St. Leon-Rot

Wieder keine Mehrheit für Live-Übertragung der Ratssitzungen

Der Gemeinderat lehnte den Grünen-Antrag ab: Die rechtliche Hürden seien bisher noch zu hoch.

15.12.2020 UPDATE: 16.12.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Rathaus in St. Leon-Rot

Das Rathaus in St. Leon-Rot. Foto: Reinhard Lask

Von Sophia Stoye

St. Leon-Rot. Gemeinderatssitzungen in Echtzeit von zuhause aus mitverfolgen: Das hatte vor Kurzem die Grünen-Fraktion des St. Leon-Roter Gemeinderats beantragt. "Videokonferenzen sind für viele zur Dauer-Einrichtung geworden", begründete Norbert Knopf (Grüne) den Antrag. Zwar habe die Landespolitik aufgrund der aktuellen Lage schon reagiert und es den Gemeinden ermöglicht, Ratssitzungen als Videokonferenzen abzuhalten. Allerdings müsse der Zuschauer noch immer im Sitzungssaal anwesend sein, sofern er die Sitzung mitverfolgen wolle. "Diesen Zustand finden wir nicht gut. Die Zeit ist reif, auch das Zuschauen von Gemeinderatssitzungen ins Internet zu verlegen", so Knopf.

Als Grundlage des Antrags bezog sich die Fraktion auf einen Internetartikel der Zeitschrift "Kommunal", in dem die Stadt München als Beispiel angeführt wurde. Dort sei der Livestream der Ratssitzungen schon lange geübte Praxis: Die Bürger können die Debatten im Internet live mitverfolgen, im Anschluss ist außerdem eine Aufzeichnung der Sitzung verfügbar. Weiterhin betont der Artikel, dass dadurch deutlich mehr Menschen erreicht würden als in ihrem Sitzungssaal Platz auf der Zuschauertribüne hätten: bis zu 1000 Menschen während der Echtzeit-Übertragung und weitere 500 durch die anschließende Aufzeichnung. Der technische Aufwand fiele dabei kaum ins Gewicht, so der Online-Artikel.

Wie auch 2017, als die Grünen einen solchen Antrag schon einmal gestellt hatten und er mehrheitlich abgelehnt wurde, empfahl die Verwaltung erneut eine Ablehnung des Antrags. Als Hauptgrund wurde auf die Datenschutz-Grundverordnung verwiesen, die eine Internetveröffentlichung nur dann als rechtmäßig erklärt, wenn "eine rechtliche Ermächtigung oder Einwilligung des Betroffenen vorliegt". Somit müsste von jedem Mitglied des Gemeinderats eine solche Einwilligung vorliegen, damit die Sitzung ins Internet übertragen werden dürfte. "Wir sind auch bereit, Alternativen zum Livestream wie zeitversetztes Senden oder Podcasts (Audiobeiträge) zu nutzen", führte Knopf aus. Dafür würden sich die rechtlichen Rahmenbedingungen allerdings nicht ändern, heißt es in der Stellungnahme der Verwaltung.

Sobald ein Mitglied des Gemeinderats nicht mit einer Übertragung seines Redebeitrags ins Internet einverstanden ist, kommt es der Verwaltung zufolge zu "erheblichen Problemen bei der praktischen Umsetzung": Bei dieser Person müsste die Kameraführung dann immer ins Off geschwenkt und der Ton ausgeblendet werden. "Die eigentlich beabsichtigte Transparenz wäre gerade ins Gegenteil verkehrt", so die Verwaltungsvorlage. Dies hatte Knopf zuvor als ein Argument angeführt.

Außerdem müssten der Verwaltung zufolge Einwilligungen auch von weiteren an der Ratssitzung beteiligten Personen wie zum Beispiel Gemeindemitarbeitern, Gutachtern oder Zuschauerinnen sowie Zuschauern eingeholt werden – jeweils schriftlich. Dies sei vor allem bei den Sitzungsbesuchern nicht praktikabel. Zudem könnte eine laufende Kamera eine erhebliche Hemmschwelle darstellen, sich als Bürger überhaupt zu äußern, argumentiert die Verwaltung. Weiterhin müsse man allein für die technische Ausstattung mit Kosten von etwa 25.000 Euro rechnen. Außerdem würde entsprechendes Personal notwendig werden, das die Kameraführung übernehme oder die Aufzeichnungen zur Veröffentlichung überarbeite.

"Andere Gemeinden machen das schon seit vielen Jahren vor und zeigen, dass es rechtlich und praktisch möglich ist", argumentierte Gemeinderat Knopf. Gerade die aktuelle Coronalage biete sich als Testphase an. "Wir könnten 2021 die Übertragung anbieten. Wenn das der Gemeinderat danach immer noch ablehnt, haben wir zumindest einen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet", so Knopf weiter. Auch Wolfgang Werner (SPD), der 2017 gegen den Antrag gestimmt hatte, äußerte sich dieses Mal dafür: "Inzwischen hat sich einiges geändert: Es wird vieles online übertragen, sogar Gottesdienste."

Dennoch lehnte der Gemeinderat den Antrag mehrheitlich ab. "Viele Menschen können unsere Sitzungen aus der berechtigten Angst vor einer Ansteckung nicht mehr besuchen, aber an der Rechtslage hat sich nichts geändert", erklärte Tobias Rehorst (Freie Wähler). So könne er es keinem Kollegen oder keiner Kollegin verübeln, wenn sie als Kommunalpolitiker mit Lokalbezug nicht in der ganzen Weite des Internets aufgefunden werden möchten. Erwin-Peter Albert (Junge Liste) schloss sich der Argumentation an. "Es wird immer schwieriger, die Listenplätze bei der Kommunalwahl zu belegen. Das wäre aber mit Sicherheit etwas, das manche Bewerber abschrecken würde", ergänzte Udo Back (CDU). Michael Herling (FDP) gab außerdem zu bedenken: "Für viele könnte die freie Rede schwieriger werden. Damit könnte es keine Diskussionen, sondern nur noch ein Abgeben von Statements geben."

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.