FW-Fraktionssprecher besorgt über Zustand städtischer Gebäude
Bernd Hegmann fordert eine Analyse. Er ist weiter für das Neubaugebiet, doch er sieht die Mehrheit schwinden.



Fraktionssprecher der Freien Wähler Schriesheim
Von Micha Hörnle
Schriesheim. Der Fraktionssprecher der Freien Wähler, Bernd Hegmann, sieht den Zustand vieler Liegenschaften, die sich in Stadtbesitz finden, mit Sorge: Aus kleineren nicht behobenen Schäden entwickelt sich ein riesiger Reparaturstau, der das Gebäude am Ende nicht mehr sanierungsfähig macht. Dagegen soll nun eine Analyse aller Gebäude helfen – allein schon, um zu wissen, wie groß der Sanierungsstau ist – das dominierende Thema der letzten Jahre. Außerdem freut er sich, dass es nun endlich in der Talstraße, dem nächsten Großprojekt, losgeht – während weiter das Gymnasium saniert und ein neuer Kindergarten gebaut wird. Besonders wichtig ist Hegmann, dass in diesem Jahr die Frage, ob es ein Neubaugebiet geben soll oder nicht, endlich geklärt wird.
Jahresgespräch
2022 war, auch und gerade in Schriesheim, ein Krisenjahr. Was war denn für Sie die schlimmste Krise?
Das größte Problem für die Stadtverwaltung war der Hackerangriff, der ja bis heute in gewisser Weise noch nachwirkt. Und wegen der Wahlanfechtungsklagen wurde Christoph Oeldorf "nur" zum Amtsverweser ernannt. Das war schon eine Hängepartie.
Auch interessant
Jetzt sind ja diese Krisen vorbei – natürlich nicht der Ukrainekrieg und die Energiepreise –, jetzt müsste Oeldorf doch durchstarten können.
Ich gehe davon aus, dass sich bald etliches bewegt und man dann auch richtige Fortschritte sieht.
Welche Fortschritte?
Vor allem den Beginn der Sanierung der Talstraße. Im ersten Quartal 2023 soll es endlich losgehen. Auf dem Schild vor dem neuen Rathaus steht als Baubeginn noch 2019. Jetzt ist endlich ein sichtbarer Fortschritt in Sicht, der Start ist in der Schmalen Seite.
Haben Sie eine Erklärung für die vier Jahre Verzögerung?
Das ist eine sehr problematische Baustelle. Die Verhandlungen mit dem Land, als es um die Zuschüsse für den Neubau der Gauls- und der Schotterersbrücke ging, haben sich lange hingezogen. Da hätte man von Seiten der Verwaltung mehr Druck aufbauen müssen. Das Ganze hätte schon schneller gehen müssen.
Der Abbau des Sanierungsstaus beschäftigt Schriesheim schon etliche Jahre – und wird das auch in Zukunft tun. Aber ich habe das Gefühl, dass man den niemals ganz abbauen kann, weil so vieles marode ist.
Bauen ist ja nicht das Problem, sondern der Unterhalt. Da wurde zu viel auf die lange Bank geschoben. Das fiel mir auch beim DRK-Heim auf. Wenn nichts getan wird, nimmt der Stau an Reparaturen derart zu, dass ein Gebäude nicht mehr sanierungsfähig ist.

Das ist mir auch in der Schulturnhalle aufgefallen. Der Verfall beginnt im Kleinen und wird dann irgendwann unaufhaltsam …
Man muss sich auch um Kleinigkeiten kümmern. Der Verfall darf nicht so lange fortschreiten, dass man es am Ende mit einem unlösbaren Sanierungsfall zu tun hat.
Wessen Fehler ist das?
Ich will niemandem den Schwarzen Peter zuschieben. Aber man müsste es doch hinbekommen, dass zum Beispiel die Hausmeister die Gebäude fast als ihr Eigentum ansehen und kleine Reparaturen sofort erledigen. Insofern müsste auch das Gebäudemanagement besser funktionieren – indem die Gebäude besser überwacht werden. Natürlich weiß auch ich, dass das Bauamt schon sehr stark belastet ist.
Dann wäre doch eine Art "Frühwarnsystem" nicht schlecht.
Ja, deswegen finde ich, dass man alle städtischen Gebäude daraufhin untersuchen muss, wie gut sie in Schuss sind und welche Sanierungen unbedingt nötig sind.
Was, glauben Sie, ist als nächstes "fällig"?
Eine ganz große Baustelle wird das Rathaus sein. Da sind wir enorm unter Zeitdruck, weil es im Sanierungsgebiet ist. Wir haben nur zehn Jahre Zeit, um dafür dann Zuschüsse zu bekommen.
Krisen und Sanierungsstau – alles schön und gut. Wann hat Oeldorf Gelegenheit, seine "Handschrift" zu zeigen?
