Wie Weinheim der "Kita-Not" Herr werden will
Stadt muss dringend Kindergarten-Plätze schaffen - Proteste aus Rippenweier

Von Philipp Weber
Weinheim. Im Grunde ist es erfreulich: In Weinheim gibt es wieder mehr Kinder, was nicht zuletzt an neuen Bau- und Sanierungsgebieten liegt. Die Experten der Verwaltung und die Macher einer Studie gehen davon aus, dass sich allein die Zahl der Kindergartenkinder bis ins Kindergarten-Jahr 2025/26 um eineinhalb Prozent pro Jahr erhöht. Erst danach geht es langsam wieder bergab, wie die Verwaltung in ihrer Beschlussvorlage für den Kinder- und Jugendbeirat ausführt. Der Beirat ist am Mittwoch zusammengetreten. Er empfahl dem am 4. Dezember tagenden Gemeinderat, der Verwaltung sechs Prüfaufträge zu erteilen. Deren Ziel ist es, mehr Betreuungskapazitäten zu schaffen.
Denn mit der Zahl der Kinder steigt auch der Bedarf an Krippen-, Kindergarten- und Grundschulplätzen. Am kräftigsten muss sich die Stadt bei den Kindergärten ins Zeug legen. Das geht sowohl aus der Vorlage als auch aus den Äußerungen der Verwaltungsvertreter um OB Manuel Just hervor. Bei den Drei- bis Sechsjährigen stehen aktuell 1599 Kindern nur 1580 Kindergartenplätze gegenüber. Mitte Oktober befanden sich 37 Kinder auf einer Warteliste.
Die Verwaltung geht davon aus, dass sich die Zahl der Kindergartenkinder auch wegen der Bildungspolitik in Baden-Württemberg erhöht. Das Land will den Stichtag für die Einschulung von Kindern sukzessive vom 1. September auf den 1. Juni eines jeden Jahres vorverlegen. Für das Kindergartenjahr 2020/21 wird mit 1678, für 2021/22 sogar mit 1700 Kindern im Alter von drei Jahren bis hin zum Schuleintritt gerechnet. Bis zum prognostizierten Wendepunkt 2025/26 entstehe sogar ein Bedarf von neun weiteren Gruppen. Dies entspricht 196 Kindern.
Während der Evangelische Kindergarten "Sonne" schon im kommenden Kindergartenjahr um immerhin zwölf Plätze wächst, sind die sechs empfohlenen Lösungsansätze bisher lediglich Ideen. Eine davon betrifft die ebenfalls Evangelische Kita "Am Markusturm". Beim Neubau der Einrichtung könnte die Kirchengemeinde vier statt drei Gruppen einplanen. Von den über vier Millionen Euro Baukosten müsste die Stadt gut drei Millionen Euro tragen. Obwohl die bereits eingerichtete TSG-Sport-Kita in der früheren Stadiongastronomie "Seppl’s Herberge" (35 Kinder) eigentlich nur als Zwischenschritt hin zu einem Neubau auf dem Stadiongelände gedacht ist, könnte sie auch bis 2027/28 weitergeführt werden, so eine weitere Idee. Unabhängig davon soll der Neubau der TSG-Kita auf dem Stadiongelände bis 2022/23 fertig sein. Hier entstehen vier Kindergartengruppen.
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Außerdem soll es sowohl auf der Waid als auch im Neubaugebiet Allmendäcker je eine neue Kita geben. Wobei die zwei Gruppen starke Einrichtung im Neubaugebiet zuerst gebaut wird, ehe ab 2025 ein neuer, drei Gruppen zählender Kindergarten auf der Waid folgen könnte. Kapazitäten für weitere Krippen- und vor allem Kindergartengruppen könnte die Stadt zudem auf dem Gelände ihrer bestehenden Einrichtungen schaffen. Das betrifft die Standorte Bürgerpark, Kuhweid und Freiburger Straße, aber auch die heutigen Gebäude von Schweitzer- und Bach-Schule. Beide Standorte stehen leer, wenn das Schulzentrum Weststadt fertig wird.
Die Stellungnahmen der Fraktionen drehten sich unter anderem um die Ungerechtigkeit, dass der Bund Familien zum Beispiel den Rechtsanspruch auf Kindergartenplätze zubilligt, die damit verbundenen Bau- und Verwaltungskosten aber den Kommunen aufbürdet. Auch zu den einzelnen Standorten gab es eine Vielzahl an Fragen und Vorschlägen.
Protest meldete der Ortschaftsrat aus Rippenweier an: Anders als in der Beschlussvorlage dargestellt, sei der Bedarf an Kindergartenplätzen dort nicht gedeckt, sagte Ortsvorsteherin Anja Blänsdorf. In der Kita "Rasselbande" fehlten 2020 mindestens sieben Plätze, zwei Kinder würden 2021 leer ausgehen. Die nächsten Kitas seien in Hohensachsen und Oberflockenbach. Auch in den Jahren danach spreche nichts für einen geringeren Bedarf.
Der Ortschaftsrat setzt sich für einen zusätzlichen Container oder Bauwagen ein. OB Just äußerte Verständnis für die Situation der Eltern, allerdings seien mobile Lösungen nicht unbedingt günstiger. Er versprach nichts, plädierte aber dafür, entweder ein günstiges Provisorium oder eine hochwertige, aber rentierliche Lösung anzustreben. Beides wolle er überdenken.