werner (SPD): Der Wunsch, dass die historischen Gebäude erhalten und für die Menschen nutzbar gemacht werden, sei in der Bevölkerung stark. Klar sei, dass der Bestand gesichert werden müsse.

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