Er hat ja auch schon verwaltungsintern das eine oder andere bewegt, von dem man in der Öffentlichkeit wenig mitbekommt. Sichtbare Ergebnisse gibt es dann in ein, zwei Jahren. Oder nehmen wir den "Eigenbetrieb Energie", mit dem auf städtische Gebäude Photovoltaikanlagen gesetzt werden sollen. Ich hoffe, dass wir dadurch auch etliche Mehreinnahmen erzielen.
Und was ist mit dem Neubaugebiet, über das man ja schon längst diskutiert haben wollte?
Es ist bedauerlich, dass wir keinen Schritt weiter sind. Aber ich bin in diesem Jahr immer skeptischer geworden, dass es das jemals geben wird.
Wieso skeptisch?
Die Widerstände gegen Neubaugebiete werden immer größer, ständig ist von "Nachverdichtung" die Rede, also der Nutzung der letzten freien Grundstücke. Außerdem, so haben wir immer gesagt, hat die Erschließung des Neubaugebiets nur Sinn, wenn es sich für die Stadt rechnet.
Schriesheim überaltert und schrumpft, weil es keine Baugrundstücke in größerer Menge gibt. Ladenburg wächst stattdessen. Wäre ein Neubaugebiet nicht fast zwingend, um die Einwohnerzahl zu halten und bezahlbares Wohnen zu ermöglichen?
Von der Bevölkerungsentwicklung ist es schon zwingend. Bezahlbarer Wohnraum kommt aber weniger durch ein Neubaugebiet an sich, sondern durch das Engagement von Genossenschaften oder Gesellschaften.
Ich glaube aber, dass es für das Neubaugebiet im Moment keine Mehrheit im Gemeinderat gibt. Dafür ist nur die SPD, die CDU und Freien Wähler sind sich nicht einig, klar dagegen sind Grüne Liste und FDP …
Ja, ich sehe das so ähnlich. Eine Mehrheit ist nicht da, sie schwindet sogar. Hätte man früher über das Neubaugebiet abgestimmt, wäre sie wohl gestanden. Ich glaube, das wird in jedem Fall eine enge Abstimmung.
Zumal Sie ja befangen sind und gar nicht abstimmen dürfen. Wann wird denn eine Entscheidung fallen?
Ich wünsche mir eine baldige Abstimmung. Eine Entscheidung setzt für die Verwaltung ein klares Signal, weil der Schwebezustand viele Kräfte bindet – und wir dann endlich wissen, ob sich das Neubaugebiet für uns als Stadt lohnt oder eben nicht.
Für die Stadtentwicklung nicht so wichtig, dafür aber hochemotional war die Debatte um die Hans-Pfitzner-Straße. Die Debatte beruhigt sich nicht. Sind Sie dennoch mit der Entscheidung "Erklärtafel statt Umbenennung" zufrieden?
Ja, unser Antrag war ja im Sinne der Anwohner, die es auch am stärksten betrifft. Denn hätten wir anders entschieden, gäbe es weiter eine Riesendiskussion, die auch noch um sich gegriffen hätte. Dann hätten wir laufend weitere Fässer aufgemacht – zum Beispiel mit der Wagnerstraße –, da hätte man noch schwerer einen Deckel drauf halten können. Mit der Ratsentscheidung vom Juli ist das Thema erledigt. Man sollte das akzeptieren, ohne nachzuhaken. So wie wir das auch immer gehalten haben, wenn wir mal verloren haben.
Aber zumindest bleibt der bittere Nachgeschmack, dass Schriesheim einen Antisemiten weiter mit einer Straße ehrt – so steht es sogar auf dem Erklärschild.
Ja, das sollte man überarbeiten und den Sachverhalt richtig zum Ausdruck bringen. Außerdem ehrte man vor 45 Jahren keinen Antisemiten, sondern einen Komponisten. Aber ich finde, es ist genug zu diesem Thema gesagt. Es gibt wichtigere Probleme.
Und die wären?
Das Rückhaltebecken oder der Neubau des Kindergartens in einem annehmbaren finanziellen Rahmen. Zuletzt sind uns ja die Kosten davongeflogen.
Sie sagen es: Der Kindergarten kostet mit sieben Millionen Euro das Doppelte. Wo waren denn da die Freien Wähler als Hüter des Haushalts?
Wir waren früh am Ball, ich war ja auch im Preisgericht dabei. Damals nannte uns der Architekt erst 3,2 Millionen Euro, ein paar Monate später waren es 6,1 Millionen und jetzt sind es 6,9 Millionen. Das liegt an der Entwicklung der Preise beim Bauen, an der deutlich besseren Lüftungsanlage und vor allem an der Erdwärme. Trotz der enormen Kostensteigerungen wird sich das langfristig wirtschaftlich rechnen. Daher hoffe ich, dass wir mit sieben Millionen auskommen. Vielleicht hilft da ein Kostendeckel wie bei der Gymnasiumsanierung.
Kann man als Stadtrat diese Kostensteigerungen überhaupt kontrollieren?
