Gemeinde kauft sich mit 11,8 Millionen Euro bei Netze BW ein
Intensive Diskussion im Gemeinderat - Sorge um die Liquidität der Gemeinde - Keine Zinsen auf der Bank, hier 3,6 Prozent Rendite

Symbolfoto: dpa
St. Leon-Rot. (seb) Energisch plädierte Bürgermeister Dr. Alexander Eger dafür und stellte die Vorteile heraus: eine Rendite von 3,6 Prozent, über fünf Jahre ein Ertrag von über 2,1 Millionen Euro. Nach einer intensiven Diskussion und einer Pause zur fraktionsinternen Beratung konnte der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung schließlich mit 19 Mal Ja und drei Mal Nein (Adolf Geider, Freie Wähler, Jochen Germer und Udo Back, beide CDU) zustimmen. Die Gemeinde beteiligt sich also mit 11,8 Millionen Euro an Netze BW, 100-prozentige Tochtergesellschaft des Energieversorgers EnBW.
Mit der Beteiligung geht auch ein Mitspracherecht einher, etwa mit Blick auf die Energiewende, erläuterte Ralf Strohecker von EnBW. Zunächst gilt die Beteiligung für fünf Jahre ab Mitte 2020, eine Fortsetzung ist möglich. Die über 500 Kommunen, denen dieses Angebot unterbreitet wird (wo die Firma Netzbetreiber ist), können sich zu insgesamt 24,9 Prozent an Netze BW beteiligen. Dazu verkaufen die Besitzer Anteile - laut Strohecker sind EnBW und Tochter "zu 99,9 Prozent in öffentlicher Hand", zu 49 Prozent in der des Landes, ansonsten überwiegend im Eigentum von Landkreisen oder kommunalen Verbänden.
Das war ein Umstand, der das Vertrauen der Ratsmehrheit ins Unternehmen stärkte. Zumal Strohecker betonte, dass ein Ausgleich vorgesehen sei, sollte Netze BW an Wert verlieren. Das finanzielle Risiko sei also "nur theoretisch", man gehe nicht davon aus, dass EnBW insolvent gehe. Andererseits stellte Prof. Wolfgang Werner die Frage in den Raum, wie vertrauenswürdig die Landesregierung sei, "die EnBW schon einmal verkauft hat", und was dann mit St. Leon-Rots Geld passiere. Fraktionskollege Klaus Grün wiederum war dafür angesichts einer Rendite von 3,6 Prozent, die man nirgendwo sonst erwarten könne.
Siegfried Köck (Freie Wähler) trieb vor allem die Sorge um die liquiden Mittel der Gemeinde um. Die wirken, wie auch andere Räte hervorhoben, mit rund 85 Millionen Euro zwar durchaus enorm, sind aber zu zwei Dritteln für künftige Zahlungsverpflichtungen gebunden. Zudem sind fast 32 Millionen Euro bereits für beschlossene Baumaßnahmen und andere Investitionen vorgesehen.
In derselben Sitzung war überdies deutlich geworden, dass St. Leon-Rot den Neubau eines Kindergartens angehen muss und dass weiterhin ein Gewerbesteuer-Risiko besteht: Zirka zwölf Millionen, vielleicht sogar bis zu 20 Millionen Euro Rückzahlung stehen im Raum und laut dem Bürgermeister ist nicht sicher, wann ein Gericht die endgültige Entscheidung fällt.
"11,8 Millionen sind ein Riesenbatzen, die Hälfte eines Jahreshaushalts", betonte Udo Back, der zu viele offene Fragen und ein schwer kalkulierbares Risiko sah. Auf seine Fragen antwortete Ralf Strohecker, dass die Ergebnisse einer Wirtschaftsprüfung für die berechtigten Kommunen im Internet einsehbar seien, ebenso Vertragsdetails, die aber erst im April 2020 konkret ausformuliert sein sollen.
Roland Hecker (FDP) räumte ein, dass ein Risiko vorhanden sei, aber die Rendite sei "der Wahnsinn". Wobei er wie auch Udo Back darauf hinwies, dass die Gemeinde Steuern auf die erwähnten 2,1 Millionen Zinsertrag zahlen muss - laut Strohecker aber weniger als 30 Prozent, Kommunen könnten die Steuer minimieren. Rouven Dittmann (Junge Liste) verstand die Bedenken und sah ebenfalls offene Fragen: Seine Fraktion könne nur zustimmen, "wenn wir es uns leisten können".
Als "sehr sichere Sache" wiederum sah es Norbert Knopf (Grüne): Auf der Bank gebe es "keine Zinsen", diese Rendite "kann ich nicht ablehnen". Das betonte auch Bürgermeister Eger: "Unsere Möglichkeiten, bei Banken anzulegen, schrumpfen zusammen. Ich habe das erste Formular einer Bank vorliegen, die Negativzinsen verlangt", da drohe "ein realer Geldabfluss".
Eger verschwieg auch nicht, dass die Kämmerei anderer Ansicht sei und zur erhöhten Vorsicht rate, schließlich sei es keine Geldanlage, sondern eine Unternehmensbeteiligung. Inwieweit damit also ausreichend liquide Mittel zum jeweils erforderlichen Zeitpunkt zur Verfügung stünden, sei schwer zu prognostizieren. Von jeher aber sei St. Leon-Rots Mittelbestand besser gewesen als laut Finanzplanung, so Eger. "Wenn alles im normalen Verlauf bleibt, sind die 11,8 Millionen nicht nur möglich, sondern geboten." Übrigens seien alle liquiden Mittel in der einen oder anderen Form angelegt, da gebe es immer ein gewisses Risiko, aber keine individuelle Entscheidung des Rats.
Eger und Knopf bestanden auf einer namentlichen Abstimmung, in fünf Jahren sehe man, ob die Entscheidung richtig war, Eger aber ging von "Anerkennung für die, die sich für 400.000 Euro mehr im Jahr entschieden haben", aus.



