St. Leon-Rot

Das Kleingedruckte will genau studiert werden

In St. Leon-Rot will ein neuer Akteur in Sachen schnelles Internet tätig werden. Verbraucherzentralen geben Tipps.

15.02.2021 UPDATE: 16.02.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 1 Sekunde
Wenn genügend Haushalte unterzeichnen, will die Deutsche Glasfaser in St. Leon-Rot für noch schnelleres Internet sorgen. Foto: Pfeifer

Von Sebastian Lerche

St. Leon-Rot. Mit 22 Ja-Stimmen hat St. Leon-Rots Gemeinderat befürwortet, dass die Deutsche Glasfaser Holding die Gemeinde mit schnellem Internet versorgt. Auch die Gemeinden Altlußheim, Neulußheim und Reilingen haben inzwischen auf ähnliche Weise das Engagement des Unternehmens begrüßt. In St. Leon-Rot hatten aber einige Rätinnen und Räte ihrer Skepsis offen Ausdruck verliehen.

Die RNZ hat bei Bürgermeister Alexander Eger und zwei Verbraucherzentralen nachgehakt: der von Baden-Württemberg, wo die Deutsche Glasfaser nach eigener Auskunft 1,6 Milliarden Euro in Glasfasernetze im ländlichen Raum investieren will, und der von Niedersachsen, wo die Firma schon länger aktiv ist.

In Baden-Württemberg fällt der Verbraucherzentrale die Beurteilung des Unternehmens schwer, da es hier noch ein neuer Akteur ist und es an Kundenrückmeldungen mangelt. Durch die Coronapandemie gilt die Aufmerksamkeit vermehrt der Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit der Internetverbindung. Und so haben sich die Beschwerden bei den Verbraucherzentralen wegen schlechter Verbindungen gehäuft – die betreffen aber durch die Bank alle Anbieter, auch die bekannten großen.

In Niedersachsen hat sich ebenfalls herausgestellt, dass kein Internet-Anbieter vor Beschwerden gefeit ist. Dort hat die Deutsche Glasfaser bereits eine Menge erreicht, so die Verbraucherzentrale – das Unternehmen selbst wirbt damit, dort und auch in Nordrhein-Westfalen "der beste Breitbandanbieter auf dem Land" zu sein.

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Zur Wahrheit gehört auch, dass die Firma mitunter der einzige Anbieter sein könnte. Im ländlichen Raum müsse man von Glück reden, dass überhaupt ein Unternehmen handeln wolle, spricht Bürgermeister Eger von "Marktversagen". Rückblickend erinnert er daran, wieso sich der Rhein-Neckar-Kreis überhaupt entschloss, seine 54 Kommunen selbst durch ein Glasfasernetz zu verbinden: Erst dadurch rückte schnelles Internet in greifbare Nähe. Und dadurch, so Eger, sei endlich auch die Privatwirtschaft aufgewacht.

Eger betont einmal mehr, dass eine Kommune mit so einem Netz mitsamt Kundengewinnung und -betreuung sehr gefordert wäre, zusätzlich zu all ihren anderen Aufgaben. Eine Investition von 20 Millionen Euro und eine Dauer von mindestens fünf Jahren, wie jüngst im Gemeinderat erwähnt, seien nicht unrealistisch. Und ebenso wenig wie ein Unternehmen könne eine Kommune die Glasfaser kostenlos in jedes Haus legen.

Dass Privatfirmen Versorgungsnetze aufbauen, sei nicht neu, so Eger. Und dass das Unternehmen nach eigener Auskunft nicht originär aus der Telekommunikationsbranche stammt, sondern Rendite für Altersvorsorge-Fonds erwirtschaften will, könne man ihm nicht vorneweg zum Nachteil auslegen.

Das Schlimmste, was passieren könne, wäre, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder ihre bisherige Internetverbindung nutzen müssen. Und da betont der Bürgermeister, dass die Versorgung in St. Leon-Rot nicht schlecht sei: Sie sei sogar so gut, dass keine "weißen Flecken" nach der Definition des Gesetzgebers festzustellen seien – gemeint sind Gebiete mit weniger als 30 Megabit die Sekunde.

Die Gemeinde kann gegenüber der Deutschen Glasfaser auch nicht als Interessenvertretung der Bürgerinnen und Bürger auftreten, erklärt Eger. Im St. Leon-Roter Vertrag mit der Deutschen Glasfaser ist nur geregelt, dass sie die Wege auf der Gemarkung für ihre Bauarbeiten nutzen könne, es sei keine Vereinbarung zum Netzbetrieb selbst. Man könne es als ein symbolisches positives Signal sehen, so Eger.

Niemand kann den Kundinnen und Kunden abnehmen, sich genau über ihre Rechte zu informieren, den Vertrag gut durchzulesen und die Deutsche Glasfaser – die in St. Leon-Rot in einem eigens angemieteten Büro präsent sein will – mit allen notwendigen Fragen zu löchern. Das heben auch die Verbraucherzentralen hervor. Vorab muss jedem klar sein, was auch die Deutsche Glasfaser offen kommuniziert: Wenn nicht mindestens 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger St. Leon-Rots unterzeichnen, wird es kein Glasfasernetz geben – dazu kann niemand das Unternehmen verpflichten.

Wobei es sich durchaus kulant und flexibel zeigt, wie jetzt in Neckarhausen deutlich wurde. Nach Ablauf des ersten Stichtags gab es eine Fristverlängerung und Ende letzter Woche stand fest, dass gut 36 Prozent der dortigen Haushalte den Glasfaseranschluss wollen. Eigentlich nicht genug, trotzdem hat die Deutsche Glasfaser laut der gestrigen Mitteilung entschieden: "Das Glasfasernetz wird ausgebaut." Man habe eingesehen, dass coronabedingt nicht die volle Beratungsleistung erfolgen und damit auch die "Nachfragebündelung" nicht wie üblich erreicht werden konnte, hieß es.

Worauf Interessenten ein Auge haben sollten, legen die Verbraucherzentralen dar: die Dauer der Bindung an den Anbieter sowie die Preistabelle für die verschiedenen Angebote, eventuelle Kostenanstiege im Laufe der Zeit oder für Leistungen, die nicht zur eigentlichen Internetverbindung gehören, wie Fernsehen oder Mobilfunk. Gerade das Kleingedruckte zu den versprochenen Leistungen, vor allem der Geschwindigkeit, will genau studiert werden. Die Verbraucherzentralen weisen auch auf ein Urteil des Bundesgerichtshof 2013 hin: Damit wurde die Bedeutung einer guten Internetverbindung betont, daher kann man bei Ausfällen nicht nur sein Geld zurück-, sondern überdies noch Schadenersatz verlangen.

Wer generell Zweifel hat, dass die eigene Internetverbindung die versprochene Geschwindigkeit erreicht, kann sich an die Bundesnetzagentur wenden: Im Internet unter breitbandmessung.de sollte man an mehreren Tagen und zu verschiedenen Zeiten die Datenübertragungsrate ermitteln lassen, um damit gegenüber dem Anbieter argumentieren zu können.

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