Der "doppelte Max" erntete Weißburgunder
RNZ-Reporter Max Rieser unterstützte das Team von Max Jäck am Schriesheimer Kuhberg.

Von Max Rieser
Schriesheim. Wer meint, dass Lokaljournalisten nur bequeme Besserwisser sind, der hat sicher recht. Manchmal packen aber sogar wir mit an. So zum Beispiel bei mir geschehen, als ich mich mit Winzer Max Jäck und einigen anderen aufmachte zum "Herbsten", also zur Weinlese, bei der ich nicht nur ernten, sondern auch einiges über den Weinbau lernen konnte.
Um Viertel nach acht am Morgen ging es los. Fast drei Wochen früher als im vergangenen Jahr begann Jäck 2022 mit der Ernte und war in dieser Woche schon zur Hälfte durch. Ungefähr zwölf Tage dauert es für ihn, alle Trauben zu ernten. Dieses Jahr hatte er es mit der Hitze und den geringen Niederschlägen zu tun, die die Früchte viel schneller reifen ließen. Die Sonne war noch nicht über die Strahlenburg geklettert, und es war angenehm kühl an dem später heißen Septembertag. Scheren stellte Jäck, Handschuhe musste jeder mitbringen.

Dem Weißburgunder ging es an den Kragen
Im Gewann Steinschleife in der Lage Schriesheimer Kuhberg ging es an diesem Morgen dem Weißburgunder an den Kragen, der voller saftig-süßer Früchte hing. Da die Lage keine der berüchtigten Steillagen Schriesheims ist, sollte die Arbeit nicht allzu anstrengend werden. Auch dass man sich bei der Lese nicht so sehr zu bücken braucht, kam meinem Rücken zugute. Der Blick ist schon mal prächtig auf die Strahlenburg nach oben und auf die Rheinebene nach unten. Was in den Weinbergen um Schriesheim auffällt, ist, dass dieses Kapital touristisch kaum angepriesen wird. Findet man in den Weinbergen auf der anderen Rheinseite häufig Schilder, die Bodenbeschaffenheit, Namen der Lagen oder Informationen über die Winzer, die das Gelände bewirtschaften, beinhalten, sucht man dies über der Weinstadt vergeblich. Das moniert Jäck. Er hofft, dass sich das mit dem geplanten Stadtmarketing ändert.
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Wer zum ersten Mal dabei war, bekam eine kurze Einweisung vom Winzer. Durch die Trockenheit in diesem Sommer, der zwar Stress für die Pflanzen bedeutete, die Trauben jedoch gesund und ohne Fäulnis wachsen ließ, gab es nicht viel zu erklären. Nur vertrocknete Beeren mussten herausgeschnitten werden, denn: "Die schmecken wie Rosinen, und wenn man sie presst, hat man diesen Geschmack im Wein. Dann ist es nichts mehr mit einem frischen, spritzigen Weißburgunder", sagte Jäck.
Um die Beeren vor der starken Hitze zu schützen und die Pflanzen, die jeden Tropfen Wasser brauchten, zu entlasten, schnitt Jäck das Blattwerk so, dass sich die Blätter zum Teil wie ein Sonnenschirm vor die Trauben legten. Außer den vertrockneten Früchten mussten auch diejenigen Trauben entfernt werden, die vom "Bekreuzigten Traubenwickler" befallen waren. Diese Falter legen ihre Larven in die Trauben, wo sie sich entwickeln und dann wegfliegen. Die wenigen befallenen Früchte in Jäcks dreieinhalb Hektar großem Weinberg sehen ebenfalls vertrocknet und ausgehöhlt aus und sind auch für einen Laien gut zu erkennen.
Max Jäck arbeitet in seinen Reben biodynamisch und somit ohne chemische Pflanzenschutz- und Düngemittel. Aus diesem Grund muss die Lese sorgfältiger erfolgen, da Insekten wie der Traubenwickler nicht so gezielt getötet werden können: "Wenn man die Reben mit Insektiziden spritzt, die einige Wochen auf den Trauben bleiben, sterben die Larven ab." Im Öko-Weinbau müsse man genau den richtigen Entwicklungsgrad der Insekten erwischen, um sie mit den zugelassenen mineralischen Mitteln abzupassen.
Alle gesunden Trauben landeten in den Eimern der Helfer, die sich zügig füllten. Fast 15 Helfer hat der Winzer an diesem Morgen. Das ist einem Zufall im Obstbaubetrieb der Jäcks geschuldet: Da die Äpfel noch nicht reif für die Ernte sind, sprangen die Erntehelfer bei Max Jäck ein. Der Rest der Gruppe bestand aus Freiwilligen wie mir und einigen, die sich etwas dazuverdienen wollten. Mit von der Partie waren zum Beispiel die Zwillingsschwestern Eva und Sophie. Eva studiert Weinbau an der Hochschule in Geisenheim. Für ein Praktikum war sie erstmals ins Jäck’sche Weingut gekommen und hilft seitdem jedes Jahr. Ihre Schwester Sophie studiert zwar Psychologie im Master, hilft aber auch schon seit ein paar Jahren regelmäßig mit.
Dass Jäck öffentlich zur Teilnahme an der Lese aufruft, um Helfer zu finden, ist einer Veränderung geschuldet, erklärte er: "Früher haben bei der Weinlese immer Freunde, Bekannte und Verwandte mitgemacht." Heute geht das nicht mehr, da kaum jemand dazu bereit ist, seinen Jahresurlaub mit Schuften im Weinberg zu verbringen. Das macht er auch niemandem zum Vorwurf. Bisher habe er aber keine Probleme damit gehabt, die Schichten zu besetzen, und es gab schon größere Firmen, die mit ganzen Abteilungen zur Lese kamen: als teambildende Maßnahme. Ganz so romantisch gehe es aber nicht immer zu, gestand Jäck. Da er den kleinen Betrieb allein führt, ist er froh, wenn er hin und wieder jemanden mit einem Vollernter findet, der gegen Lohn für ihn erntet. Das geht viel schneller und fast genauso präzise. Für ihn selbst lohnt sich die Anschaffung allerdings nicht.
Schnell ging es an diesem Morgen trotzdem. Nach gerade mal drei Stunden sind drei große Bottiche mit einem Gesamtgewicht von knapp einer Tonne Trauben bereit zur Abfahrt ins Weingut: "Das gibt ungefähr 600 Liter Weißburgunder", schätzte der Winzer, für den die Arbeit im Weingut dann allein weiterging. Zuerst müssen die Trauben von den Stielen, den "Rappen", entfernt werden. Das erledigt eine Maschine, der "Entrapper". Danach gönnt Jäck dem Wein eine Nacht im Kühlhaus, wo Schalen, Kerne und Fruchtfleisch einfach in den Bottichen stehen gelassen werden. Das nennt man "Maischegärung", bei der der Traubensaft schon langsam anfängt, sich in Alkohol umzuwandeln. Erst am nächsten Tag wird er dann gepresst und kommt zur Gärung in Stahltanks.
Für uns Helfer war die Arbeit vorbei, wir wurden mit Butterbrezeln und einem kühlen Tropfen Weißburgunder, der es schon in die Flasche geschafft hatte, belohnt.
Info: Die öffentliche Weinwanderung führt am Sonntag, 18. September, zwischen 10 und 18 Uhr zu zwölf Stationen in Schriesheims Rebenwelt. Natürlich darf probiert werden.