Dafür sind wir alle zu sehr Laien. Wir müssen uns auf den Rat der Experten verlassen. Und die hätten zum Beispiel in der Altenbacher Mehrzweckhalle erkennen müssen, dass asbesthaltiges Material verbaut ist und die Lüftungsanlage nicht kompatibel mit der Elektrotechnik ist. Da darf man nicht der Verwaltung einen Vorwurf machen, sondern der Fachfirma.
Weil wir es von der Nicht-Umbenennung der Hans-Pfitzner-Straße hatten: Da stellten Sie sich gegen den Beschlussvorschlag der Verwaltung, die sich für die Umbenennung ausgesprochen hatte. Ist Oeldorf immer noch "Ihr Mann"?
Nach wie vor. Unsere Einstellung zu ihm hat sich trotz seiner Position in dieser Debatte nicht geändert.
Auch die Grüne Liste kann offenbar ganz gut mit ihm. Ist nun im Gemeinderat die große Harmonie ausgebrochen?
Unsere Grundeinstellung hat sich nicht geändert: Wir waren schon immer für gute Vorschläge aufgeschlossen – egal, von wem sie auch immer kommen.
Aber dennoch haben Sie sich darüber geärgert, dass die Grüne Liste den Kontakt zu den Anwohnern gesucht hat – sei es in der Hans-Pfitzner-Straße oder im Renneweg-Nord.
Ich finde, man sollte viele Dinge fraktionsübergreifend und nicht in Einzelaktionen angehen – vor allem bei der Verkehrsproblematik.
Aber solche Aktionen sind doch legitim. Jede Gruppierung kann von sich aus ein Thema aufgreifen und mit Betroffenen diskutieren.
Ich sehe solche Aktionen an sich schon positiv. Wir machen ja auch so etwas – wie bei der Neugestaltung des Schulhofs oder dem Radweg zum Schwimmbad. Da waren Sie ja auch dabei.
Aber mal ehrlich: Sie sind doch nur deswegen auf die Grüne Liste sauer, weil sie Ihnen mit ihren Aktionen die Show gestohlen hat.
Das sehe ich nicht so. Die Aktionen anderer Fraktionen sind für uns eine zusätzliche Motivation, etwas auf die Beine zu stellen.
Gegen Jahresende kam ein Thema auf, das keiner auf dem Schirm hatte: das Kompressorenhaus. Bisher hat die Kommunalpolitik dazu kaum ein Wort gesagt. Warum?
Weil wir erst auf die Entscheidung des Denkmalpflegeamtes warten mussten, die dann sehr schnell kam. Jetzt liegt der Ball bei uns im Gemeinderat, und wir müssen uns überlegen, welche Kosten auf uns zukommen, denn es geht ja nicht nur um das Kompressorenhaus, sondern um weitere Anlagen des Steinbruchs. Wenn man beispielsweise das Kompressorenhaus aus Haftungsgründen umzäunen müsste, geht das schnell in die Hunderttausende.
Wieso warten Sie denn weiter auf Zahlen? Sie sagen doch selbst, dass ein Erhalt des Kompressorenhauses zu aufwändig wäre. Und es gibt ja auch Stimmen für einen Abriss.
Eine endgültige Entscheidung ist noch nicht gefallen – auch wenn es bei uns die Tendenz gibt, das Kompressorenhaus abzureißen, weil man es ja keiner Nutzung zuführen kann. Aber die Kostenfrage wollen wir schon geklärt haben.
Aber es soll sich ein Förderverein gründen, der die Unterhaltskosten für ein gerettetes Kompressorenhaus tragen will.
Das sehe ich skeptisch. Mir fällt nur ein Beispiel ein, wo es geklappt hat, und das war die IEWS beim Waldschwimmbad. Anfangs ist die Euphorie groß, wenn es ernst wird, ist die schnell wieder vorbei.
Kurz noch eine Jahresbilanz: Was war für Sie das Bemerkenswerteste?
Das Stadtfest vom Mai, das innerhalb kürzester Zeit auf die Beine gestellt wurde. So konnten die Schriesheimer nach der Pandemie wieder feiern.
Apropos Feiern: Der nächste Mathaisemarkt soll nach alter Manier gefeiert werden. Dabei waren Sie doch selber jemand, der auf Reformen gedrängt hat.
2023 wird es höchstens kleine Veränderungen geben. Größere, vor allem im Gastro-Bereich, werden das Thema für die nächsten Jahre.
Im Moment werden so ziemlich alle Feste gut angenommen, weil alle wieder unter Leute wollen. Wenn der nächste Mathaisemarkt besuchermäßig zieht, war es das dann mit dem Reformeifer?
Nein, denn die Defizite der letzten Jahre bleiben ja – und würden in den nächsten Jahren wieder sichtbar werden, wenn sich nichts ändert.
Worauf freuen Sie sich 2023 besonders?
Auf eine Entscheidung zum Neubaugebiet. Denn davon hängt auch die finanzielle Entwicklung unserer Stadt ab.
Zum Schluss wieder die Frage nach der Fee, die Ihnen einen Wunsch erfüllt …
Sie soll den enormen Sanierungsstau abbauen. Oder ihn wenigstens für jedes städtische Gebäude feststellen.